Januar 22, 2013

Von Der Interessenvertretung Zur Sozialen Transformation? Die LGBT-Bewegung in den Vereinigten Staaten

Rosa Luxemburg Stiftung - New York

Am 6. November 2012 trafen die Wählerinnen und Wähler in den Bundesstaaten Maine, Maryland und Washington historische Entscheidungen: Zum ersten Mal in der Geschichte der Vereinigten Staaten entschieden Volksabstimmungen zugunsten der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Die Volksabstimmungen sind ein ermutigendes Zeichen für gesellschaftlichen Wandel, da sie eine entscheidende Veränderung in den Einstellungen reflektieren. Noch vor wenigen Jahren konnte man darauf zählen, mit Gegeninitiativen zur gleichgeschlechtlichen Ehe sozial konservative Wähler zu mobilisieren. Heute hingegen ist die Gegnerschaft zur Homo-Ehe eine weitere Belastung für die zunehmend realitätsferne Republikanische Partei geworden. Umfragen zeigen, dass nunmehr eine Mehrheit der Amerikaner, und insbesondere eine große Mehrheit junger Menschen, die Homo-Ehe unterstützt. Einstellungen gegenüber sexueller Differenz haben sich in den Vereinigten Staaten in einer Weise gewandelt, die noch vor kurzem undenkbar schien.

Dieser Wandel ist natürlich nicht vom Himmel gefallen. Er wurde von einer wachsenden Bewegung über mehrere Jahrzehnte hinweg erkämpft. Die LGBT-Bewegung (Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender-Leute) kann den Erfolg, der in der Änderung der populären Einstellungen gegenüber sexuellen Minderheiten sowie in der Politik zum Schutz ihrer Rechte zum Ausdruck kommt, für sich verbuchen. Obwohl diese Siege die gesellschaftliche Gleichberechtigung noch keineswegs vollständig verwirklicht haben, verspricht die neuere Entwicklung doch eine bessere Zukunft.

Aber stimmt das? Im Vergleich zu der radikalen Vergangenheit der LGBT-Bewegung scheint die heutige Fokussierung auf die Ehe – in den Augen einiger ihrer Mitglieder – darauf hinzudeuten, dass eine ehemalige Befreiungsbewegung in ein Stadium der Anpassung eingetreten ist. Zumindest in der Öffentlichkeit scheint die Gleichstellung der Home-Ehe zum entscheidenden Thema der LGBT-Bewegung geworden zu sein. Und obgleich Progressive die Gleichberechtigung vorbehaltlos unterstützen sollten, stellt sich die Frage, was der Umstand, dass die Home-Ehe vor allem Weiße aus der gehobenen Mittelschicht begünstigt, über den Zustand der Bewegung aussagt. Bedeutet der Fokus auf die Ehe, dass die Anliegen von schwarzen Queers sowie von armen und der Arbeiterklasse angehörigen Schwulen, Lesben und Bisexuellen sowie von Transgender-Leuten in den Hintergrund gedrängt werden? Und verhindert die Betonung bestimmter LGBT-Rechte die Möglichkeiten für den Aufbau sozial transformativer Bündnisse mit anderen unterdrückten Gruppen?

In dieser Studie untersucht Dawne Moon, Professorin für Sozial-und Kulturwissenschaften an der Marquette University in Milwaukee, Wisconsin, diese Fragen vor dem Hintergrund der historischen Entstehung und Entwicklung der LGBT-Bewegung. Obwohl es Vorläufer gibt, hat die moderne LGBT-Bewegung ihre Wurzeln in den „homophilen“ Organisationen der Nachkriegszeit wie Mattachine Society und Daughters of Bilitis. Moon zeigt, wie die Bewegung in den 1960er und 70er Jahren große Fortschritte erzielte und wie in den 1980er Jahren die AIDS-Krise und der rechte Backlash die Perspektiven und Ziele der Bewegung verwandelten. Seitdem hat sich viel verändert, aber die zentrale Frage bleibt: Wie sollte die Politik der LGBT-Bewegung im 21. Jahrhundert aussehen?


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