November 8, 2016

Alternativen zur „Entwicklung“: Ein neues Energiesystem für Indien

Von Rohan D. Mathews, Susana Barria und Ashim Roy

Es ist eine traurige Ironie des Klimawandels, dass die Länder, die am wenigsten Treibhausgase produzieren, die größten Folgeschäden davontragen. Diese Ungleichheit zwischen Staaten spiegelt sich innerhalb der Staaten wider. Diejenigen, die für die Erderwärmung verantwortlich zeichnen – die Wohlhabenden und Mächtigen – sind nicht jene, die die Folgekosten schultern müssen. Aber obwohl man die Länder des globalen Südens für die Probleme nicht verantwortlich machen kann, ist eine Lösung ohne sie unmöglich.

Internationale Klimaakteure haben diese Realität erkannt und im Konzept der „gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung“ (CBDR) festgehalten. Diese Verantwortung drängt alle Staaten, die Folgen des Klimawandels zu benennen und anzugehen – unter der Maßgabe, dass nicht alle die gleiche Mitschuld tragen. In ähnlicher Weise setzen sich Gewerkschaften, Indigene Völker und andere betroffene Gruppen für einen „gerechten Übergang“ (just transition) ein, um sicherzustellen, dass der Wandel von der Nutzung fossiler Brennstoffe hin zu erneuerbaren Energien nicht auf dem Rücken der Armen und der Arbeitnehmer ausgetragen wird.

„Just transition“ bleibt als Konzept einigermaßen vage, und die Diskussion darüber wird allzu oft von den Arbeitern der fossilen Brennstoffbranche aus dem globalen Norden dominiert. Ein gerechter Übergang in einem industriellen oder postindustriellen Wirtschaftssystem würde aber anders aussehen als in einer Entwicklungswirtschaft. Hier fehlt vielen Menschen schlicht der Zugang zu einer modernen Energieversorgung und sozialen Infrastruktur, die in den Industriestaaten als selbstverständlich angesehen wird.

Diese neue Studie der Initiative Gewerkschaften für Energiedemokratie (TUED) ist die erste, die von Mitgliedern einer Gewerkschaft des globalen Südens inhaltlich gestaltet wurde. Indiens Neue Gewerkschaftsinitiative (New Trade Union Initiative, NTUI) ist eine nationale Gewerkschaftsföderation, die eine unabhängige, demokratische und kämpferische Stimme für die Arbeiter Indiens sein will. Rohan Dominic Mathews, Susana Barria und Ashim Roy fassen zusammen, wie ein gerechter, demokratischer und nachhaltiger Wandel von der Nutzung fossiler Energiequellen (hauptsächlich Kohle) zu erneuerbaren Energien in Indien aussehen könnte. Mathews verfasst derzeit seine Doktorarbeit an der Universität Göttingen in Soziologie; Barria hat als Wissenschaftlerin lange mit der NTUI zusammengearbeitet und ist heute für den Gewerkschaftsdachverband Public Services International tätig; Roy ist NTUI-Generalsekretär.

In Indien und andernorts eröffnet die Notwendigkeit eines Übergangs hin zu einer neuen Art der Energieversorgung auch die Möglichkeit, Gesellschaften demokratischer und sozial gerechter zu gestalten. Gleichzeitig besteht allerdings das Risiko, dass private Interessen anstelle des Gemeinwohls den Prozess dominieren. Welchen Weg wir einschlagen werden, hängt von der politischen und organisatorischen Stärke der Arbeitnehmer ab. In diesem Working Paper stellen die Autoren eine klare Analyse der Handlungsbereiche vor, die Gewerkschaften und ihre Partner nutzen können, um einen gerechten Übergang zu ermöglichen.


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