Juni 21, 2024

Eine Vision für den Frieden: Plädoyer für Abrüstung im Nahen Osten

Mariana Fernández

Wir von der Rosa-Luxemburg-Stiftung in New York sind davon überzeugt, dass Abrüstung – insbesondere die Vernichtung von Massenvernichtungswaffen – ein wichtiger Weg zur Förderung eines positiven Friedens ist. Gäbe es diese katastrophalen Waffen nicht mehr, könnten wir nicht nur die unmittelbare Bedrohung durch großflächige Zerstörungen verringern, sondern auch eine weltweite Atmosphäre des Vertrauens und der Zusammenarbeit fördern. Abrüstung ebnete den Weg für eine nachhaltige Entwicklung, da Ressourcen, die zuvor für Waffen ausgegeben wurden, für Bildung, Gesundheitsversorgung und Infrastruktur eingesetzt werden könnten. Darüber hinaus ermutigte sie die Völker zum Dialog und zur friedlichen Beilegung von Konflikten und legte damit den Grundstein für eine stabilere und gerechtere Welt.

Während heute ein Großteil der Welt mit Entsetzen auf den Krieg und die Zerstörung im Gazastreifen und seine Auswirkungen auf die Region blickt – wie etwa der Schusswechsel zwischen Israel und dem Iran -, ist eine Tatsache besonders beunruhigend: Israel ist das einzige Land im Nahen Osten, das über Atomwaffen verfügt.[1] Die jüngste Eskalation hat eine Region zusätzlich belastet, die bereits mit den verheerenden Folgen des syrischen Bürgerkriegs, dem jemenitischen Bürgerkrieg als Stellvertreterkonflikt für regionale Mächte und den turbulenten und gewalttätigen Folgen ausländischer Militärinterventionen in Afghanistan, Irak und Libyen zu kämpfen hat. Seit den Kolonialkriegen in der Mitte des 20. Jahrhunderts sind der Nahe Osten und Nordafrika ein Brennpunkt der Unbeständigkeit und des Krieges. Mehr als 45 bewaffnete Konflikte finden derzeit in der gesamten Region statt: in Ägypten, Irak, Israel, Libyen, Marokko, Palästina, Syrien, der Türkei, dem Jemen und der Westsahara.[2]

Der Krieg in Gaza, der so brutal ist, dass der Internationale Gerichtshof untersucht, ob es sich um einen Völkermord handelt, ist ein weiteres Argument für die Schaffung einer massenvernichtungswaffenfreien Zone im Nahen Osten. Neben Israels Politik der nuklearen Zweideutigkeit[3] und seinem Besitz chemischer und biologischer Waffen muss man aber auch das iranische Atomprogramm, das offensichtlich auf die Entwicklung von Waffen abzielt, den Einsatz von Chemiewaffen durch Assad während des syrischen Bürgerkriegs sowie die Beteiligung und die Interessen von Atommächten wie den USA und Russland in der Region berücksichtigen.

Die Idee zur Schaffung einer atomwaffenfreien Zone im Nahen Osten wurde erstmals 1990 von Ägypten vorgebracht und ging auf einen früheren Vorschlag für eine atomwaffenfreie Zone zurück, der 1974 von der UN-Generalversammlung in einer Resolution gebilligt wurde. Im Jahr 1995 forderte die Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrags die Einrichtung einer effektiv überprüfbaren Zone im Nahen Osten, die frei von nuklearen, chemischen und biologischen Massenvernichtungswaffen und ihren Trägersystemen ist.[4] Auf der Tagung 2010 einigten sich die Vertragsstaaten erstmals auf fünf Schritte, um die Umsetzung der Resolution von 1995 voranzutreiben. Seit 2019 findet die Konferenz über die Einrichtung einer von Atomwaffen und anderen Massenvernichtungswaffen freien Zone im Nahen Osten jährlich am UN-Hauptsitz in New York statt.[5]

Die Middle East Treaty Organization (METO) ist ein „Zusammenschluss von Aktivistinnen und Aktivisten und Praktikerinnen und Praktikern der Zivilgesellschaft, die den Nahen Osten von allen Massenvernichtungswaffen befreien wollen, um so ein Tor zu regionaler Sicherheit und Frieden zu öffnen“.[6] Die METO wurde von Emad Kiyaei aus dem Iran und Sharon Dolev aus Israel als Reaktion auf die jahrzehntelange Stagnation in diesem Bereich gegründet und verfolgt „einen vertragsbasierten Ansatz mit drei Schlüsselkomponenten“:

1) Ein Vertrag über eine Zone, die frei von Massenvernichtungswaffen ist – ein Text, der von den betroffenen Regierungen und Interessengruppen in einem integrativen Prozess frei erarbeitet wurde.[7]

2) Eine regionale Organisation, die die Umsetzung, Überprüfung und Einhaltung des Abkommens überwacht.

3) Engagement der Zivilgesellschaft – Förderung einer starken zivilgesellschaftlichen Bewegung, die sicherstellt, dass die Regierungen ihre Verpflichtungen zur Nichtverbreitung und zur menschlichen Sicherheit einhalten.

Der Vertragsentwurf von METO wird immer in Entwurfsform bleiben, als Modell für Regierungen, Einzelpersonen und Nichtregierungsorganisationen, die ermutigt werden, Änderungen und Verbesserungen vorzuschlagen. Das Ziel der Organisation ist es nicht, einen Konsens über diesen Vertragsentwurf zu erreichen, sondern zu zeigen, dass ein Prozess machbar ist, wenn der politische Wille vorhanden ist.

Seit 2019 unterstützt die Rosa-Luxemburg-Stiftung in New York die Arbeit von METO auf verschiedene Weise. In der Überzeugung, dass Frieden und Sicherheit im Nahen Osten „nur mit der breiten Unterstützung von Menschen auf der ganzen Welt erreicht werden können“, kombiniert METO Lobbying-Aktivitäten mit Bildung und Öffentlichkeitsarbeit, um das Bewusstsein für den Vertragsprozess zu schärfen. METO veranstaltet Treffen von Expertinnen und Experten, bei denen diese mit Diplomatinnen und Diplomaten technische Aspekte eines Vertragsentwurfs erörtern, betreibt Lobbyarbeit auf wichtigen internationalen Abrüstungskonferenzen und organisiert Seminare und Kurse zur Schulung von Studenten und jungen Diplomatinnen und Diplomaten zu diesem Thema. Wir unterstützen dies, indem wir internationale Reisen und Treffen finanzieren, Side Events auf UN-Konferenzen und anderen internationalen und nationalen Veranstaltungen mitorganisieren, Konferenzen mitfinanzieren und Kontakte zu Aktivistinnen und Aktivisten in anderen Bereichen herstellen.

Unsere Zusammenarbeit mit METO unterstützt ihre Vision eines friedlichen, integrierten und blühenden Nahen Ostens, der auf menschlicher und ökologischer Sicherheit aufbaut. Das ist auch unsere Vision.


[1] rosalux.nyc/the-ultimate-violation-of-human-rights-the-nexus-between-weapons-of-mass-destruction-and-humanitarian-concerns/

[2] geneva-academy.ch/galleries/today-s-armed-conflicts

[3] Die Politik der bewussten Intransparenz oder Zweideutigkeit bedeutet, dass Israel den Besitz von Atomwaffen weder bestätigt noch dementiert. Es ist das einzige Land in der Region, das nicht Vertragspartei des Atomwaffensperrvertrags ist und den Rechtsrahmen der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) für die Sicherheitsüberwachung nicht vollständig akzeptiert hat.

[4] front.un-arm.org/wp-content/uploads/assets/WMD/Nuclear/1995-NPT/pdf/Resolution_MiddleEast.pdf

[5] disarmament.unoda.org/topics/conference-on-a-mezf-of-nwandowomd/

[6] www.wmd-free.me/home/about/

[7] Der letzte Entwurf stammt aus dem Jahr 2022 und kann hier eingesehen werden: www.wmd-free.me/home/draft-treaty/dtv5/


Mariana Fernández ist Projektmanagerin bei RLS-NYC mit den Schwerpunkten Frieden und Sicherheit, Abrüstung und Abschaffung der Atomkraft.


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