Januar 15, 2021

Bidenfreude: COVID-19 in den Post-Trump-USA

Rob Wallace

Dieser Beitrag ist Teil unserer Artikelreihe: „Am Rande des Abgrunds: eine progressive Agenda für die Biden-Ära

Jemand nannte die Yale University einmal scherzhaft einen Hedgefonds mit angeschlossenem Campus. Etwas Ähnliches ließe sich auch über das Land sagen, in dem Yale beheimatet ist.

Die Vereinigten Staaten vernachlässigen zunehmend ihre Verantwortung – um es mit dem kürzlich verstorbenen Politikwissenschaftler Leo Panitch zu sagen –, den globalen Kapitalismus im Interesse der weltweiten Bourgeoisie zu steuern und zu regulieren. Jetzt, nachdem sie sogar das öffentliche Gesundheitswesen im eigenen Land aufgegeben haben und auch anderen Aufgaben eines modernen Staates nicht länger nachkommen, wirken die USA immer mehr wie ein Börsenplatz, an dem noch ein Land angehängt ist.

Andererseits besteht seit Langem ein enger Zusammenhang zwischen dem Wunschdenken, es könne unbegrenztes Wirtschaftswachstum geben, und dem dominanten politischen Ethos der USA, das in der expansionistischen Siedlerideologie verankert ist. Nichts ist demzufolge wichtiger als immerwährendes Wachstum. Alles andere – selbst unser gemeinsames Menschsein und das Leben auf der Erde – ist diesem Primat unterzuordnen.

Elektronenmikroskopische Aufnahme eines Isolats aus dem ersten COVID-19-Fall in den USA, dem als 2019-nCoV bekannt gewordenen Coronavirus. März 2020. Mit freundlicher Genehmigung von CDC/Hannah A. Bullock, Azaibi Tamin. (Foto: Smith Collection/Gado/Getty Images)

Aber Ausbruch und Verlauf der COVID-19-Pandemie in den USA waren ein weiteres deutliches Warnzeichen an die Welt, wie es inzwischen um das Land und sein Selbstverständnis bestellt ist: Der Fisch stinkt vom Kopf her. Rom wurde zwar nicht an einem Tag erbaut. Aber der fast ebenso schnelle Absturz der USA – selbst wenn ihr Niedergang als Zentrum des weltweiten Kapitalismus schon vor längerer Zeit begonnen hat (also durch eine longue durée gekennzeichnet ist) – dürfte selbst ihre radikalsten Kritiker*innen verblüffen. Denn sogar die neue Biden-Administration könnte sich als unfähig erweisen, die weitere Verbreitung des Coronavirus und den allgemeinen Verfall des Landes aufzuhalten.

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Während der Pandemie schlug der Zaubertrank namens Wirtschaftswachstum nicht an. In den Ländern, die ihre Märkte und Wirtschaft geöffnet hielten – die USA, Mexiko, Chile, Belgien und andere – waren nicht nur die Morbidität und Mortalität der Bevölkerung höher. Sie mussten zudem auch größere ökonomische Verluste hinnehmen.

Die Privatvermögen hingegen blieben geschützt und wuchsen in Rekordtempo, der Reichtum des Landes konzentrierte sich in immer weniger Händen. Im Laufe der Pandemie, von März bis Dezember, stieg das Gesamtvermögen der 651 Milliardär*innen in den USA um mehr als eine Billion US-Dollar. Das ist fast das Vierfache dessen, was die Regierung im Rahmen des ersten Konjunkturprogramms 159 Millionen US-Amerikaner*innen an staatlicher Unterstützung (267 Milliarden US-Dollar) zukommen ließ.

Natürlich macht so etwas wütend. Gegen Ende des Jahres kursierte in linken Kreisen eine Online-Grafik. Sie zeigt die Korrelation zwischen den täglichen Schlusskursen des Aktienindex S&P 500, der die 500 größten börsennotierten US-Unternehmen umfasst, und den kumulierten COVID-19-Todesfallzahlen in den USA.

Eine solche Darstellung mag man für vulgär und für eine Scheinkorrelation halten, weil damit das Bild vom „Sterben für den Markt“ erzeugt wird. Die kumulativen Fallzahlen werden ja immer ansteigen. Besser ist es daher, sich die S&P-Kurse und die Entwicklung der Krankenhausaufenthalte von COVID-19-Patient*innen an Börsentagen anzuschauen (siehe folgende Grafik für den Zeitraum vom 17. März bis zum 18. Dezember 2020). Die Zahl der hospitalisierten COVID-Fälle, die mit jeder Welle ein sprunghaftes Auf und Ab erlebte, bildet den Pandemieverlauf besser ab als kumulative Fallzahlen.

Tägliche Hospitalisierungsrate von COVID-19-Erkrankten und S&P-500-Schlusskurse, 17. März bis 18. Dezember 2020.

Was hier deutlich wird, ist ein Auseinanderklaffen des Index während der ersten beiden COVID-19-Wellen in den USA, mit unterschiedlich hohen und niedrigen Schlusskursen bei gleichem Hospitalisierungsniveau. Offenbar fielen die Aktienkurse zu Beginn jeder COVID-19-Welle und erholten sich erst wieder beim Abflauen der jeweiligen Welle. Auch Untersuchungen zu einem früheren Zeitpunkt des Virusausbruchs zeigen einen negativen Bias bei der Kursentwicklung: Schlechte Nachrichten zur COVID-19-Lage scheinen den Index stärker zu drücken, als gute Nachrichten ihn wieder steigen lassen.

Also reagiert der Markt doch auf Ereignisse und Meldungen aus der realen Welt, auch wenn die Finanzialisierung – das Investieren in und das Spekulieren mit Schulden und Währungen – zunehmend losgelöst von der Realwirtschaft und damit von der Bevölkerung stattfindet. Aktuell können wir zudem sehen, dass die Finanzialisierung die Realwirtschaft vor sich hertreibt – ungeachtet der perversen Konsequenzen, die damit verbunden sind.

Die Geografin Albina Gibadullina hat vor Kurzem einen Ländervergleich vorgenommen. Dabei untersucht sie die Auswirkungen der Finanzialisierung auf diverse Industriesektoren. In den USA kann man sektorübergreifend von einem Zustand der weitreichenden Entkoppelung sprechen. Hier übersteigen die Summen, mit denen auf die Wirtschaftsverschuldung gewettet wird, inzwischen die Investitionen in die Produktion realer Waren. Allerdings holen solche Katastrophen wie die gegenwärtige unsere High-End-Zocker nicht auf den Boden der Tatsachen zurück, ja nicht einmal in die kapitalistische Wirklichkeit des Gebrauchswerts. Das wäre aber dringend geboten, um in dieser Krise das Gesamtsystem vor seinem Zusammenbruch zu bewahren.

Vielmehr beobachten Soziologen wie John Bellamy Foster und seine Kolleg*innen, wie die Finanzialisierung mit dieser Pandemie und ihren Verwerfungen noch mehr an Fahrt gewinnt. Die Auswirkungen sind nicht nur an der Entwicklung der Aktienportfolios oder im Derivatehandel abzulesen. So entlassen die Krankenhäuser in den USA inmitten einer der schlimmsten Pandemien seit 100 Jahren weiterhin Personal, da ihnen infolge aufgeschobener Operationen und anderer Umsatzeinbußen die Einnahmen weggbrechen.

Worauf unsere Grafik zum S&P-Index hindeutet: Vom Standpunkt des Kapitals aus betrachtet, sieht es im Moment trotz der explodierenden Zahl von Menschen auf Intensivstationen eigentlich ganz rosig aus. Jetzt stehen Impfstoffe zur Verfügung, und die Biden-Administration hat das Ruder übernommen. Das Kapital wird 500.000 Tote überleben – und vermutlich sogar noch weiter florieren. Sein Führungspersonal hat es sich im Großen und Ganzen zu Hause gemütlich gemacht.

Von daher werden wir später rückblickend wohl von einem positiven Bias während der Pandemie sprechen können. Jetzt, wo die Bourgeoisie anscheinend im Trockenen sitzt, lähmen die täglichen Schreckensnachrichten das Börsengeschehen nicht mehr.

Obwohl wir sie zugunsten einer nuancierten Lageeinschätzung vermeiden wollten, sind wir damit wieder bei der „vulgärmarxistischen“ Interpretation. Denn Tatsache ist nun einmal: der große Rest der USA befindet sich in elendem Zustand. Inzwischen leiden drei- bis viermal mehr Menschen als vor dem Ausbruch der Pandemie, als die Zahlen bereits unerträglich waren, an Hunger. Millionen haben Arbeitslosenunterstützung beantragt, die aber zum Leben nicht ausreicht. Ladendiebstähle von Grundnahrungsmitteln und Windeln haben ein Rekordniveau erreicht. Zehntausende von COVID-Todesfällen in den USA, also mehr, als viele andere Länder zusammengerechnet beklagen mussten, sind allein auf Zwangsräumungen zurückzuführen.

Der Gesamttrend, der sich bereits in der obigen Grafik für März bis Dezember zeigt und ausschließlich nach oben verläuft, überlagert deutlich die Dynamik des Aktienmarktes mit seinen sporadischen Ausreißern. Das Massensterben – infolge von COVID-19 und anderer Ursachen – ist eine erschütternde Lehre für uns US-Amerikaner*innen, zumindest für diejenigen, die in der Lage und willens sind, sich dieser zu stellen.

Die Schachzüge der extremen Mitte

Es kann nämlich schnell passieren, dass die wichtigste Lehre dabei übersehen bleibt. Der Taumel einer politischen Klasse, die mit sich selbst uneins ist, zwingt das Land dazu, sich ungewollt auf die eine oder andere Seite zu schlagen.

Man darf sich dabei von dem Trumpschen Putschversuch vom Januar und dem darauffolgenden zweiten Amtsenthebungsverfahren nicht irreführen lassen. Zweifelsohne sind dies keine unwichtigen Ereignisse. Und die faschistische Gefahr zu bekämpfen, hat immer im Vordergrund zu stehen. Der Aufruhr selbst zeugt von den Schwierigkeiten, die die Bourgeoisie gerade damit hat, ein Imperium zu managen, das sich im Niedergang befindet, im Inneren zerfällt und in der Welt massiv an Bedeutung einbüßt.

Aber wir müssen im Hinterkopf behalten, dass Politiker*innen beider großer Parteien – sowohl Demokraten als auch Republikaner – das vergangene Jahr vor allem geeint mit der Rettung von Milliardären zugebracht haben, die in nur wenigen Monaten noch reicher als je zuvor geworden sind. Gleichzeitig stritten sie sich darüber, wie die Zahlungen an die Ärmsten der US-Amerikaner, die diese tödliche Pandemie nur überleben wollen, möglichst gering zu halten wären.

Der Kongress beschloss zu Beginn des Jahres 2020 lächerliche 1.200 US-Dollar an staatlicher Unterstützung für bedürftige Amerikaner*innen. Danach passierte über Monate so gut wie gar nichts, bis man sich gegen Ende des Jahres auf einen weiteren Zuschuss von 600 US-Dollar pro Person einigte. Ein Vorstoß, die zweite Auszahlung auf 2.000 US-Dollar zu erhöhen, stieß auf Ablehnung. Als Begründung wurde fiskalische Disziplin angeführt. Die ganze Debatte endete mit der Zustimmung zu einem Militäretat, der höher ist als die zehn nächstgrößten Militärhaushalte der Welt zusammengerechnet. Bidens letzter Vorschlag, weitere 1.400 US-Dollar an Unterstützung pro Person nachzuschieben, reicht bei Weitem nicht an das heran, was kleinere Länder ihren Bürger*innen bereits seit Beginn der Pandemie monatlich zahlen.

Die Botschaft könnte deutlicher nicht sein. In diesem System erhält die Bevölkerung für ihre Reproduktion nur Geld, solange sie der Kapitalakkumulation dient. Nicht einmal eine Pandemie hat es geschafft, die Auferlegung sozialer Positionen zu durchbrechen, die weitgehend an die Produktivität von Unternehmen gekoppelt ist. Die Menschen sind zum Sterben verdammt, wenn ihr Leben ebenjenen Ausbeutungsmechanismen entgeht, die die Pandemie erst hervorgebracht haben.

Kurzum: Das gegenwärtige US-System ist ein Todeskult. Und es wird nicht nur von den Trumpisten verwaltet, die bis in den Spätsommer hinein der Herdenimmunität das Wort geredet haben, sondern auch von einer neuen Regierung, die die Menschen mithilfe von Impfstoffen, die die Virusübertragung vermutlich nicht stoppen können, wieder zurück an ihren Arbeitsplatz schicken will.

Eine Ampulle des COVID-19-Impfstoffs von Pfizer-BioNTech, präsentiert am 12. Januar 2021 in der University of Las Vegas, Nevada. (Foto: Ethan Miller/Getty Images)

Es ist ironisch: ein System, das jahrzehntelang das Gesundheitswesen als öffentliches Gut vernachlässigt hat und deshalb auch nicht in der Lage war, mit nicht-pharmazeutischen Mitteln auf den COVID-Ausbruch zu reagieren, ist nun wohl auch unfähig, die Verteilung eines pharmazeutischen Stoffes vernünftig zu organisieren, auf dessen Herstellung es doch so stolz ist.

Die politischen Eliten haben mit ihrer Weigerung, der Bevölkerung in dieser schweren Zeit finanziell unter die Arme zu greifen und ihre Gesundheit zu schützen, womöglich auf Dauer das Vertrauen der Öffentlichkeit verspielt. Und all die Kontakte und Netzwerke, die man gebraucht hätte, um die Menschen um der öffentlichen Gesundheit willen zu einer Schicksalsgemeinschaft zusammenzuschweißen, sind längst zerstört worden. Wichtiger war der S&P-Aktienindex, den auch die Biden-Administration für unbedingt schützenswert hält.

Bereits Monate vor seiner Amtseinführung stand Biden mit seinem Plan zur Bekämpfung von COVID-19 fast genauso für die geistige Erschöpfung dieser Epoche wie Trump. Während Trump das Es des Systems repräsentiert, trat Biden zwischenzeitlich als dessen wissenschaftsverherrlichendes Über-Ich auf. Jetzt, nachdem er gewählt wurde, tappt er wieder in die Falle des strukturell aufgezwungenen Ichs.

Der kapitalistische Realismus, der auf dem drohenden Klimakollaps und entmenschlichten Arbeitsmärkten beruht, ist heutzutage genauso wahnhaft wie der von ihm belächelte Glaube, die Erde sei eine Scheibe, und wie der ihm nahestehende Ökomodernismus, demzufolge der Klimawandel mit technologischen Mitteln wieder umzukehren sei.

Wenn die extreme Mitte einbricht, dann deshalb, weil sie mit ihrer ideologischen Ausrichtung, die jede Alternative zum gegenwärtigen Schmierentheater blockiert, den ökologischen Zusammenbruch unserer Zivilisation vorantreibt. Auf der anderen Seite ist ihre mangelnde Vorstellungskraft eine Voraussetzung für den Aufstieg kompetenterer Faschisten.

Die Zentristen setzten sich mit ihrem „Build back better“, so ihr Wahlkampfslogan, auf ganzer Linie für das Wohlergehen der weißen Milliardäre ein. Selbst in der COVID-Pandemie geht die Profitschöpfung der Reichen einher mit der Verelendung eines Großteils der Welt, sowohl im globalen Norden wie auch im globalen Süden. So versuchte etwa der ehemalige Präsident Barack Obama, im Wahlkampf 2020 jeden Hauch von einem sozialistischen oder emanzipatorischen Ansatz zu unterdrücken. Er stellte sich gegen die Bernie-Sanders-Kampagne, gegen die Black-Lives-Matter-Bewegung, gegen den wilden Streik in der Basketball-Profiliga und gegen die „Squad“ der demokratischen Abgeordneten im Kongress, die sich als sozialistisch verstehen.

Obamas höflich vorgebrachte Ablehnung kam mit der gleichen fadenscheinigen Begründung daher wie Bidens Entscheidung, den Agrarlobbyisten Tom Vilsack als Landwirtschaftsminister wieder in die Regierung zu holen. Inzwischen haben wir es mit ganzen Landstrichen zu tun, in denen die Leute aufgrund der Verwerfungen der neoliberalen Agrarpolitik so wütend sind, dass sie mit dem Faschismus liebäugeln. So sieht vorausschauendes Denken bei den Herrschenden aus: Lasst uns einfach zu den Zuständen zurückzukehren, die Trump in diesem Land erst großgemacht haben.

Bidenfreude – Erleichterung angesichts der Niederlage von Trump, aber kaum echte Freude – weist kein Entkommen aus der existenziellen Falle, die die Männer aus einem Ort namens Hope (hier und hier) dem US-amerikanischen Wahlvolk alle vier Jahre stellen.

Der einzige Ausweg besteht darin, der Welt des neoliberalen Denkens den Rücken zu kehren. Seit Tausenden Jahren gibt es alternative Paradigmen – etwa Indigene, Kleinbäuerinnen und -bauern, die Arbeiterklasse –, die in fundamentalem Gegensatz zur einer schlingernden, mit dem Feuer spielenden politischen Klasse stehen. Es ist an der Zeit, diese Alternativen zu analysieren und mit ihnen neu zu experimentieren, und zwar unabhängig davon, wie sehr die Yale-Hotshots und andere Schlaumeier uns deswegen beschimpfen.

Pragmatische Interventionen bedürfen eines radikalen Utopismus

Die neoliberalen Denkfiguren und Handlungsoptionen hinter uns zu lassen und in eine bessere sozialökologische Welt aufzubrechen, in der Menschen und Orte nicht länger nach ihrer Produktivität beurteilt und behandelt werden – das ist der einzig sinnvolle Weg nach vorne aus dieser Pandemie.

Wie ich anderswo ausführlicher erörtert habe, ergeben sich die praktischen Schritte daraus dann fast wie von selbst:

  • Auf den Knockout setzen. Orientieren wir uns dabei an Maßnahmen in anderen, weniger reichen Ländern, denen es gelungen ist, die Infektionszahlen auch ohne Impfstoff innerhalb von ein paar Monaten auf Null zu bringen.
  • Wir müssen eine Gesundheitsversorgung für die gesamte Bevölkerung garantieren, die sich am wahren Ausmaß der Pandemie ausrichtet (und nicht an unseren frommen Wünschen). Wir müssen überall die Kapazitäten hochfahren: in den Krankenhäusern, beim Testen, bei der Kontaktverfolgung, bei der Verteilung von Schutzausrüstung und beim Impfen. All dies müsste für die Bevölkerung kostenlos sein, damit wir endlich dem tatsächlichen Infektionsgeschehen gerecht werden. Wir dürfen uns nicht länger mit dem zufrieden geben, was der kapitalistische Staat meint, sich leisten zu wollen. Nur das wäre – im Gegensatz zu Trump und auch zu dem, was Biden nun vorhat – wissenschaftlichen Modellen folgend eine wirkungsvolle Intervention.
  • Den Kapitalismus aussetzen. Quarantänemaßnahmen funktionieren nicht, wenn es sich nur die Reichen leisten können, zu Hause zu bleiben. Wir sollten alle Menschen finanziell unterstützen, die keine lebensnotwendigen Arbeiten verrichten, damit möglichst viele von ihnen zu Hause bleiben können. Dazu gehört, Miet-, Hypotheken- und Schulden(rück)zahlungen während der Pandemie auszusetzen. Die Essensversorgung könnte durch kommunal organisierte Restaurants und Imbisswagen sichergestellt werden. Millionen neu eingestellte kommunale Gesundheitshelfer*innen würden sich um Kranke und Bedürftige kümmern. Menschen in systemrelevanten Berufen sollten Gefahrenzulagen erhalten und ausreichend mit Tests, Schutzkleidung und Impfstoffen versorgt werden, damit es keine Verteilungskämpfe, wie wir sie hier und hier gesehen haben, um diese Ressourcen geben muss.
  • Feiern wir das Ende der Pandemie. Wir sollten am Ende dieser Pandemie den Menschen ein paar Wochen bezahlten Urlaub gönnen, damit sie den Sieg der Gesellschaft über diese existenzielle Bedrohung feiern können. Wir sollten das Ende dieser Plage als besonderen Moment begehen, an dem wir an die unheilvolle Rolle des Kapitalismus bei der Entstehung dieser Pandemie erinnern und geloben, seinen Todesmarsch durch unser Leben nicht weiter zuzulassen. Vielleicht entdecken wir, dass uns die neue Option lieber ist, wenn wir einen Blick auf den hinterlassenen Trümmerhaufen werfen.
  • Sorgen wir für ein neues Verhältnis von Landwirtschaft und Natur. Um COVID-21, COVID-22 oder COVID-23, einem weiteren SARS-Virus, einer weiteren Vogelgrippe, Ebola, Afrikanischem Schweinefieber oder Hunderten potenzieller Protopandemien zuvorzukommen, müssen wir der Agrarindustrie, der Holzgewinnung und dem Bergbau, wie wir sie bis dato betreiben, ein Ende setzen. Wir müssen zurückkehren zu einer mosaikartig angelegten Landwirtschaft mit komplexen und biologisch vielfältigen Ökosystemen, damit die Entstehung und Verbreitung der tödlichsten Krankheitserreger unterbunden werden kann.
  • Rückkehr zur Souveränität ländlicher Regionen. Eine Voraussetzung dafür wäre, dass ländliche Gemeinden die Kontrolle über ihre Angelegenheiten zurückgewinnen. Wir benötigen eine staatliche Planung, bei der die Autonomie der Bäuerinnen und Bauern, die sozioökonomische Widerstandsfähigkeit der Gemeinden, Kreislaufwirtschaft, integrierte kooperative Versorgungsnetzwerke, Lebensmittelgerechtigkeit, Land Trusts und Wiedergutmachung im Mittelpunkt stehen. Wir müssen die tiefgreifenden historischen Traumata heilen, die Landnahme und Umweltzerstörung ausgelöst haben, insbesondere unter indigenen Gemeinschaften, Frauen und armen Bevölkerungsgruppen.
  • Rückkehr zur Souveränität ländlicher Regionen. Eine Voraussetzung dafür wäre, dass ländliche Gemeinden die Kontrolle über ihre Angelegenheiten zurückgewinnen. Wir benötigen eine staatliche Planung, bei der die Autonomie der Bäuerinnen und Bauern, die sozioökonomische Widerstandsfähigkeit der Gemeinden, Kreislaufwirtschaft, integrierte kooperative Versorgungsnetzwerke, Lebensmittelgerechtigkeit, Land Trusts und Wiedergutmachung im Mittelpunkt stehen. Wir müssen die tiefgreifenden historischen Traumata heilen, die Landnahme und Umweltzerstörung ausgelöst haben, insbesondere unter indigenen Gemeinschaften, Frauen und armen Bevölkerungsgruppen.

Rückkehr zur Souveränität ländlicher Regionen Das wären sieben Aspekte, die wir zunächst angehen könnten. Darüber hinaus bleibt sehr viel mehr zu tun. Aber hier zeigt sich bereits, welche Ideen alle möglich wären, wenn uns die Obamas, Trumps und Bidens dieser Welt nicht in die Quere kämen.

Rob Wallace ist Epidemiologe und gehört dem Agroecology and Rural Economics Research Corps an. Er ist Autor von Big Farms Make Big Flu und des kürzlich erschienenen Bandes Dead Epidemiologists: On the Origins of COVID-19. Er ist beratend für die Food and Agriculture Organization und die Centers for Disease Control and Prevention tätig.


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