Januar 15, 2021

Mit Druck auf Biden gegen die Wohnungskrise

Oksana Mironova

Dieser Beitrag ist Teil unserer Artikelreihe: „Am Rande des Abgrunds: eine progressive Agenda für die Biden-Ära

Während US-Präsident Biden Mitte Januar sein neues Heim in Washington DC bezog, liefen schätzungsweise 30 Millionen Menschen in den USA Gefahr, ihr Zuhause zu verlieren. Eine zunehmende Wohnungsunsicherheit war eine der Auswirkungen dieser Krise des öffentlichen Gesundheitswesens, als die Pandemie die US-amerikanische Gesellschaft im vergangenen Jahr erfasste. Dies wurde dann auch zu einem Faktor, der die Verbreitung von COVID-19 zusätzlich vorantrieb. Vor allem Schwarze und LatinX sind von immer weiter wachsenden Mietschulden und von Zwangsräumungen bedroht.  

Die Pandemie ist ein plötzlicher Schock für ein überlastetes System nach Jahrzehnten von Deregulierung, Haushaltskürzungen und dem Rückzug der Bundesbehörden aus der Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum. Bereits vor der Pandemie gab es in den USA keinen Bundesstaat, keinen städtischen Großraum und keinen Bezirk, in dem sich ein für den Mindestlohn arbeitender Mensch eine anständige Drei-Zimmer-Wohnung leisten konnte. Fast 570.000 Menschen sind derzeit obdachlos. Im Zuge der langfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie wird ihre Anzahl im Jahr 2021 wahrscheinlich drastisch ansteigen.

Auf Bundesebene ist die Wohnungspolitik unter den strengen Sparmaßnahmen der letzten vierzig Jahre völlig verkümmert. Im Jahr 2020 drängten Bewegungen gegen rassistische Diskriminierung und wirtschaftliche Ungleichheit US-Präsidentschaftskandidat*innen der Demokratischen Partei jedoch dazu, Strategien zur Lösung der Wohnungskrise zu entwickeln. In den Kampagnen von Biden und Harris wurde vorgeschlagen, Milliarden von US-Dollar für Wohnraumbeschaffungsprogramme auszugeben, was eine ideologische Umorientierung für die Demokratische Partei darstellte. Ihre Vorschläge deuten jedoch auch auf eine weiterbestehende Ausrichtung auf marktorientierte Lösungen und kleinere Rechtsreformen hin, was wahrscheinlich angesichts des Ausmaßes der Krise unzureichend ist, und  nicht dazu geeignet, die strukturellen Probleme auf dem Wohnungsmarkt, die rassistische Diskriminierung reproduzieren, zu lösen.

Zugleich erleben die USA eine Wiederlebung der auf Wohnungsfragen fokussierten politischen Organisationsarbeit. Sie hat sich umorientiert, weg von dem Bemühen um einzelne graduelle Verbesserungen und hin zu einer völligen Neukonzeption der Wohnungsfrage, wie Tara Raghuveer von der Organisation Kansas City Tenants erläuterte. Da die Demokratische Partei nun im Kongress über eine knappe Mehrheit verfügen, wird die Biden-Administration auf die Zunahme von lokalen Protestbewegungen und Initiativen reagieren müssen, die sich bei entscheidenden Wohnungsfragen, etwa Zwangsräumungen und Obdachlosigkeit, verstärkt Gehör verschaffen.

Demonstrant*innen bei einem Sit-in vor dem New Yorker Kings Supreme & Family Court Building im Rahmen einer „Resist Evictions“-Demonstration gegen Zwangsräumungen am 10. August 2020. (Foto: Michael M. Santiago/Getty Images)

Wohnungspolitik auf Bundesebene, von Reagan bis Trump

Bidens Ansatz zur Wohnungsfrage sollte vor dem Hintergrund der von seinen Amtsvorgängern verfolgten Politik und der dafür zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel gesehen werden. Während der letzten vier Jahre versuchte die Trump-Administration, im gesamten Staatsapparat rassistische, transphobe und gegen Migrant*innen gerichtete Maßnahmen zu ergreifen, Transgender-Personen von der Wohnbeihilfe auszuschließen, gegen Migrant*innen ohne Papiere, die Wohnbeihilfe erhalten, vorzugehen und gegen rassistische Diskriminierung gerichtete Bundesgesetze aufzuheben. Die von Trump intendierten Kürzungen im Wohnungssektor waren jedoch weniger erfolgreich, hauptsächlich aufgrund der erfolgreichen Mobilisierung zu Protest-Kampagnen durch Aktivist*innen. Zurückliegende US-Regierungen  hatten bereits Jahrzehnte vor Trumps Amtsantritt Mittel gekürzt, Regulierungsmaßnahmen wieder zurückgenommen und sich generell von einer sozialen Wohnungspolitik verabschiedet.

Die Reagan-Regierung (1981–1988) beschleunigte Kürzungen der finanziellen Mittel für soziale Absicherung, einschließlich im Wohnungsbereich. Dahinter steckten in ideologischer Hinsicht Antikommunismus und White Supremacy. Ein Sprecher des Ministeriums für Wohnungsbau und Stadtentwicklung (HUD), der für die Wohnungsprogramme zuständigen Bundesbehörde, stellte im Jahr 1981 klar: „Mit der gesamten Vorstellung, dass die Bundesregierung alle Wohnungsprobleme in diesem Land lösen könne, ist es jetzt vorbei“. Die tiefgreifenden Kürzungen betrafen die damals wichtigsten Wohnungsprogramme, die mit Bundesmitteln Bauprojekte und den Erhalt bestehender Sozialwohnungen finanzierten, sowie die Mietbeihilfe, bei der ein Teil der von Geringverdienern zu entrichtenden Mieten übernommen wird. Reagan reduzierte das HUD-Budget um drei Viertel, von 32 Milliarden US-Dollar im Jahr 1981 auf 7,5 Milliarden US-Dollar im Jahr 1988.

Die Reagan-Administration baute die staatliche Wohnungsbeihilfe ab. Zugleich ignorierte sie die von Bürgerrechtsorganisationen hart erkämpften Bundesgesetze gegen Diskriminierung. Zu diesen Gesetzen gehörten der Fair Housing Act von 1968, der eine Rechtsgrundlage für die Anfechtung rassistischer Kreditvergabe- und Immobilienpraktiken bot, sowie der Community Reinvestment Act von 1977. Er förderte die Vergabe von Hypotheken in Stadteilen, in denen Menschen mit mittlerem und geringem Einkommen leben, und sollte dem „Redlining“ (eine Vorgehensweise, die der Politikwissenschaftler David Imbroscio als „Kodifizierung einer rassistischen Marktrationalität“ bezeichnet, die sich insbesondere gegen Schwarze richtet) entgegenwirken. Die Reagan-Regierung begründete ihr Vorhaben, durch Haushaltskürzungen und die Deregulierung des Kredit- und Immobiliensektors „den freien Markt zu entfesseln“, durchaus ohne rassistische Konnotationen. Der Immobilienmarkt ist jedoch keine Naturgewalt, sondern laut der Wissenschaftlerin und Aktivistin Keeanga-Yamahtta Taylor „ein Spiegelbild unserer Werte“, wobei „Race im Mittelpunkt steht“. Insgesamt waren diese Rückschritte auf Bundesebene eine revanchistische Kampagne gegen die von Aktivist*innen in den Jahrzehnten davor erkämpften Errungenschaften.   

Nach Reagans Amtszeit gingen die Bundesbudgets für Wohnungsangelegenheiten weiter zurück, egal ob die Republikanische oder die Demokratische Partei das Zepter in der Hand hielten. Als US-Präsident Bill Clinton 1996 versprach, „Sozialhilfe, so wie wir sie kennen, zu beenden“, beklagte das New York Times Magazine: „In den ersten Jahren von Ronald Reagans Präsidentschaft gingen Demonstranten auf die Straße, als die Regierung die Anzahl der neuen Familien mit Anspruch auf Mietbeihilfe von einem Höchststand von etwa 400.000 auf 40.000 pro Jahr reduzierte. Oh, die guten alten Zeiten unter Reagan: Das Gesetz, das Präsident Clinton letzten Monat unterzeichnete, senkte ihre Anzahl auf null.“ Präsident George W. Bushs umfangreiche Steuersenkungen und Militärausgaben zu Beginn seiner Amtszeit führten zu einem Haushaltsdefizit, das später Kürzungen bei Projekten für bezahlbaren Wohnraum rechtfertigte. Während der Obama-Administration musste eine von der Republikanischen Partei bewusst herbeigeführte Krise über die nationale Schuldenobergrenze als Rechtfertigung für Mittelkürzungen bei sämtlichen Sozialleistungen herhalten, einschließlich Sozialwohnungen und Mitbeihilfe, mit Laufzeit bis 2021.

In diesen vier Jahrzehnten strammster Austerität stützten und förderten US-Regierungen allerdings gleichzeitig den Hypothekenmarkt in Form von Rettungsaktionen für Kreditinstitute in Krisenzeiten und der Subventionierung von Vermietern und reichen, weißen Hauseigentümern. Viele dieser Subventionen erfolgen über das Steuerrecht. Dadurch werden sie in der Öffentlichkeit und in der jährlichen Bundeshaushaltsdebatte, in der Kürzungen für Sozialleistungen vorgenommen werden, unsichtbar gemacht. Zugleich verfestigt sich immer mehr der falsche Eindruck, die Empfänger*innen von staatlicher Hilfe seien Nicht-Weiße, während der Immobilienmarkt diesbezüglich neutral bleibe.

Welche Richtung wird die US-Wohnungspolitik 2021 einschlagen?

Wohnungspolitik auf Bundesebene wurde letztes Jahr zu einem zentralen Thema im Vorwahlkampf der Demokratischen Partei. Aktivist*innen aus antirassistischen und für wirtschaftliche Gerechtigkeit eintretenden Bewegungen drängten die Präsidentschaftskandidat*innen dazu, Lösungen für die Wohnungskrise in den USA vorzuschlagen. Obwohl Wahlkampfaussagen lediglich eine grobe Einschätzung zulassen, welche Politik nach den Wahlen tatsächlich verfolgt wird, lassen die damals vorgetragenen Pläne von Biden und Harris auf ihre generelle Prioritätensetzung schließen. Beide versprachen, Milliarden von US-Dollar für Wohnungsprogramme bereitzustellen. So etwas hatte es seit den späten 1960er Jahren nicht mehr gegeben. Dies verweist an sich schon auf eine ideologische Neuausrichtung der Demokratischen Partei und geht über das von vorherigen US-Administrationen gesetzte Maß hinaus. Die Pläne beider stützen sich jedoch auf bestehende Programme für bezahlbaren Wohnraum, ohne deren Mängel zu beheben, und setzen sich nicht mit den strukturellen Problemen des US-Wohnungsmarkts auseinander. Im Folgenden skizziere ich einige der wichtigsten Programmpunkte der beiden Kampagnen und gebe Beispiele für Verbesserungsvorschläge, die während des Wahlkampfs oder bei anderen Gelegenheiten gemacht wurden.

Schaffung von bezahlbarem Wohnraum

Ein zentraler Aspekt von Bidens Plan ist die Erweiterung bestehender Programme zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum. Darin eingeschlossen sind zusätzliche 10 Milliarden US-Dollar pro Jahr für bestehende Programme auf „block-grant“-Basis sowie für Mittel, die für Obdachlosenhilfe zur Verfügung gestellt werden. 2 Milliarden US-Dollar davon soll der National Housing Trust Fund erhalten. Das wäre eine achtfache Aufstockung der Mittel für das erste neue Bundeswohnungsprogramm seit über 40 Jahren, das sich explizit an Mieter*innen mit Niedrigeinkommen richtet. Es handelt sich zwar um eine ehrgeizige Aufstockung der Bundesmittel für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, verblasst jedoch im Vergleich zu anderen Mitteln, etwa den im New Deal und der Great Society bereitgestellten Geldern, aber auch gegenwärtigen Vorschlägen wie zum Beispiel dem von Bernie Sanders, dem National Housing Trust Fund jährlich 148 Milliarden US-Dollar zur Verfügung zu stellen.

Außer Betracht lässt Bidens Plan den Zerfall und den Mangel an Sozialwohnungen. Dieses „Public Housing“-Bundesprogramm bietet einkommensschwachen Mieter*innen den günstigsten Wohnraum und umfasst etwa 1,2 Millionen Wohnungen. Es gibt mehrere Vorschläge, die sich mit den Finanzierungslücken von Sozialwohnungen befassen. Der Public Housing Emergency Response Act der Abgeordneten Nydia Velázquez sieht beispielsweise 70 Milliarden US-Dollar für Instandsetzungsmaßnahmen vor. Der Green New Deal for Public Housing Act der Abgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez fordert bis zu 172 Milliarden US-Dollar für grüne Sanierung über einen Zeitraum von zehn Jahren.

Sozialwohnungen sind zwar nur ein Teil der komplexen Wohnungspolitik auf Bundesebene. Aber dass das „Public Housing“ systematisch zugrunde gerichtet worden ist, verweist darauf, dass US-Administrationen auf marktorientierte Lösungen setzen. Darin haben die Interessen von Investor*innen und Vermieter*innen Vorrang vor den sozialen Funktionen von Wohnraum. Diese Präferenz für den Markt prägt weiterhin die Struktur der Bundeswohnungsprogramme und führt häufig zur Privatisierung von öffentlichen Leistungen auf Kosten von Menschen mit geringem Einkommen. Ein Beispiel aus jüngster Vergangenheit sind die Bundesprogramme, die der Wall Street Anreize boten, in zur Zwangsversteigerung stehende Häuser zu investieren. Dadurch entstand in der Hypothekenkrise 2008 ein Mietmarkt für Einfamilienhäuser, der von Aktiengesellschaften dominiert wird. Sie sind jetzt die neuen Vermieter.

In den letzten Jahren haben sowohl Aktivist*innen als auch Amtsträger*innen Vorschläge unterbreitet, die nicht nur erheblich mehr Bundesmittel für Wohnungsangelegenheiten fordern, sondern auch ganz bewusst eine Neuausrichtung hin auf die sozialen Funktionen von Wohnraum verlangen. Zum Beispiel mahnte People´s Action in der Home Guarantee-Kampagne den Bau von 12 Millionen Wohneinheiten außerhalb des spekulativen Wohnungsmarktes an. Darauf zielt auch der Homes for All Act der Abgeordneten Ilhan Omar ab. Das Gesetz würde diesen  Wohnungsbau genehmigen und zugleich öffentlichen Wohnungsbau zum Pflichtprogramm im Bundeshaushalts machen, was spätere Mittelstreichungen erschweren würde. Parallel dazu fordert die politische Plattform des Movement for Black Lives Unterstützung für Institutionen, die den Lebensstandard in Schwarzen Communitys erhöhen, etwa für Wohngenossenschaften und Stiftungen in der Form von Community Land Trusts. Der vom Urban Democracy Lab ausgearbeitete Vorschlag einer Social Housing Development Authority (SHDA) will eine Behörde einrichten, die schlecht erhaltene Wohnungen aufkauft und saniert. Diese Vorschläge könnten einen maßgeblichen Beitrag zu einer neuen Bundeswohnpolitik leisten.

Mietbeihilfe

Neben höheren Bundeszuschüssen für bezahlbares Wohnen haben Biden und Harris eine Ausweitung der Mietbeihilfe gefordert. Biden hat vorgeschlagen, das Housing-Choice-Voucher- Programm zu erweitern. Dieses auch als Section 8 bekannte Programm sieht die Unterstützung von einkommensschwachen Mieter*innen in Form eines Beihilfe-Gutscheins vor, der einen Teil der Miete für Privatwohnungen deckt. Zurzeit erhält nur eine von vier Familien, die aufgrund ihres geringen Einkommens anspruchsberechtigt wären, diese Beihilfe. In Bidens Plan ist eine entsprechende Mittelaufstockung enthalten. Damit könnten alle anspruchsberechtigten Familien die Beihilfe erhalten. Während ihrer Vorwahlkampagne hat auch Harris einen Plan vorgelegt, der eine Mietbeihilfe in Form einer Einkommenssteuergutschrift für Familien mit etwas höherem Einkommen, die dennoch unerschwingliche Mieten zahlen, vorsieht.

Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen kritisieren seit Langem Section 8, da es aus ihrer Sicht Segregation verstärkt, öffentliche Mittel in private Hände überträgt und Mieten in die Höhe treibt. Bidens Plan enthält einige gesetzliche Regelungen, die kritisierte Schwachstellen des Section 8-Programms beheben sollen, darunter ein Gesetz, das es Vermietern verbietet, Beihilfebezieher*innen zu diskriminieren, sowie ein Programm, das räumungsbedrohten Menschen Rechtsbeistand zusichert. Diese Regelungen gehen jedoch nicht weit genug, um faktisch überhöhte Mieten und Fehlverhalten von Vermieter*innen einzudämmen. Wie von Bernie Sanders in seiner Vorwahlkampagne dargelegt, müssten auf Bundesebene ein nationaler Standard zur Mietkontrolle sowie zusätzliche Maßnahmen zum Schutz vor Räumung eingeführt werden, um Vermieter*innen an Mietwucher zu hindern. Darüber hinaus sollte die Zahlung von Mietbeihilfe an die verstärkte Durchsetzung der Bauvorschriften, des Mieterschutzes und der Gesetze gegen Belästigung gebunden sein.

Demonstration von Aktivist*innen und Mieter*innen, die vom New Yorker Gouverneur Cuomo die Aussetzung von Mietzahlungen fordern, da die Arbeitslosigkeit aufgrund der COVID-19-Pandemie anhält. (Foto: Andrew Lichtenstein/Corbis über Getty Images)

Im Grunde ist die Mietbeihilfe in Form von Gutscheinen eine Methode zur Subvention der Gebäudeerhaltungskosten. Im Kontext unseres heutigen Mietmarktes bedeutet dies, dass sie privaten Vermieter*innen helfen, Gewinne zu erzielen und ihr Immobilienportfolio zu erweitern. Wenn sie jedoch mit einem Ausbau des Sozialwohnungssektors verbunden wären, könnten sie einen Beitrag zur Deckung der laufenden Kosten für die Erhaltung der sozialen Funktion von Wohnraum leisten.

Und noch ein letzter Punkt: Ein Programm für Mietbeihilfe kann wenig zur Bewältigung der drohenden katastrophalen Mietschuldenkrise, die durch die Pandemie ausgelöst wurde, beitragen. Wie eine der Gründer*innen der Los Angeles Tenants Union in The Nation schrieb, müsste vor Mietbeihilfe ein Erlass der Mietschulden erfolgen.

Gerechtigkeit für alle ungeachtet ihrer ethnischen Herkunft

Im Wahlkampf gestanden Biden und Harris ein, dass US-Regierungen mit ihrer Wohnungs- und Kreditpolitik für mehr Segregation und Ungleichheit zwischen Menschen unterschiedlicher ethnischer Abstammung verantwortlich seien. Beide versprachen, die von der Trump-Administration geschleiften rechtlichen Antidiskriminierungswerkzeuge wieder einsatzfähig zu machen, einschließlich der sogenannten Affirmatively Furthering Fair Housing Rule. Diese Verordnung von 2015 verpflichtet die Kommunen zu Gegenmaßnahmen gegen Segregation in Wohngebieten. Beide Kampagnen haben auch in Aussicht gestellt, die Macht der US-Administration zu nutzen, um Vergleiche gegen diskriminierende Kreditgeber durchzusetzen. Diese Praxis war von der Trump-Administration gestoppt worden.

Bidens Plan für seine Wohnungspolitik erkennt zwar an, dass rassistische Diskriminierung im Immobilienbereich weit verbreitet ist, nutzt jedoch bei Weitem nicht die volle Macht der US-Regierung, um rassistische Immobilienpraktiken von Kommunen und Kreditinstitutionen zu unterbinden. Zum Beispiel fordert Biden die Abschaffung von Bebauungsplänen und kommunalen Landnutzungsverordnungen, die die Errichtung von Mehrfamilienhäusern verbieten und reichen, weißen Kommunen eine verschärfte Segregation ermöglichen, ohne gegen den Fair Housing Act zu verstoßen. Bidens Plan verpflichtet Staaten, die Bundesmittel für Wohnen und Verkehr erhalten, allenfalls auf Strategien zur Förderung von inklusiven Bebauungsplänen, mehr nicht. Es ist eine schwache Geste ohne Durchsetzungsmechanismen gegen auf Ausschluss gerichtete Bebauungspläne.

Bidens Plan sieht auch einen nationalen Standard für die Immobilienbewertung vor. Dabei wird die übliche Unterbewertung von Immobilien in mehrheitlich von Afroamerikaner*innen bewohnten Stadtteilen mit „impliziten Vorurteilen aufgrund mangelndem Community-Verständnisses“ in Verbindung gebracht. Dies ignoriert die explizite Kodifizierung der „rassistischen Werttheorie“. So nannte der Experte für Wohnungsfragen Charles Abrams das System der Immobilienbewertung im Zuge der Professionalisierung des Immobiliengewerbes in den 1920er Jahren. In den Wahlprogrammen von Biden und Harris nimmt der Erwerb eines Eigenheims einen zentralen Platz ein. Harris fordert ein Hilfsprogramm für Anzahlungen im Umfang von 100 Milliarden US-Dollar zur Unterstützung des Immobilienerwerbs von Menschen, die zur Miete wohnen oder in Vierteln leben, die historisch unter rassistischer Diskriminierung leiden. Erklärtes Ziel von Harris ist es, der Ungleichheit zwischen Menschen unterschiedlicher ethnischer Abstammung in Bezug auf ihr Vermögen entgegenzuwirken. Eine Erhöhung der Bundesmittel zur Hilfe bei Anzahlungen ist als solche keine schlechte Politik. Unwahrscheinlich ist jedoch, dass dies alleine ausreichen wird, um die Ungleichheit zu beseitigen. Das Programm richtet sich auf das, was der Historiker Destin Jenkins „die Ungleichheit im Erwerb von Vermögen“ nennt, und nicht auf „die Ungleichheit [zwischen Menschen unterschiedlicher ethnischer Abstammung] in der Verteidigung von Vermögen: die relative Fähigkeit, [ihr] Vermögen gegen Enteignung, die durch Anwendung von Gewalt oder durch staatlich sanktionierte Konfiszierung oder durch eine Kombination der beiden erfolgt, zu verteidigen.“ Sowohl schwarze Hausbesitzer*innen als auch Mieter*innen sind weiterhin auf den Immobilien- und Kreditmärkten in den USA höheren Risiken ausgesetzt, einschließlich Subprime-Hypotheken, Diskriminierung durch Versicherungen sowie Diebstahl von Eigentumsurkunden während der Gentrifizierung von Stadtteilen. Eine Politik, die darauf abzielt, Vermögen von Schwarzen zu verteidigen, müsste bestehende private Institutionen, die von Segregation auf dem Immobilienmarkt profitieren, regulieren und zur Rechenschaft ziehen.

Was ist möglich?

Die in den Kampagnen von Biden und Harris vorgelegten Vorschläge zu Wohnungsfragen weisen sowohl auf eine neue Prioritätensetzung innerhalb der Demokratischen Partei als auch auf deren Grenzen hin. Darüber hinaus zeigt die lauwarme Reaktion der Parteiführung auf die drohende Zwangsräumungskrise, wie weit die USA von einem ernsten Engagement für Sozialwohnungen und von der Abschaffung von rassistischen Institutionen im Kreditwesen entfernt sind.

Zugleich bedeuten die konservativen Positionen des Führungsteams der Demokratischen Partei an sich nicht notwendigerweise, dass Veränderung nicht möglich ist. Rückblickend auf die Amtszeiten von Lincoln, Roosevelt und Johnson schreibt der Gewerkschafter Bob Master, dass es „eine Kombination aus Krisen und Massenbewegungen war, die diese Präsidenten veränderte und sie dazu brachte, weitreichende politische Schritte zu ergreifen, die zu Beginn ihrer Amtszeit unvorstellbar waren.“ Da die Demokratische Partei sowohl über eine Mehrheit in der Legislative verfügt als auch den Präsidenten stellt, kann sie wirksame Maßnahmen zur Lösung der Wohnungskrise in den USA tatsächlich ergreifen.

Auf kommunaler Ebene zeigen die Ergebnisse der Wahlen 2020, dass beherzte Initiativen in Wohnungsfragen in der Öffentlichkeit Anklang finden. Zum Beispiel stimmten die Wähler*innen in Denver einer Erhöhung der Umsatzsteuer um 0,25% zu, um Hilfsleistungen für Obdachlose zu finanzieren. Die Wähler*innen in Charlotte im Bundesstaat North Carolina stimmten zu, eine Anleihe in Höhe von 50 Millionen US-Dollar zugunsten des Charlotte Housing Trust Fund zu emittieren. Vielerorts in den USA, in Kansas City, Philadelphia, Chicago und Los Angeles mobilisieren Gruppen von lokalen Aktivist*innen erfolgreich Menschen entlang von Wohnungsfragen. Letztendlich wird Bidens Politik zur Bewältigung der Wohnungskrise davon abhängen, ob eine energische Massenbewegung, bei der wirtschaftliche und soziale Gerechtigkeit für alle Menschen ungeachtet ihrer ethnischen Abstammung im Zentrum steht, genügend Druck auf die Demokratische Partei auszuüben kann. Sie müsste ernsthafte Schritte unternehmen und zum Beispiel Mietschulden streichen, Kreditgeber*innen zur Rechenschaft ziehen oder einen Green New Deal for Public Housing verabschieden.

Oksana Mironova ist Autorin und Forscherin. Sie wurde in der ehemaligen Sowjetunion geboren  und wuchs im New Yorker Stadtteil Brooklyn auf. Sie schreibt über Städte, Stadtplanung, Wohnen und öffentlichen Raum. Sie können ihr auf Twitter @OksanaMironov folgen oder weitere Texte von ihr unter oksana.nyc lesen.


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