Während Trump die transatlantischen Beziehungen in Schutt und Asche legt, muss die EU liberale Prinzipien verteidigen
Donald Trump hat sich schon immer als Bauherr und Immobilienentwickler stilisiert, der auf dem gesamten Globus Bürogebäude, Ferienanlagen und gepflegte Golfanlagen errichtet. In Wirklichkeit war Trump jedoch nie ein guter Geschäftsmann und hat im Laufe seiner Karriere bereits sechsmal Insolvenz angemeldet und eine ganze Reihe von Unternehmen – von Trump Airlines bis Trump University – in den Sand gesetzt.
Trumps einzigartiges Talent liegt nicht im Aufbau, sondern in der Zerstörung. In seiner zweiten Amtszeit, in der er nicht mehr von einem Team von «Erwachsenen» gebändigt wird, greift er zum Vorschlaghammer und zerschlägt alles, was in Sichtweite ist. Damit verwirklicht er ein Motto des Silicon Valley, dem sich sein Vertrauter Elon Musk verschrieben hat: «move fast and break things» (Beweg dich schnell und mach Dinge kaputt). Dabei handelt es sich jedoch nicht um die «schöpferische Zerstörung» eines sich im Wachstum befindlichen Kapitalismus. Im Gegenteil: Trump betreibt unkreative Zerstörung, indem er Dinge kaputtmacht und sie in diesem Zustand belässt – so wie derzeit die US-Regierung.
Das Gleiche droht er nun mit der regelbasierten internationalen Ordnung zu tun, allen voran mit dem transatlantischen Bündnis, das die Vereinigten Staaten seit mehr als 75 Jahren mit Europa unterhalten. Wenn es nach Trump geht, dann wird die NATO zerfallen, die Ukraine und weitere ehemalige Sowjetstaaten werden wieder zu Moskaus Satelliten, und die Europäische Union wird auseinanderbrechen, nicht zuletzt aufgrund von Trumps Unterstützung rechtsextremer Verbündeter wie der AfD in Deutschland, Fidesz in Ungarn und dem Rassemblement National in Frankreich. Die Zeit der geopolitischen Samthandschuhe ist vorbei.
Trumps Vision
Während Trumps erster Amtszeit wurden seine Bemühungen in dieser Richtung von einer Gruppe traditioneller Konservativer behindert, die eine Haltung aus der Zeit des Kalten Krieges vertraten und Schlüsselpositionen in Außenministerium und Pentagon innehatten. Heute hat Trump Loyalist*innen um sich geschart, die wie er auf Zerstörung aus sind. Das Trump-Team hat nicht nur damit begonnen, die von den USA angeführten Bemühungen zur Isolierung Russlands nach der illegalen Eroberung ukrainischen Territoriums rückgängig zu machen – es hat auch alle Bündnisse der USA in Frage gestellt, die auf liberalen Prinzipien und der Achtung der Grundprinzipien des Völkerrechts beruhen.
Man denke nur an die Rede, die Vizepräsident J.D. Vance Mitte Februar auf der Münchner Sicherheitskonferenz hielt. Darin erklärte er: «Die Bedrohung, die mir in Bezug auf Europa am meisten Sorgen bereitet, ist nicht Russland, China oder irgendein anderer externer Akteur. Was mich beunruhigt, ist die Bedrohung, die von innen kommt – der Rückzug Europas von einigen seiner grundlegendsten Werte, Werte, die es mit den Vereinigten Staaten von Amerika teilt.»
Vance bezog sich damit natürlich auf die Werte, für die die Trump-Regierung eintritt. Er kritisierte Punkte wie die Annullierung der Präsidentschaftswahl in Rumänien infolge der offenkundigen Einmischung Russlands, die Weigerung der politischen Mitte Europas, mit rechtsextremen Parteien zusammenzuarbeiten, die Kriminalisierung von Hassreden durch europäische Gerichte und das Engagement europäischer Regierungen für das Selbstbestimmungsrecht von Frauen.
Auf einer Konferenz über den Krieg in der Ukraine verlor Vance kaum ein Wort über das Land, und doch bildete der Krieg den Hintergrund seiner Ausführungen. Denn seine Rede stand im Zeichen der Einführung der neuen Russlandpolitik Trumps. Dieser hatte kurz zuvor, am 12. Februar, ein persönliches Gespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin geführt und dabei hochrangige Gespräche zwischen den Außenministern Marco Rubio und Sergei Lawrow vereinbart, die am 18. Februar in Saudi-Arabien stattfanden. In der Zwischenzeit übermittelte Vance am 14. Februar Europa seine giftigen Valentinsgrüße.
Die Gespräche zwischen Moskau und Washington sollten ohne Beteiligung ukrainischer Vertreter*innen und über die Köpfe der europäischen Regierungen hinweg erfolgen. Und so fiel es Vance zu, den Europäer*innen in München zu erklären, warum sie nicht einbezogen wurden: Europa bewege sich nicht mehr im selben moralischen Universum wie die USA.
Indem er die Mitglieder der Europäischen Kommission in seiner Rede als «Kommissare»[*] bezeichnete, ordnete Vance die Europäische Union praktisch als «extrem links» ein – obwohl ihre Führung tatsächlich mitte-rechts ausgerichtet ist. Die Trump-Regierung sieht in der EU vieles von dem, was sie am meisten verachtet: «Diversity, Equality, Inclusion» (Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion), den Schutz der Grundrechte von Frauen und der LGBT-Gemeinschaft sowie eine föderale Institution, die Politik auf der Grundlage eines demokratischen Konsenses umsetzt. Trump hingegen steht für die «Souveränität» lokaler Regierungen, der Konzerne, religiöser Institutionen und rassistischer und sexistischer Gruppen.
Es überrascht nicht, dass diese Werte mit denen des Putin-Regimes in Russland übereinstimmen. Die russische Regierung hat die Bürgerrechte verschiedener Gruppen eingeschränkt, der Gesellschaft eine «familienfreundliche» und LGBT-feindliche Politik aufgezwungen, Hassreden und genozidale Rhetorik (gegen die Ukraine) gefördert, sich mit rechtsextremen Parteien in Europa zusammengeschlossen und die «Souveränität» der pro-russischen Kleinstaaten in Georgien, Moldawien und der Ostukraine unterstützt.
Worum es im Krieg wirklich geht
Bei dem Krieg in der Ukraine handelt es sich nicht nur um einen Territorialkonflikt. Schon lange begehrt Russland die Krim, und Putins Konzept der «russischen Welt» umfasst auch Gebiete im «nahen Ausland», wie die Ostukraine, wo eine große Anzahl russischsprachiger Menschen lebt. Die Ukraine hingegen strebt nachvollziehbarerweise die Wiederherstellung ihrer Grenzen an, wie sie vor der russischen Aggression 2014 bestanden.
Der eigentliche Konflikt ist jedoch geopolitischer Natur. Ursprung für den Konflikt mit Russland in den Jahren 2013 bis 2014 war der Wunsch der Ukraine, sich sowohl wirtschaftlich als auch politisch Europa anzunähern. Die EU steht für all das, was Putin verabscheut: ein politisch liberaler und kulturell fortschrittlicher Raum, der wie ein Magnet auf alle postsowjetischen Länder wirkt. Wie die revolutionären Ideen Frankreichs im 18. und 19. Jahrhundert, die die etablierten imperialen Mächte herausforderten, haben sich die europäischen Werte der Demokratie und Inklusion – wenn auch von der EU nur unzureichend umgesetzt – weit im postsowjetischen Raum ausgebreitet und stehen in direktem Gegensatz zur imperialistischen Ideologie Russlands. Als es in Russland zu Massenprotesten kam – bevor Putin sie faktisch verbot –, dienten europäische Ideen auch russischen Aktivist*innen als Inspiration und stellten damit Putins Herrschaft direkt in Frage.
Die Aussicht auf einen EU-Beitritt der Ukraine ist für Putin weitaus bedrohlicher als die NATO, die immerhin als nützlicher Bösewicht dient, um die russischen Bürger*innen zu verängstigen. Deshalb hat der russische Präsident so eifrig daran gearbeitet, europaskeptische Stimmen zu fördern und sich die Spaltung der EU durch ideologische Verbündete wie den Ungarn Viktor Orbán und den Slowaken Robert Fico zunutze zu machen. Und nun hat Putin endlich einen amerikanischen Partner, mit dem er sowohl die EU als auch die Ukraine in die Zange nehmen kann.
Verhandlungsführer Trump
In seiner ersten Amtszeit war Trump so sehr darauf erpicht, den Rückzug der USA aus Afghanistan auszuhandeln, dass er ein schlechtes Abkommen mit den Taliban unterzeichnete, das zum Zusammenbruch der Regierung in Kabul und dem überstürzten Abzug der US-Truppen führte. Nun setzt Trump diesen Kurs fort. Zunächst versuchte er, mit einem Abkommen, das der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zunächst nicht unterzeichnen wollte, der Ukraine so viele Bodenschätze wie möglich abzutrotzen. In seinem Eifer, den Krieg in der Ukraine «zu beenden», übernahm Trump Putins Geschichtsbild, dem zufolge «die Ukraine den Krieg begonnen hat», und erklärte Selenskyj zum «Diktator».
Bei seinem Treffen mit Lawrow machte Rubio Zusagen, wonach eine wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den USA und Russland erörtert werden soll. Dies kommt zu einer Zeit, in der Trump Verbündeten wie Kanada und der EU mit Zöllen droht. Wirtschaftlich bewegen sich die USA und Russland aufeinander zu. Russlands Wirtschaft fußt auf fossilen Brennstoffen, konzentriert sich auf die Rüstungsindustrie und ist stark zentralisiert in den Händen von Oligarch*innen – Eigenschaften, die Trump bewundert und in seinem Land reproduzieren möchte.
Hinzu kommt, dass Russland die Ukraine wie ein Kolonialgebiet behandelt, ähnlich wie es Trump für Panama (wegen des Kanals), Grönland (zwecks der Ausbeutung seiner Bodenschätze) und sogar Kanada (Einverleibung als einundfünfzigster US-Bundesstaat) vorsieht. Russland verkörpert gewissermaßen das Prinzip «Beweg dich schnell und mach Dinge kaputt» und stellt eine unkontrollierbare Kraft dar, die gegen die Ukraine und Europa eingesetzt werden kann, so wie Trump Musk auf die US-Regierung losgelassen hat. Trump glaubt nicht an eine Politik der Angleichung der Lebensverhältnisse – ein Prozess, den die EU zumindest theoretisch befürwortet –, sondern an den Wettbewerb. Und am Ende dieses Wettbewerbs liegt ein Trümmerhaufen, in den Trump das «Gemeinwesen» – die res publica und die gesamte republikanische Ordnung – verwandelt hat.
Was Europa tun sollte
Europa hat die Wahl. Es kann Trump (erneut) aussitzen und darauf warten, dass die Außenpolitik der Vereinigten Staaten nach den Wahlen 2028 zu einem mehr oder minder liberalen Internationalismus zurückkehrt. Es gibt allerdings keine Garantie dafür, dass die US-Außenpolitik 2028 zum Status quo ante zurückfindet. Der liberale Internationalismus hat in den USA und im Ausland mehrere schwere Imageeinbußen erlitten, von denen sich einige als fatal erweisen könnten. Selbst wenn die Demokraten 2028 die Wahlen gewinnen sollten, wird es in einem radikal polarisierten politischen Umfeld sehr viel schwieriger sein, öffentliche Unterstützung für ein starkes Engagement in den Vereinten Nationen und ihren Institutionen, den Wiederaufbau von USAID, die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Verbündeten oder internationale Maßnahmen für Klimagerechtigkeit zu gewinnen.
Tatsächlich wird die US-Politik 2028 einen kritischen Punkt erreichen, an dem das schlimmste Szenario die Abschaffung der Demokratie wäre (wenn Trump die Verfassung außer Kraft setzt und/oder das Kriegsrecht ausruft) und das beste Szenario eine von der Opposition gewonnene Wahl, die Trump für illegitim erklären würde, was einen Bürgerkrieg zur Folge hätte.
Europa kann es sich nicht länger leisten, den Schikanen der autoritären USA ausgeliefert zu sein. Natürlich kann Emmanuel Macron versuchen, gegenüber Trump den guten Bullen zu spielen, aber Europa muss hinter den Kulissen einen Plan B entwickeln. Es sollte seine eigenen unabhängigen Verteidigungsfähigkeiten schaffen und sich nicht länger darauf verlassen, dass die USA ihre Verantwortung im Bündnisfall gemäß Artikel 5 des NATO-Vertrags wahrnehmen. Europa sollte die USA als mächtigen, aber prinzipienlosen Hegemon betrachten, mit dem man sich nur von Fall zu Fall verständigen kann.
Gleichzeitig kann sich Europa als Reaktion keinen Rückzug in einen revanchistischen Nationalismus leisten. Europa muss sich zu seinen antifaschistischen Überzeugungen bekennen und die Lehren aus der wirtschaftlichen Dominanz des Neoliberalismus und der zunehmenden Konzentration von Reichtum ziehen, die den Aufstieg der extremen Rechten begünstigt.
Da sich die USA mit dem Trumpismus in eine xenophobe und illiberale Richtung bewegen, gilt es für Europa, die Verluste zu begrenzen und die Ausbreitung des Trumpismus auf dem eigenen Kontinent zu verhindern. In den USA wird die Opposition versuchen, die Zwischenwahlen 2026 und die nächste Präsidentschaftswahl 2028 zu gewinnen – ohne einen Bürgerkrieg auszulösen. Vor diesem Hintergrund darf Europa der Trump-Regierung keine Legitimität verleihen, indem es diese als etwas anderes als einen Schurkenstaat behandelt.
[*] Im Englischen werden die Mitglieder der Europäischen Kommission als «EU commissioners» bezeichnet, nicht zu verwechseln mit «commissars», eine Anspielung auf die Politkommissare der Sowjetunion und des Ostblocks. (Anm. d. Ü.)
John Feffer leitet Foreign Policy in Focus am Institute for Policy Studies (IPS) in Washington, D.C.
Übersetzung von Camilla Elle und Claire Schmartz für Gegensatz Translation Collective.
Foto: Ludovic Marin/Pool via AP