Der aktuelle Streit in der Republikanischen Partei zeigt wieder einmal: Trump wird trotz aller migrationsfeindlichen Rhetorik alles tun, um US-amerikanischen Unternehmen eine stetige Zufuhr von billigen Arbeitskräften zu sichern. Ich schreibe «wieder einmal», weil wir das, was heute passiert, bereits aus dem Jahr 2017 kennen. Damals traf Trump sich mit Landwirtschaftsvertretern und Großfarmern und versprach ihnen, die Durchsetzung strengerer Einwanderungsbestimmungen werde für sie keine personellen Engpässe hervorrufen. Und er hat geliefert: Zum einen kam es zu einer Ausweitung des H-2A-Visa-Programms für Erntehelfer*innen, zum anderen verzichtete die damalige Bundesregierung auf massenhafte Verhaftungen und Ausweisungen von undokumentierten Migrant*innen, die dringend auf den Feldern gebraucht wurden.
Vor zwei Monaten meldete sich in Texas die Baubranche in den Medien zu Wort, nicht im Sinne von mehr Grenzschutz, sondern um Trump daran zu erinnern, dass ein verschärfter Grenzschutz nicht zulasten des Arbeitskraftangebots gehen dürfe. Nun hat sich auch noch die Tech-Industrie über eine Fachkräftelücke beschwert. Tesla-Eigentümer und Milliardär Elon Musk zufolge fehlt es überall in den USA an geeigneten Arbeitskräften. Tech-Titanen, darunter Sundar Pichai von Google, Mark Zuckerberg von Facebook und Jeff Bezos von Amazon, statteten deswegen Trump während und nach dessen Wahlkampf mehrere Besuche ab. Bei den Treffen auf Trumps Anwesen Mar-a-Lago forderten auch sie den ungehinderten Zugang zu migrantischen Arbeitskräften. Kurz vor Ende des alten Jahres reagierte Trump darauf: «Für mich arbeiten sehr viele Leute, die mit einem H-1B-Visa in die USA gekommen sind. Ich bin ein großer Anhänger von H-1B. Ich habe es häufig genutzt. Es ist ein tolles Programm.» Trump greift darüber hinaus besonders gern auf ein anderes Bundesprogramm namens H2-B zurück, um Gärtner*innen und anderes Dienstpersonal aus dem Ausland für seine zahlreichen Hotels und Golfplätze zu rekrutieren.
Ob nun Tech-Titanen oder Agrarkonzerne: Sie alle wünschen sich ausreichend Arbeitskräfte, die sie zu Löhnen ihrer Wahl beschäftigen und notfalls auch wieder schnell loswerden können. Die Landwirtschaft und das Baugewerbe sind zwei der vielen Niedriglohnsektoren in den USA, in denen selten mehr als der gesetzlich festgelegte Mindestlohn gezahlt wird. Die in den USA existierenden Vertrags- oder Gastarbeiterprogramme sind alle so strukturiert, dass sie Arbeitskräfte zu diesen Konditionen bereitstellen. Auch die Technologieunternehmen sind erpicht darauf, weiterhin das H-1B-Visaprogramm nutzen zu können. Das ermöglicht es ihnen, viele ihrer im Bereich Software Beschäftigten auch in Zukunft unterdurchschnittlich zu entlohnen. Sie alle erwarten von Trump, dass er ihren Forderungen nachkommt. Und sie haben für seinen Wahlkampf tief in die Tasche gegriffen, um sicherzugehen, dass er es auch tatsächlich tut.
Für Arbeitsmigrant*innen, deren Familien und alle, die sich für deren Rechte einsetzen, stellt Trumps Wiederwahl einen Moment großer Bedrohung dar. Bestimmte Gruppen wie die über eine Million Erntehelfer*innen ohne Papiere werden sicherlich die Hauptlast der von Trump angekündigten Verschärfungen des Einwanderungs- und Aufenthaltsrechts zu tragen haben. Der anhaltende Bedarf der Unternehmen an billigen migrantischen Arbeitskräften allein wird sie am Ende nicht wirksam schützen. Denn die wenigsten Arbeitgeber verhalten sich loyal gegenüber ihrer Belegschaft. Wenn sie die Möglichkeit haben, Arbeiter*innen durch andere, noch schlechter bezahlte zu ersetzen, werden sie diese ergreifen. In manchen Fällen, in denen Unternehmen stärker auf ausländische Beschäftigte angewiesen sind, mögen diese, selbst wenn sie über keinen legalen Aufenthaltstitel verfügen, bessere Voraussetzungen haben, um sich gegen Razzien, Entlassungen und andere Formen der Repression zu wehren. Noch wahrscheinlicher ist dies, wenn sich Gewerkschaften und andere Arbeiter*innen entscheiden, den bedrohten Vertragsarbeiter*innen beizustehen. Wenn alle zusammenhalten und gegen den Missbrauch der Visa-Programme vonseiten der Unternehmen vorgehen, würde das die Rechte und die Schlagkraft der gesamten Arbeiterschaft in den USA stärken.

Der Nutzen von organisiertem Widerstand gegen Razzien und Entlassungen ist vielfältig und kommt nicht nur den unmittelbar Betroffenen zugute. Wie wir aus der Geschichte wissen, sind Organisationen und Bündnisse, die eingewanderte Arbeiter*innen sowie deren Familien und Communities unterstützen, seit jeher die Säulen von Bewegungen für einen tiefgreifenderen gesellschaftlichen Wandel. Sie haben in ihren Kämpfen für Migrantenrechte und gegen Abschiebungen große Beharrlichkeit und strategischen Weitblick bewiesen. Mehr noch, in diesen Kämpfen scheint eine Vision von einer besseren, gerechteren und solidarischeren Zukunft auf, in der die Arbeiter*innen nicht ständig um grundlegende Rechte streiten müssen, und von einem Weg, wie wir dorthin gelangen können. Diese Vision und Bereitschaft, sich für einen grundlegenden Wandel einzusetzen, ist vermutlich für die Fähigkeit, die drohenden Repressionen abzuwehren, genauso wichtig wie der Druck, der von Protestaktionen auf der Straße ausgeht.
Lohndumping und Verdrängungswettbewerb
Das Migrationsregime ist nicht isoliert zu betrachten, es ist vielmehr Teil eines größeren Systems, das sich nach den kapitalistischen Wirtschaftsinteressen richtet, indem es den Arbeitgebern zu den von ihnen gewünschten Bedingungen ausreichend Arbeitskräfte zur Verfügung stellt. Immer mehr Branchen sind auf migrantische Arbeiter*innen angewiesen. Über 50 Prozent aller Arbeitskräfte in der Landwirtschaft der USA haben keine Aufenthaltserlaubnis. Aber auch andere Wirtschaftszweige sind immer stärker von eingewanderten Arbeitskräften abhängig. Die Liste reicht von der Fleischverarbeitung, Teilen des Baugewerbes, der Gebäudereinigung über das Gesundheitswesen, den Einzelhandel bis hin zur Gastronomie und zum Hotelgewerbe.
Trump kann nicht einfach von heute auf morgen dieses Arbeitskraftreservoir auflösen. Das stärkt potenziell die Verhandlungsmacht dieser Beschäftigten. Und auch die Arbeitgeber wissen das. Kurz nach seinem ersten Amtsantritt im Jahr 2017 sprachen Führungskräfte aus der Agrarindustrie bei ihm vor, um sicherzustellen, dass die von ihm angekündigten Grenzschließungen und Razzien ihren Zugang zu Arbeitskräften nicht gefährden würden. Im vergangenen Monat ermahnten texanische Bauunternehmer Trump, es mit den Massenabschiebungen nicht zu übertreiben und Rücksicht auf ihre Geschäfts- und Gewinninteressen zu nehmen. Bereits 2006, als im Senat eine Abstimmung über die sogenannte Sensenbrenner Bill anstand, einem Gesetzesentwurf «zur Eindämmung der illegalen Migration», hatten kalifornische Großgrundbesitzer massenhaft Demonstrant*innen mit Bussen nach Washington karren lassen, um dort ihren Protest gegen zu starke staatliche Interventionen in diesem Bereich zum Ausdruck zu bringen.
Aber die Arbeiter*innen, ihre Communities und die Gewerkschaften können sich nicht zurücklehnen und sich darauf verlassen, dass die Arbeitgeber für sie aufstehen und stellvertretend für sie gegen Trump kämpfen werden. Denn ihre Interessen sind nicht identisch. Was die Unternehmen wollen, sind Menschen, die bereit sind, zu möglichst niedrigen Löhnen zu arbeiten. Das bestehende System hat ihnen bislang gute Dienste geleistet. Das Bureau of Labor Statistics schätzt, dass etwa acht der elf bis zwölf Millionen Menschen ohne Papiere in den USA einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Die meisten von ihnen verdienen vermutlich den Mindestlohn oder sogar noch weniger. Mit dem erbärmlich niedrigen bundesweiten Mindestlohn von 7,25 US-Dollar pro Stunde kommt man gerade einmal auf ein Jahreseinkommen von 14.500 US-Dollar. Selbst in den Bundesstaaten mit besseren Mindestlöhnen kommen die Empfänger*innen nur auf ein knapp doppelt so hohes Einkommen. Das durchschnittliche jährliche Haushaltseinkommen von Landarbeiter*innen wird auf unter 25.000 US-Dollar geschätzt. Nach Angaben der Sozialversicherungsbehörde beträgt der durchschnittliche Jahreslohn in den USA dagegen etwa 66.000 US-Dollar.
Diese riesige Differenz ist die Quelle enormer Gewinne. Würde in den Industrien und Branchen, die existenziell auf die Arbeitskraft von Einwanderer*innen angewiesen sind, der nationale Durchschnittslohn gezahlt, dann hätten die Arbeitgeber zusätzliche Lohnkosten in der Höhe von 250 Milliarden US-Dollar. Man könnte auch sagen, das ist der Betrag, den sie ihren Beschäftigten schulden. Die Gewinne, die mit schlecht bezahlter Arbeit zu erzielen sind, sind also gewaltig. Die Aufgabe eines Präsidenten, ob er nun Trump heißt oder anders, ist es, nicht nur die Verfügbarkeit von Arbeitskräften zu gewährleisten, sondern auch dafür zu sorgen, dass deren Kosten für die Arbeitgeber akzeptabel bleiben.
2017 versprach Trump den Vertretern der Agrarindustrie, das Vertragsarbeitersystem auszuweiten, das es Arbeitgebern in den USA ermöglicht, jährlich bis zu einer Million Migrant*innen ohne festen Aufenthaltsstatus einzustellen. Diese werden nur fürs Arbeiten ins Land gelassen und erhalten keine Bleibeperspektive. Zu diesem Vertragsarbeitersystem gehört das berüchtigte H-2A-Programm für landwirtschaftliche Arbeitskräfte, das an das alte Bracero-Programm aus den 1950er Jahren erinnert. Im vergangenen Jahr erteilten die zuständigen Behörden 378.513 H-2A-Visabescheinigungen. Das heißt, ein Sechstel aller Landarbeiter*innen in den USA wird über dieses Programm rekrutiert, das für seine ausbeuterischen Praktiken bekannt ist. Die jüngsten Reformversuche von Bundesarbeitsministerin Julie Su werden hier keine wesentlichen Änderungen bringen. Der Trend geht dahin, auch für andere Wirtschaftssektoren wie die Gastronomie, die Fleischverarbeitung und sogar das Bildungswesen ähnliche Vertragsarbeiterprogramme aufzulegen.
So gibt es mit H-1B-Programm für hochqualifizierte Arbeitskräfte in den USA bereits ein Rekrutierungssystem, das vor allem von der Tech-Industrie genutzt wird. Senator Bernie Sanders sieht dies überaus kritisch: Es diene nicht dazu, «die besten und klügsten Köpfe» einzustellen, sondern vielmehr dazu, gut bezahlte Angestellte durch Vertragsarbeiter*innen mit Knebelverträgen aus dem Ausland zu ersetzen. Je billiger die angeworbenen Arbeitskräfte sind, desto mehr Geld verdienen die Milliardäre.» Jedes Jahr sollen nicht mehr als 66.000 neue H-1B-Arbeitsvisa vergeben werden, doch diese Grenze wird häufig überschritten. Das Visum gilt für drei Jahre und kann verlängert werden. Nach Angaben der Zoll- und Einwanderungsbehörde waren bis 2019 insgesamt 619.327 Arbeitskräfte mit einem H-1B-Visum in den USA beschäftigt. Sanders hat auf den damit verbundenen Verdrängungswettbewerb hingewiesen: Die 30 größten Unternehmen, die dieses Programm nutzen, haben, während sie 34.000 neue Beschäftigte mit einem H-1B-Visum rekrutierten, 85.000 Angestellte mit US-Pass oder einem festen Aufenthalt entlassen.
Dass die Einstellung von so vielen neuen Vertragsarbeiter*innen zulasten der alten Belegschaften geht, die sich in der Landwirtschaft und der Fleischindustrie größtenteils aus bereits schon länger in den USA lebenden Einwanderer*innen zusammensetzen, ist wenig verwunderlich. Für Gewerkschaften und Arbeitnehmervertreter*innen stellt dies ein Dilemma dar. Wie können sie die «einheimischen» Arbeiter*innen und ihre Mitglieder organisieren und deren Rechte und Arbeitsplätze verteidigen und gleichzeitig solidarisch mit denjenigen sein, die sie ersetzen sollen? Die Ausweitung von Programmen wie H-2A und H-1B verschärft diese Spannung noch.
Nun sind Vertragsarbeiter*innen, die mit einem H-2A-Visum ins Land kommen, keine passiven Opfer. Seit jeher kommt es zu Arbeitskämpfen im Agrarsektor trotz des Risikos der Beschäftigten, entlassen zu werden, ihr Visum zu verlieren und auf eine schwarze Liste gesetzt zu werden – etwa wenn Ausbeutung und Arbeitsbedingungen der Erntehelfer*innen sich verschärfen und mal wieder unerträglich werden. Im Bundesstaat Washington etwa unterstützen Organisationen wie Familias Unidas por la Justicia (FUJ) regelmäßig Streiks von Leiharbeiter*innen in der Landwirtschaft. Allerdings werden diese vonseiten ihrer Arbeitgeber oft isoliert, was die Organisierung erschwert. FUJ und andere Gewerkschaften protestieren auch gegen die häufigen Entlassungen und den hohen Verdrängungsdruck, da der Verlust von Arbeitsplätzen für die Betroffenen sowie ihre Familien und Communities massive Folgen hat. Da sie über keinerlei sozialstaatliche Absicherung verfügen, bedeutet er oftmals schlimme materielle Not bis hin zu Hunger und zum Verlust der Unterkunft.
In einigen Orten wächst die Angst der Landarbeiter*innen vor Verdrängung durch noch billigere Arbeitskräfte. Streiks für Lohnerhöhungen sind aufgrund der mit Arbeitskämpfen verbundenen Risiken seltener geworden. Im Ostrom-Pilzzuchtbetrieb im Bundesstaat Washington streiken Mitglieder der United Farm Workers seit zwei Jahren gegen die Ersetzung durch Arbeiter*innen mit einem H-2A-Visum. In den frühen 1960er Jahren führte die zunehmende Bereitschaft der Braceros, ihre Lager zu verlassen und sich den Streiks der lokalen Arbeiterschaft anzuschließen, dazu, dass das Programm unter den Plantagenbesitzern an Beliebtheit verlor. Dies trug schließlich zu seiner Abwicklung bei. Trumps Politik könnte die Beschäftigten und die Arbeiterbewegung vor ähnliche Herausforderungen stellen, sie bietet aber auch Chancen für die gewerkschaftliche Organisierung und kollektive Aktionen.
Kollektiver Widerstand gegen Abschiebungen
Seit Jahrzehnten setzt die Ausländer- und Einwanderungsbehörde in den USA auf eine Kombination aus Kontrollen und Razzien am Arbeitsplatz und in den Stadtteilen, in denen viele Migrant*innen ohne Papiere wohnen. In Chicagos Arbeiterviertel gibt es eine lange Geschichte des Widerstands gegen diese Form der Kontrolle und Verfolgung. Regelmäßig finden hier Massendemonstrationen gegen Razzien statt. Im Jahr 2013, zu Beginn der zweiten Amtszeit von Präsident Obama, blockierten Aktivist*innen, unter anderem von Occupy Chicago, Busse, die Festgenommene zu Schnellgerichtsverfahren bringen sollten, denen in der Regel die Abschiebung folgt. Etliche, darunter Emma Lozano vom Center Without Borders, wurden bei solchen direkten Aktionen verhaftet. Eine ähnliche Taktik kam in Tucson in Arizona zum Einsatz, wo sich junge Menschen an Busse ketteten, in denen zur Ausweisung anstehende Migrant*innen auf dem Weg zu Haftzentren saßen.
2016 heizte Trump die Stimmung gegen Menschen ohne Papiere noch weiter an und verkündete im Wahlkampf, Chicago bei der Strafverfolgung von «illegalen Migranten» besonders ins Visier zu nehmen. Und er ließ seinen Ankündigungen Taten folgen: Die Beamten des U.S. Immigration and Customs Enforcement (ICE) begannen damit, Menschen mitten auf der Straße anzuhalten, klopften an Wohnungstüren und nahmen zahlreiche Verhaftungen vor. Die Phase des harten Durchgreifens hielt bis 2019 an und umfasste Razzien an Straßenecken und anderen Orten in der Nähe von Baumärkten wie Home Depot und an weiteren Treffpunkten für Tagelöhner. Aufgrund ihrer starken öffentlichen Präsenz sind Tagelöhner bereits in der Vergangenheit immer wieder zum Ziel von Spezialeinsätzen des ICE geworden.
Chicago reagierte auf diese durch Trumps Wahlsieg verschärften Schikanen. Im Jahr 2019 marschierten Tausende durch die Innenstadt und skandierten «Immigrants are welcome here!» Die Demonstranten versammelten sich auf der Federal Plaza, nachdem Pläne für weitere ICE-Razzien bekannt geworden waren. Die Gewerkschaften spielten eine wichtige Rolle bei diesen Mobilisierungen. Don Villar, Vorsitzender der Chicago Federation of Labor und ursprünglich von den Philippinen, rief damals den Protestierenden zu: «Ohne die vielen Migranten wäre die Geschichte unserer Stadt, unserer Viertel und Nachbarschaften um vieles ärmer. Das gilt auch für die Geschichte der amerikanischen Arbeiterbewegung. Viele der grundlegenden Rechte, für die Einwanderer heute kämpfen, sind die gleichen Rechte, für die die Arbeiterbewegung jeden Tag für alle Lohnabhängigen streitet.»
Chicago war auch der Schauplatz einiger der wirkungsvollsten direkten Aktionen gegen Abschiebungen. 2012, Präsident Obama bereitete sich gerade auf den Kampf um seine Wiederwahl vor, besetzten junge Migrant*innen ohne Papiere – die als Kinder in die USA gekommen waren – sein Wahlkampfbüro. Diese Besetzung bildete den Höhepunkt einer zweijährigen Organisierungskampagne, zu der auch Demonstrationen und entschlossener Widerstand gegen die Inhaftierung von Aktivist*innen gehörten. Darauf reagierte Obama mit der Verordnung Deferred Action for Childhood Arrivals (DACA), die Menschen ohne Papiere, die als Minderjährige in die USA eingewandert sind, temporären Schutz vor Abschiebung bietet.
Ein Jahrzehnt lang ist es gelungen, DACA gegen einen Ansturm von Klagen zu verteidigen, aber politisch nach rechts gerückte Gerichte und die neue MAGA-Regierung werden zweifelsohne alles in Bewegung setzen, um diese Regelung zu Fall zu bringen. Diejenigen, die einen Antrag auf Schutz nach DACA gestellt haben, mussten dafür persönliche Daten angeben. Nun könnten diese verwendet werden, um ihren Aufenthaltsort ausfindig zu machen und sie festzunehmen – sollte die Verordnung aufgehoben werden. Ähnliches droht denjenigen, die von einem temporären Schutzstatus (Temporary Protected Status/TPS) profitiert haben. Dieses Programm erlaubt Menschen, die vor Umwelt- oder politischen Krisen fliehen müssen, vorübergehend in den USA zu leben und zu arbeiten. Sollte dieses Programm eingestellt werden, verfügen die Behörden bereits über die nötigen Informationen, um sie aufzuspüren und ihre Abschiebung vorzubereiten.
Der wirksamste Widerstand gegen die repressive Einwanderungspolitik in der jüngeren Geschichte der USA fand im Jahr 2006 statt – ausgelöst durch die Verabschiedung von HR 4437 (der sogenannten Sensenbrenner Bill) im Repräsentantenhaus des Kongresses. Am 1. Mai 2006 waren deswegen landesweit Millionen von Menschen auf der Straße. Das Gesetz hätte bei Verabschiedung den irregulären Aufenthalt in den USA zu einem Straftatbestand erklärt und stellte damit eine existenzielle Bedrohung für unzählige Familien dar. Spanischsprachige Radiostationen spielten damals eine wichtige Rolle bei der erfolgreichen landesweiten Mobilisierung gegen die Sensenbrenner Bill, genauso wie Aktivist*innen von Immigrantenrechtsorganisationen und selbstverständlich die Gewerkschaften.
Am 1. Mai 2006 folgten auch in Los Angeles mehr als eine Million Menschen dem Aufruf eines Bündnisses aus Gewerkschaften und migrantischen Bürgerrechtsorganisationen. Hunderttausende waren es in vielen anderen Teilen und Städten der USA. Parallel dazu hatte ein Kampagnenbündnis mit dem Titel «A Day Without Immigrants» alle migrantischen Arbeiter*innen dazu aufgerufen, am 1. Mai [der kein Feiertag in den USA ist] zu Hause zu bleiben, um zu zeigen, wie relevant ihre Arbeit für das Funktionieren der Gesellschaft ist. Als einige, die dem Aufruf gefolgt waren, daraufhin von ihren Arbeitgebern fristlos entlassen wurden, stellten sich die Gewerkschaften an ihre Seite und verteidigten ihr Recht auf Protest.
Die Bewegung erreichte damals ihr unmittelbares Ziel: Im Senat wurde der Gesetzesentwurf HR 4437 abgelehnt. Ebenso wichtig war der Wandel, den in diesem Zusammenhang die gesellschaftliche Wahrnehmung des 1. Mai erfuhr. Der 1. Mai war in den USA während des Kalten Krieges lange Zeit als «kommunistischer Feiertag» verunglimpft worden. Erst 2006 kam es zu seiner Wiederbelebung, und seitdem wird er auch in den USA wie in vielen anderen Ländern als internationaler Tag der Arbeit begangen. Auch wenn die jährlichen 1.-Mai-Aufmärsche heute nicht mehr so groß sind wie 2006, bringen sie weiterhin fortschrittliche Gewerkschafts- und Community-Aktivist*innen zusammen und könnten dabei helfen, gemeinsam gegen die Abschiebungsdrohungen der neuen Trump-Regierung vorzugehen.
Eine vergleichbare Gesetzesinitiative in Kalifornien, Proposition 187, die darauf abzielte, Kindern und Familien ohne Papiere den Zugang zum regionalen Bildungs- und Gesundheitswesen zu verweigern, hatte ähnliche unbeabsichtigte Folgen. Sie veranlasste viele Migrant*innen und deren Kinder, die sich vorher eher nicht für Politik interessiert hatten oder Angst vor den Behörden hatten, sich registrieren zu lassen und zur Wahl zu gehen. Insbesondere in Los Angeles trug dies zu einem politischen Linksruck bei, der sich positiv auf den ganzen Bundesstaat auswirkte. Heute übt die organisierte Arbeiterbewegung in Los Angeles, das einst als «Hauptstadt der gewerkschaftsfreien Betriebe» galt, einen erheblichen politischen Einfluss aus.
Sowohl der 1. Mai als auch «The Day with Immigrants» wurden zum Anlass genommen, um massenhaft gegen Trumps erste Amtseinführung zu protestieren. In San Francisco begingen Mitglieder mehrerer Ortsverbände der Democratic Socialists of America den Maifeiertag nach Trumps Wahl mit einer direkten Aktion. Sie blockierten die Garagen der Ausländer- und Einwanderungsbehörde mit einer Menschenkette. Auf ihren Schildern stand: «Zuflucht für alle» und «Wir beschützen unsere Communities». Aufgrund dieser solidarischen Unterstützung vertieften sich die Verbindungen zwischen den Gewerkschaften und den migrantischen Arbeiter*innen, die von Razzien und Ausweisung bedroht sind. Vier Gewerkschaften erklärten öffentlich: «Wir werden keine Ruhe geben, sondern weiterhin mit unseren Brüdern und Schwestern auf die Straße gehen, um die Rechte aller Vertragsarbeiter*innen gegen die terroristische Praxis der Trump-Regierung zu verteidigen.»

Abwehr von Razzien am Arbeitsplatz
In den Jahrzehnten nach dem Kalten Krieg entwickelten Arbeiter*innen und ihre Gewerkschaften immer ausgefeiltere Taktiken und Strategien gegen die Durchsetzung strikter Einwanderungs- und Aufenthaltsbestimmungen. Von den Fabrikhallen bis zu den Gewerkschaftszentralen: Diese prägen bis heute die Bewegungen zur Verteidigung der Rechte von Migrant*innen. Erinnert sei an einen bereits in den 1980er Jahren stattgefundenen Kampf gegen Razzien in den Kraco-Werken in Los Angeles, wo damals Autoradios hergestellt wurden. Beschäftigte, die der Gewerkschaft United Electrical Workers beigetreten waren, stoppten die Produktion und zwangen den Eigentümer, Beamten der ICE den Zutritt zu den Werkshallen zu verweigern, um sich so gegenseitig vor Festnahmen und Abschiebungen zu schützen. Später arbeitete die Molders Union Local 164 in Oakland mit dem Mexican American Legal Defense and Educational Fund zusammen, um die Einwanderungsbehörde zu verklagen. Es ging um deren Praxis, Fabriktore verschließen zu lassen, um Arbeiter*innen festzuhalten und sie ohne Grund zu verhören. Der Fall gelangte bis vor den Obersten Gerichtshof der USA, der so ein Vorgehen für verfassungswidrig erklärte und bestätigte, dass ICE-Beamte Betriebe nicht ohne Durchsuchungsbefehl oder konkrete Namen von Verdächtigen betreten dürfen.
Bei einer der letzten Razzien unter der Bush-Regierung im Jahr 2008 nahmen ICE-Beamte 481 Beschäftigte von Howard Industries, einem Hersteller von Elektrogeräten in Mississippi, fest und sperrten sie in ein privat betriebenes Haftzentrum in Jena, Louisiana. Sie wurden ohne Anklage festgehalten, hatten keinen Zugang zu Anwälten und konnten keine Kaution hinterlegen. Jim Evans, AFL-CIO-Organizer in Mississippi und einer der Anführer des Black Caucus des Bundesstaates, erklärte damals: «Diese Razzia ist ein Versuch, Einwanderer aus Mississippi zu vertreiben, und ein Schlag gegen alle – seien es Einwanderer, Afroamerikaner, Weiße oder Gewerkschaften –, die einen grundlegenden politischen Wandel wollen.» Evans, andere Angehörige des Black Caucus, viele Gewerkschaften des Bundesstaates und die Migranten-Communities sahen in der demografischen Entwicklung die Grundlage für eine Verschärfung der Politik des Bundesstaates gegenüber ausländischen Arbeitskräften. Sie gründeten deshalb die Mississippi Immigrants Rights Alliance (MIRA), um die Rechte aller Zugewanderten im Bundesstaat zu verteidigen.
In den 2000er Jahren hatten sich die Kämpfe am Arbeitsplatz gegen Razzien und Entlassungen gewandelt und waren zum Teil einer komplexeren antirassistischen und gewerkschaftlichen Bewegung geworden, der es über die Rechte von Arbeiter*innen hinaus um ein Aufbrechen der alten politischen Machtstrukturen geht, insbesondere im Süden der USA. Howard Industries, eine der wenigen gewerkschaftlich organisierten Fabriken des Bundesstaates, zahlte damals zwei US-Dollar pro Stunde weniger als in der Industrie üblich. «Die, die vom Niedriglohnsystem in Mississippi profitieren, wollen, dass es so bleibt, wie es ist», sagte Evans und warf der Einwanderungsbehörde vor, die Razzien dienten hauptsächlich dazu, die Macht der Gewerkschaft zu untergraben. Die MIRA-Aktivist*innen reagierten auf die Razzien mit Organisierung und trafen sich mit den Familien der Festgenommenen vor den Werkstoren. «Beim Schichtwechsel gingen afroamerikanische Arbeiter auf die Latina-Frauen zu und fingen an, sie zu umarmen», erinnerte sich MIRA-Organizerin Victoria Cintra. «Sie sagten Dinge wie: ‹Wir stehen auf eurer Seite. Wir sind froh, dass ihr hier seid.›» Der Aufbau von Solidarität zwischen afroamerikanischen und eingewanderten Arbeiter*innen wurde zu einem Eckpfeiler der MIRA-Strategie.
Ein anderes Beispiel: 2011 entließ Chipotle in Minnesota Hunderte von Beschäftigten, weil sie keinen festen Aufenthaltstitel vorweisen konnten. Sie wurden damit zusammen mit Tausenden anderen zum Opfer einer unter der Obama-Regierung eingeführten Maßnahme zur Durchsetzung der Einwanderungsbestimmungen: Man schrieb den Unternehmen vor, die Ausweispapiere ihrer Beschäftigten zu kontrollieren und den «Illegalen» zu kündigen. Das Kalkül dahinter: Ohne Erwerbsarbeit und damit Geld für Miete und Essen würden diese vermutlich von selbst das Land verlassen. In Minneapolis, Seattle und San Francisco verloren im Zusammenhang mit dieser Verordnung mehr als 1.800 Reinigungskräfte und Hausmeister ihren Job. 2009 wurden in Los Angeles mehr als 2.000 für American Apparel arbeitende junge Näherinnen entlassen. John Morton, damals unter Obama Leiter der nationalen Einwanderungsbehörde, gab damit an, in nur einem Jahr mehr als 2.900 Unternehmen kontrolliert zu haben und damit Zehntausende Entlassungen in Gang gesetzt zu haben.
In Minneapolis unterstützte die Service Employees Union Local 26 zusammen mit dem United Workers Center, einem lokalen Arbeiterzentrum, und dem Minnesota Immigrant Rights Action Committee die Chipotle-Beschäftigten bei der Organisation von Demonstrationen und Protesten gegen ihre Kündigung. Nach Verhaftungen wegen zivilen Ungehorsams in einem Chipotle-Restaurant beschlossen sie, zu einem Boykott der Kette aufzurufen. Durch ihren Druck konnten weitere Entlassungen bei Chipotle verhindert werden.

Vieles spricht dafür, dass die hier beschriebenen Vorgehensweisen auch für die neue Regierung von zentraler Bedeutung sein werden. 2017, zu Beginn von Trumps erster Präsidentschaft, gehörte die Veranlassung von Razzien und Entlassungen von undokumentierten Migrant*innen zu einer seiner ersten Amtshandlungen. Die Gewerkschaft der im Hotelgewerbe Beschäftigten im kalifornischen Oakland hatte damals proaktiv Vertragsklauseln ausgehandelt, die die Arbeitgeber dazu verpflichteten, die Gewerkschaft zu benachrichtigen, wenn ICE-Beamte vorhaben, in Hotels und Betrieben zu kontrollieren. In einem Akt des zivilen Ungehorsams weigerten sich alle Angestellten in einem Hotel – sowohl diejenigen ohne eine Aufenthaltserlaubnis als auch diejenigen mit einem legalen Status – der Aufforderung ihrer Arbeitgeber, Papiere vorzulegen, zu folgen. Sie waren damit erfolgreich. Ihre Gewerkschaft forderte zudem den Stadtrat von Oakland dazu auf, Einwanderer*innen am Arbeitsplatz besser zu schützen. Dieser verabschiedete daraufhin eine Resolution, in der er darauf verwies, dass Oakland seit der Anti-Apartheid-Bewegung Mitte der 1980er Jahre eine Sanctuary City («Stadt der Zuflucht») sei.
Trump hat wie bereits 2016 angekündigt, mehr als 300 solcher Sanctuary Cities in den USA die Bundesmittel zu streichen. Darüber hinaus haben sich viele Städte und sogar einige Bundesstaaten gegen das sogenannte 287(g)-Programm aufgelehnt, das die Polizei dazu verpflichtete, den Einwanderungsstatus von Personen zu kontrollieren und sie gegebenenfalls bei Verstößen gegen das Aufenthaltsrecht in Gewahrsam zu nehmen. Trump hat seinen Anhänger*innen versprochen, diese Verpflichtung wieder einzuführen, und allen Städten und Bundesstaaten, die nicht kooperieren, mit finanziellen Sanktionen gedroht.
In Kalifornien versuchen die Gewerkschaften darüber hinaus, mit legislativen Initiativen gegen migrantenfeindliche Politik vorzugehen. Die im Dienstleistungs- und Reinigungssektor tätige SEIU United Service Workers West mobilisierte für die Verabschiedung des Immigrant Worker Protection Act, eines bundesstaatlichen Gesetzes, das es Arbeitgebern untersagt, den ICE-Beamten Zugang zu den Beschäftigten zu gewähren oder sensible Informationen ohne Gerichtsbeschluss weiterzugeben. Dieses Gesetz ist das Ergebnis jahrelanger Organisierungsarbeit gegen Razzien am Arbeitsplatz. 2011 blockierten Gewerkschaftsmitglieder in Los Angeles zudem Straßenkreuzungen, um gegen Entlassungen bei Able Building Maintenance zu protestieren, es gab auch Aktionen gegen Entlassungen von Mitarbeiter*innen der Cafeterias an der Stanford University und von Reinigungspersonal in den Gebäuden von Apple und Hewlett-Packard im Silicon Valley.
Als Trump 2017 sein Amt antrat, führten Gewerkschaften und andere Initiativen, die Arbeitnehmerinteressen vertreten, spezielle Schulungen durch, um potenziell Betroffene und Kolleg*innen auf Razzien vorzubereiten. Die International Longshore and Warehouse Union (ILWU) etwa lud in Zusammenarbeit mit den Filipino Advocates for Justice zu Treffen ein, auf denen Szenarien durchgespielt wurden, um zu lernen, wie man sich verhalten kann, um Kontrollen und Festnahmen am Arbeitsplatz zu verhindern. Manche der Beteiligten hatten sich bereits früher an ähnlichen Kampagnen beteiligt, unter anderem an Arbeitsniederlegungen in einer großen Recycling-Firma, mit dem Ziel zu verhindern, dass das Unternehmen Mitarbeiter*innen ohne Papiere entlässt.
Zu Beginn der Amtszeit von Präsident Bush führten Beschäftigte des Luxusresort Palm Canyon im reichen Palm Springs, Kalifornien, einen entscheidenden und inspirierenden Arbeitskampf. Als sie begannen, sich in der Gewerkschaft Hotel and Restaurant Employees Local 309 zu organisieren, um bessere Arbeitsbedingungen durchzusetzen – ihr Idamaliger Stundenlohn betrug nur 4,75 US-Dollar –, stellte das Hotel als Grenzschutzbeamte verkleidete Sicherheitskräfte ein, um sie einzuschüchtern. Daraufhin veranstalteten die mehrheitlich migrantischen Niedriglöhner*innen einen Schweigemarsch und weigerten sich, an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren. Nach einem viermonatigen Streik erreichten die Beschäftigten eine Lohnnachzahlung und die Zusage der Hotelleitung, die inzwischen ausgesprochenen Kündigungen zurückzunehmen. Als nur diejenigen mit einem Aufenthaltsstatus wiedereingestellt werden sollten, streikten alle Beschäftigten – mit und ohne Papiere – erneut. Nach einem weiteren Monat Streik lenkte die Hotelführung ein und alle konnten gemeinsam an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Was die Erfahrungen aus Palm Canyon für die heute anstehenden Auseinandersetzungen so wichtig macht, ist nicht nur der beeindruckende Mut der Streikenden, sondern auch die strategischen Überlegungen, die ihren Arbeitskampf geleitet haben. Maßgeblich waren ihre konkreten Lebens- und Leidensbedingungen. Sie waren nicht länger willens und in der Lage, sich den staatlichen Repressionen und dem Druck der Arbeitgeber zu beugen. Da sie wussten, dass sie ihren Kampf nicht allein gewinnen würden, suchten sie nach Unterstützung. Und die Gewerkschaft stand ihnen zur Seite. Aber das Wichtigste für ihren Erfolg war: Sie hielten zusammen und ließen sich nicht spalten.

Im selben Jahr hielt der Gewerkschaftsbund AFL-CIO seine Jahresversammlung in Los Angeles ab, die sich ganz auf die Organisierung von migrantischen Arbeiter*innen konzentrierte. Es ist noch nicht allzu lange her, da hat der AFL-CIO einwandererfeindliche Gesetze und Maßnahmen befürwortet. In diesem Jahr verabschiedete er aber eine Resolution, in denen er eine Amnestie für alle in den USA lebenden Menschen ohne Papiere forderte sowie die Aufhebung eines Gesetzes von 1986, das ihnen die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit untersagt. Bei den anschließenden Gewerkschaftsanhörungen, die im ganzen Land veranstaltet wurden, um Verstöße gegen die Rechte von migrantischen Arbeitnehmer*innen aufzudecken und zu skandalisieren, gehörten die Streikenden von Palm Canyon zu den zahlreich geladenen Zeug*innen. Öffentliche Anhörungen und Enthüllungen sind, wie sich damals gezeigt hat, nach wie vor wichtige Instrumente, um sich gegen Schikanen und Repressionen zur Wehr zu setzen.
Jenseits der Abschiebungsandrohungen
Während der Bürgerrechtsära und des Kalten Krieges wurde der Kampf gegen Massendeportationen und das Bracero-Programm zweigleisig geführt. Vor allem die Anführer*innen der Chicano-Bürgerrechtsbewegung – Bert Corona, Cesar Chavez, Larry Itliong und Dolores Huerta – kämpften für die Abschaffung des Bracero-Programms, eine Forderung, die 1964 erfüllt wurde. Aber die Bewegung tat mehr, als nur Missstände aufzudecken und deren Beseitigung zu verlangen. Sie trat für einen grundlegenden gesellschaftlichen Wandel ein und war bereit, dafür mit allen möglichen Mitteln zu kämpfen. Zum Teil mit einigem Erfolg. 1965 initiierten Larry Itliong und altgediente philippinische Landarbeitergewerkschafter*innen den sogenannten Great Grape Strike, nur ein Jahr nach Beendigung des Bracero-Programms. Im selben Jahr erreichte die Bürgerrechtsbewegung von Chicanos, mexikanischen und asiatischen US-Amerikaner*innen eine grundlegende Änderung des Einwanderungsrechts. Zumindest vorübergehend orientierte sich die Migrationspolitik der USA vorrangig am System der Familienpräferenz, das heißt, dass Familienzusammenführungen für wichtiger erachtet wurden als der Arbeitskräftebedarf der einheimischen Unternehmen.
Im Strom der Menschen, die die Grenze überqueren, «erkennen wir unsere Familien und Kolleg*innen wieder, während die Großfarmer in ihnen nur ihre Verdienstmöglichkeiten sehen», sagt Rene Saucedo, der Landarbeiter*innen und Hausangestellte organisiert. «Wir brauchen positive Ziele. Wir müssen für etwas kämpfen, das wir wirklich brauchen, und nicht nur etwas bekämpfen, was wir nicht wollen.» Mit anderen Worten: Der Kampf gegen Abschiebungen erfordert den Kampf für eine Alternative. In den letzten zwei Jahrzehnten haben sich viele um eine solche Alternative bemüht, darunter etwa die Dignity Campaign oder der American Friends Service Committee’s New Path. Heute konzentriert sich die Bewegung für eine Alternative auf die Registry Bill, eine Gesetzesinitiative, die schätzungsweise acht Millionen Menschen ohne Papiere einen legalen Aufenthaltsstatus verschaffen könnte. Es geht darum, den Stichtag für die Amnestierung von undokumentierten Arbeitsmigrant*innen und ihren Kindern anzupassen und zu aktualisieren. Derzeit können nur Personen, die vor dem 1. Januar 1973 in die USA eingereist sind, einen Antrag auf eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis stellen. Die Zahl der Antragsberechtigten ist dementsprechend klein und schrumpft immer weiter.
Eine weitere und vielleicht noch ehrgeizigere Forderung ist die nach Ausweitung des Wahlrechts. Es ist kein Zufall, dass viele Regierungsbezirke und Bundesstaaten mit einer hohen Konzentration von undokumentierten Arbeitskräften – die ihren Arbeitgebern erhebliche Gewinne einbringen – MAGA-Hochburgen sind. Wenn tatsächlich die gesamte arbeitende Bevölkerung von Phoenix und Tucson wählen könnte, dann wären vermutlich Politiker*innen an der Regierung, die dem sozialen Schutz aller Arbeitnehmer*innen Vorrang einräumen würden. Die Ausweitung des Wahlrechts könnte progressive politische Koalitionen in Mississippi vermutlich derart stärken, dass nicht länger das Dixieland-Establishment das Sagen hat. Anstatt das Wahlrecht als ein eingeschränktes Privileg zu betrachten, wie es uns oft beigebracht wird, sollten wir es als ein Werkzeug der Arbeiterklasse verstehen und das transformative Potenzial der Klasseneinheit über die Grenzen des Einwanderungsstatus hinweg erkennen.
Ebenso muss die US-amerikanische Arbeiterschaft die Ursachen der Migration besser verstehen. Dafür bedarf es mehr politischer Aufklärung und Bildungsarbeit. Denn die internationale Politik der USA – von militärischen Interventionen über Wirtschaftssanktionen bis hin zur Erzwingung von neoliberalen Reformen – macht für immer Menschen Migration schlichtweg zu einer Frage des Überlebens. Wenn Mexikaner*innen dafür kämpfen, in ihrer Heimat bleiben zu können und nicht in den Norden ziehen zu müssen, und deswegen eine Regierung wählen, die verspricht, ihnen dies zu ermöglichen, dann verdienen und brauchen sie die Unterstützung der Arbeiterklasse nördlich der Grenze. Es gibt eine lange Geschichte der grenzüberschreitenden Solidarität, die jedoch in den Mainstream-Medien meist verschwiegen wird. Ohne verstärkte Aufklärungsbemühungen von unabhängiger Seite werden die MAGA-Narrative in der Arbeiterschaft weiterhin auf offene Ohren stoßen, während Organisierungsbemühungen der Massen zur Durchsetzung gemeinsamer Interessen geschwächt bleiben.
Angesichts von 281 Millionen Menschen, die außerhalb ihrer Herkunftsländer leben (müssen), haben die Vereinten Nationen eine Konvention zur Stärkung der Rechte von Wanderarbeiter*innen und ihrer Familien verabschiedet. Diese Konvention unterstützt das Recht auf Familienzusammenführung, orientiert sich am Grundsatz der «Gleichbehandlung» und «Gleichstellung» mit Einheimischen in den Bereichen Beschäftigung und Bildung, schützt Migrant*innen vor Abschiebungswellen und macht sowohl die Herkunfts- als auch die Zielländer für die Wahrung dieser Rechte verantwortlich. Allerdings haben nur 49 Staaten, aus denen viele Menschen ins Ausland gehen, um dort zu arbeiten, wie Mexiko und die Philippinen, das Abkommen unterzeichnet. Keine US-Regierung, ob demokratisch oder republikanisch, hat es jemals dem Kongress zur Ratifizierung vorgelegt.

Aus der Geschichte lernen
Die Geschichte der Arbeiterbewegung in den USA ist voller Beispiele des erfolgreichen Widerstands gegen Massenabschiebungen, Razzien und andere Formen der Diskriminierung und Repression gegenüber Arbeitsmigrant*innen. Immer wieder haben diese mit ihren kollektiven Aktionen und ihrem Mut die US-amerikanische Gesellschaft umgestaltet und vorangebracht. Sie haben zum Aufbau und zur Stärkung von Gewerkschaften beigetragen, in denen die Interessen der Arbeiter*innen aus allen Branchen vertreten sind: von den in den Kupferminen Beschäftigten bis hin zum Reinigungspersonal in den Hochhaustürmen der Großstädte. Sie waren es, die die politische Landschaft in manchen Städten wie Los Angeles eindeutig nach links verschoben haben. Diese Tradition des Arbeiterwiderstands ist das eigentliche Ziel der Angriffe auf das Aufenthaltsrecht von Migrant*innen – sowohl derjenigen in der Vergangenheit als auch der von der neuen Regierung angedrohten.
Die Bewegungen und Gruppierungen, von denen hier die Rede war, waren mit ähnlichen Gefahren und Herausforderungen konfrontiert wie wir heute. Ihre Erfahrungen im Umgang mit Razzien etc. bieten deshalb wertvolle Erkenntnisse für die Gegenwart. Sie haben in ihren Kämpfen nicht nur eine enorme Ausdauer bewiesen, sondern haben darüber hinaus Visionen für eine bessere Zukunft entworfen, für eine gleichere, gerechtere und solidarischere Gesellschaft. Zudem haben sie Wege aufgezeigt, wie ein solches Ziel zu erreichen ist. Mit der zunehmenden Unterdrückung von Einwanderung und der Verfolgung von Eingewanderten werden die dem kapitalistischen Ausbeutungssystem zugrunde liegende Strukturen immer sichtbarer und die Notwendigkeit grundlegender Veränderungen immer deutlicher. Organisationen und Bündnisse, die sich zur Verteidigung von Immigrantenrechten zusammenschlossen, waren oft die Grundpfeiler breiterer sozialer Bewegungen für einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel.
Die reiche Geschichte des kollektiven Widerstands gegen die Unterdrückung von Migrant*innen in den USA zeugt von couragierten Kämpfen und ausgeprägtem strategischen Denken – wichtige Ressourcen, die Arbeitsmigrant*innen und ihren Communities heute dabei helfen können, sich gegen die sich abzeichnenden Angriffe der MAGA-Politik zu wappnen. Als Donald Trump in seinem Wahlkampf erneut die Abschiebung von Millionen Menschen ohne Papiere ankündigte und damit sowohl Angst als auch Empörung auslöste, zogen viele Vergleiche mit den Massendeportationen in den Jahren 1932/33. Damals, auf dem Höhepunkt der Großen Depression, wurden Millionen von Arbeiterhaushalten in den USA von Hunger geplagt. Hilfsorganisationen verweigerten mexikanischen und mexikanisch-amerikanischen Familien die Unterstützung mit Lebensmitteln und drängten die Regierung dazu, sie abzuschieben – mit der falschen Begründung, dass ihre Ausweisung dem Land Geld sparen und Arbeitsplätze für US-Bürger*innen schaffen würde. Diese Art von Lügen kam im letzten Jahrhundert immer wieder zum Einsatz, zuletzt im Wahlkampf von Trump.
Hunger war und ist in der Tat eine mächtige Waffe, mit der man Menschen zur Flucht und Ausreise zwingen kann. Tausende wurden damals bei Razzien auf der Straße aufgegriffen, während viele andere in Angst und Schrecken das Land verließen. Ob freiwillig oder nicht: Die Menschen wurden in Güterwaggons verladen und an der Grenze ausgesetzt. In den 1930er Jahre nannte man dies euphemistisch «Repatriierung». Die heutigen Beamten der Einwanderungsbehörde nennen es «Selbstdeportation». Das Grundkonzept bleibt das Gleiche. Trump und J. D. Vance sind nur die jüngsten Verfechter einer solchen unmenschlichen Politik.
Damals waren es radikale Organisationen wie der Congreso de Pueblos de Habla Española und neue Gewerkschaften, die sich in blutigen Minenstreiks und bei Arbeitskämpfen auf den Feldern und Plantagen herausgebildet hatten, die den Widerstand dagegen anführten. Der größte Landarbeiterstreik in der Geschichte der USA, der Streik der Baumwollpflücker, brach 1933 in den Barrios des kalifornischen San Joaquin Valley während des Höhepunkts der Deportationen aus. Auch die Anführer dieses Streiks sollten abgeschoben werden, was aber der Druck von kommunistischen und sozialistischen Organisationen, darunter das Committee for the Protection of the Foreign Born, verhindern konnte. Selbst die mexikanische Regierung, die ihre Revolution gerade ein Jahrzehnt hinter sich hatte, protestierte gegen diese Maßnahmen und versuchte, den von Ausweisung Betroffenen zu helfen.
Kenntnisse über die Geschichte des Widerstands dagegen sind genauso wichtig wie solche über die Geschichte der Deportationen selbst. Viele der aus dem Widerstand gegen Razzien und Abschiebungen hervorgegangenen Organisationen und die größere Arbeiterbewegung, der sie angehörten, überdauerten die verschiedenen Angriffe auf die migrantischen Arbeitskräfte und ihre Communities. Etliche landeten während des Kalten Krieges auf der Liste subversiver Organisationen des Generalbundesstaatsanwalts, wiederum andere entstanden in der Zeit der Bürgerrechtsbewegungen. Die Bewegungen für Migrantenrechte, die in den letzten Jahrzehnten in den USA an Schwung gewonnen haben, übernahmen ihr Erbe und können stolz darauf sein. Denn es bietet ein reichhaltiges Reservoir an Erfahrungen aus konkreten Kämpfen und mit Strategien, die migrantische Arbeiter*innen, ihren Familien und Communities sowie ihre Verbündeten nutzen können, um gegen Massenentlassungen und -abschiebungen und den ganzen MAGA-Unsinn vorzugehen.
David Bacon ist ein US-amerikanischer Fotojournalist, Autor, politischer Aktivist und Gewerkschaftsorganisator, der sich auf Arbeitsfragen konzentriert, insbesondere auf Fragen im Zusammenhang mit der Arbeit von Einwanderern.
Photos by David Bacon