September 30, 2020

Arbeitskampf bei Pittsburgher Zeitung: Verzweiflung steht neben Hoffnung

Ryan Deto

Zentrale der Pittsburgh Post-Gazette (Foto: Tony Webster, CC BY-SA 2.0).

Die Medienlandschaft in Pittsburgh ähnelt derjenigen an anderen Orten der USA – doch es gibt auch Unterschiede.

Seit mehreren Jahren befinden sich die Journalist*innen der Pittsburgh Post-Gazette – der größten Zeitung im Westen Pennsylvanias – im Arbeitskampf mit den Eigentümern. Auf dem Papier gleicht alles den üblichen amerikanischen Arbeitskämpfen zwischen Journalist*innen und Eigentümer*innen. Auf der einen Seite stehen wohlhabende Unternehmer, die wohl die Absicht haben, die Gewerkschaft zu zerschlagen, um Mitarbeitende flexibler entlassen und Einnahmen erhöhen zu können. Auf der anderen Seite kämpfen Journalist*innen nicht nur um ihre Weiterbeschäftigung, sondern auch um eine Lohnerhöhung (die hier seit 14 Jahren auf sich warten lässt), um bezahlbare Gesundheitsvorsorge und überhaupt um den Erhalt von Arbeitsplätzen auf einem Niveau, das qualitativ hochwertigen Journalismus für Pittsburgh ermöglicht. Der Konflikt hat die Newspaper Guild of Pittsburgh als Gewerkschaft der ca. 120 Journalist*innen der Post-Gazette kurz vor einen Streik gebracht.

Die Auseinandersetzung um die Post-Gazette unterscheidet sich allerdings von vergleichbaren Kämpfen insofern, als dass es sich bei den Eigentümern nicht um einen gewaltigen Hedgefonds handelt, der alles platt walzt. Die Zeitung, vor mehr als 200 Jahren gegründet, liegt in den Händen der wohlhabenden Block-Familie, die es über ihr Medienunternehmen Block Communications führt. An der Spitze stehen die Zwillingsbrüder John und Allan Block, wobei John Block für die Post-Gazette verantwortlich ist.

Während des Arbeitskampfs war John Block zeitweise formal Chefredakteur und Herausgeber der Zeitung. Während langjährige Journalist*innen, mit denen ich gesprochen habe, seine Funktion als Redakteur für nicht besonders glaubwürdig hielten, war klar, dass er bei der inhaltlichen Weiterentwicklung mitreden wollte. In Porträt-Interviews, die mit ihm geführt wurden, stellte er sich als «Reporter»dar, zudem vergab er Aufträge für Artikel über Gesellschaftsveranstaltungen, an denen er selbst teilnahm.

Der Arbeitskampf bei der Post-Gazette ist also nicht ganz der gleiche wie bei den anderen, im Niedergang begriffenen Zeitungen aus Cleveland, San Jose oder Denver, die oft zum Vergleich herangezogen werden. Der Plain-Dealer aus Cleveland beispielsweise wurde von einem Hedgefonds aufgekauft, der sich daranmachte, die Gewerkschaft strategisch zu zerschlagen. Man trieb im Redaktionsteam einen Keil zwischen Gewerkschaftsmitglieder und Nicht-Mitglieder, woraufhin den Gewerkschafter*innen Stelle um Stelle gestrichen wurde, bis nichts mehr übrig war. Die Gewerkschaft in Cleveland löste sich voriges Jahr auf, der Plain-Dealer existiert zwar noch, ist aber nur mehr eine Hülle seiner selbst. Der Hedgefonds hat sein Ziel erreicht.

Und Cleveland ist nur ein Beispiel. Nach einer Studie der Universität von North Carolina sind in den USA seit 2004 ca. 1.800 lokale Zeitungen von der Landkarte verschwunden. In weniger als zwei Jahrzehnten verlor das Land 20 Prozent seiner lokalen Nachrichtenblätter.

Auch die Pittsburgher Newspaper Guild musste in den letzten Jahren starke Einschnitte verkraften. Obwohl den Journalist*innen der Post-Gazette der Pulitzer Prize 2019 verliehen wurde, hat der Arbeiter*innenverbund in den letzten zwei Jahren Dutzende Mitarbeiter*innen verloren, darunter talentierte Journalist*innen wie Rich Lord, Paula Reed Ward, Michael Santiago und Lillian Thomas, um nur einige wenige zu nennen. Dies hängt sicherlich nicht zuletzt mit der schlechten Arbeitsatmosphäre zusammen, die mit John Block Einzug hielt, inklusive einem Wutanfall in der Redaktion und der Einsetzung eines rechtsgerichteten Kolumnisten als Chefredakteur. Keith Burris’ Zeit als Chefredakteur, die jüngst ihr Ende fand, umfasste Vorkommnisse wie ein rassistisches Editorial, gegen das die Newspaper Guild offen protestierte, die Versetzung von Reporter*innen, die sich gegen das Management aussprachen, und das Abziehen von zwei Schwarzen Redaktionsmitgliedern von der Berichterstattung über die regionalen Black-Lives-Matter-Demonstrationen.

Noch dazu schulterte die Gewerkschaft einen Arbeitskampf um die Verträge, die nach Jahren des Stillstands endlich angepasst werden sollten, sowie eine Auseinandersetzung mit der gewerkschaftsfeindlichen Anwaltsfirma der Blocks.

Was aber die Lage der Pittsburgh Post-Gazette so außergewöhnlich macht, ist die Tatsache, dass die Eigentümer sie trotz der von ihnen konstatierten jährlichen Millionenverluste bisher nicht stillgelegt haben. Block Communications sind im Besitz einer weiteren Zeitung sowie verschiedener Radio- und Fernsehsender im Land, die vermutlich profitabel sind. Ihr Ziel, die Post-Gazette als solche profitabel zu machen, erscheint vermessen, gibt es doch in den mittelgroßen Städten der USA kaum Zeitungen, die Profit abwerfen. Noch dazu haben die Blocks selbst in den letzten Jahren alles dafür getan, den Ruf der Post-Gazette zu zerstören. Leser*innen, die lange Jahre hinter der Zeitung standen und ihre Qualität lobten, zeigen sich inzwischen entsetzt über ihren Journalismus und den Umgang mit Journalist*innen. Wichtige Werbekund*innen haben sich zurückgezogen, die größte Lebensmittelkette in der Region hat die Zeitung aus dem Sortiment genommen – all das die direkte Konsequenz aus der schlechten Behandlung der Arbeiter*innen durch das Management.

Wie können die Eigentümer behaupten, dass es ihr Ziel sei, die Post-Gazette ins Plus zu führen, wenn sie die Zeitung zugleich vor den Augen ihres Publikums kaputtmachen sowie für den Verlust von Werbe- und Vertriebswegen verantwortlich sind?

Wenn die Eigentümer wirklich profitabel arbeiten wollten, würden sie ihren talentierten Pool an Mitarbeiter*innen weiter stützen und ihnen die wohlverdiente Gehaltserhöhung geben. Tatsächlich liegen Abonnement-Modelle in den USA derzeit im Trend, da kluge Medienkonsument*innen bereit sind, für einen lokal verankerten Journalismus zu zahlen, den sie schätzen und dem sie inmitten der Ströme an Clickbaits und Fake News trauen können. Es ist schwer zu sagen, ob ein Abonnementmodell lokale Publikationen am Leben halten kann. Zumindest auf landesweiter Ebene und in Bezug auf spezialisierte Marktsegmente gibt es aber für Publikationen, die ihrem Publikum kontinuierlich hochwertige Inhalte liefern, durchaus Erfolgsanzeichen – der Sportjournalismus von The Athletic ist so ein Beispiel. Leser*innen fühlen sich gerne mit «ihrer» Zeitung verbunden.

Für das Pittsburgh City Paper, die kleine wöchentliche Zeitung, bei der ich arbeite, ist es zwar finanziell nicht einfach, aber sie konnte über Mitgliederkampagnen, Abonnements und Fanartikel neue Einkünfte generieren. In den USA wird es sicherlich immer Medien geben, die mit sensationsheischenden Clickbaits arbeiten, doch Konsument*innen zeigen zunehmend die Bereitschaft, für sorgfältigen, nuancierten Journalismus zu zahlen. Im Grunde ist dies außerhalb der staatlich geförderten Medien unsere einzige Chance, da die Masse der Werbeeinnahmen immer weiter in Richtung von Technologieplattformen wie Facebook und Google geht.

Darüber hinaus ist die Pittsburgh Post-Gazette gegenüber dem City Paper sogar im Vorteil – sie ist um einiges größer und bekannter. Die Eigentümer könnten gutem, gewerkschaftlichem Journalismus die Führung anvertrauen, anstatt sich ständig selbst ein Bein zu stellen.

Zum Glück besteht noch Hoffnung – dank dem Verlangen der Blocks, Teil der Pittsburgher Medienlandschaft zu bleiben. Es ist offensichtlich, dass der ortsansässige John Block eine Rolle im Pittsburgher Stadtleben spielen möchte, und es ist wohl dieses Verlangen, das die Post-Gazette am Leben hält, obwohl sie vom eigenen Medienunternehmen untergraben wird. Die Blocks bekämpfen die Gewerkschaft weiter mit allen Mitteln (dazu gehören die unschönen Umstände einer arbeitsrechtlichen Beschwerde), aber es gibt auch Anzeichen für Hoffnung.

Der kontroverse Chefredakteur Keith Burris ist nun nur noch redaktionelles Mitglied, genauso wie eine bei den Mitarbeiter*innen äußerst unbeliebte leitende Redakteurin. Der neu berufene Chefredakteur Stan Wischnowski wurde von der Newspaper Guild mit Optimismus empfangen.

Wenn die Blocks ihre Mitarbeiter*innen so behandeln, wie es diesen zusteht, kann die Post-Gazette zu altem Glanz zurückfinden – finanziell und in ihrem Ansehen.

Ryan Deto ist Nachrichtenredakteur des Pittsburgh City Paper. Er schreibt seit mehr als fünf Jahren über lokale Medien- und Arbeitsverhältnisse. Zuvor arbeitete er für Publikationen in Los Angeles, Boston und San Francisco.


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