Die Amerikaner und Europäer verhandeln über ein Freihandelsabkommen namens TTIP. Aber warum eigentlich? Der Handel floriert doch schon. Gleichzeitig wird das eigentliche Handelshemmnis nicht angegangen: die Devisenspekulation, die die Währungskurse extrem schwanken lässt und Exportgüter ad hoc verteuert.
Die politische Obsession mit dem Freihandel lässt sich nicht verstehen, wenn man sich nur die aktuellen Verhandlungen ansieht, sondern man muss in die Geschichte zurückgehen.
Die vergangenen 250 Jahre erklären, wie die Industrieländer reich wurden, warum die Entwicklungsländer arm bleiben – und wieso der Freihandel nur den reichen Ländern nützt.
Freihandel ist eine Ideologie der Mächtigen und kann ein sehr potentes Mittel sein, um Lobbyismus zu betreiben. Die Kritiker haben also Recht, wenn sie TTIP verhindern wollen. Trotzdem sind manche Schlagworte falsch, mit denen die Aktivisten mobilisieren. Das berühmte „Chlorhähnchen“ wird nicht kommen, vor dem so viele Verbraucher in Deutschland Angst haben. Die Strategie der Konzerne ist perfider: Die Lobbyisten werden versuchen, bestimmte Konsultationsverfahren durchzusetzen, die ihnen enormen Einfluss einräumen würden – auf zwei Kontinenten und damit weltweit.
TTIP ist ein spannendes Thema: Wie in einem Brennglas zeigt es, wie Kapitalismus funktioniert – und welche Macht die Politik trotzdem hat.
Ulrike Herrmann ist seit 2000 Redakteurin der taz für wirtschaftspolitische und soziale Themen. Herrmann nimmt häufig an Diskussionen in Hörfunk und Fernsehen teil, unter anderem an der Fernsehsendung Presseclub und im Fernsehsender Phoenix. Ihre Sachbuchveröffentlichungen beschäftigen sich mit grundlegenden sozial- und wirtschaftspolitischen Fragen. 2013 erschien ihr Buch Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen im Westend Verlag.