Mai 20, 2014

In Wessen Namen ? Eine kritische Analyse der „Responsibility to Protect“

Lou Pingeot, Wolfgang Obenland

Nach dem Ende des Kalten Krieges hofften viele Beobachter der internationalen Politik auf eine “Friedensdividende” und prophezeiten eine neue Ära der globalen Kooperation für die Verteidigung der Menschenrechte. Die Wirklichkeit sah indes weit weniger rosig aus; die Konflikte der 1990er Jahre – in Ruanda, Somalia, Bosnien und anderswo – offenbarten, dass es in Bezug auf die Frage legitimer internationaler Konfliktbewältigung keinen Konsens gab.

Das dadurch offensichtlich gewordene Versagen, humanitäte Desaster zu verhindern bzw. angemessen auf sie zu reagieren, veranlasste einige Regierungen – allen voran Kanada – und Nichtregierungsorganisationen dazu, eine neue Doktrin zu entwickeln: die Verantwortung zum Schutz (“Responsibility to Protect”, kurz: R2P). Diese damals rasch Furore machende Doktrin legt fest, unter welchen Bedingungen die internationale Staatengemeinschaft in souveränen Staatsgebieten mit zivilen und militärischen Mitteln intervenieren darf, um das Leben der Bürgerinnen und Bürger zu schützen.

In diesem Bericht analysieren Lou Pingeot und Wolfgang Obenland die R2P-Doktrin, ihre Herkunft und ihre Befürworter. Anhand verschiedener Beispielfälle – von Ruanda bis Libyen – diskutieren sie außerdem Vor- und Nachteile der Anwendung der Doktrin.

R2P scheint auf den ersten Blick viele Vorteile zu haben. Das Konzept fordert, dass Staaten ihre Verantwortung gegenüber ihren Bevölkerungen erfüllen, beharrt auf der Pflicht der internationalen Gemeinschaft, Staaten bei dieser Aufgabe zu unterstützen, und versucht eine Grundlage für konsistente internationale Reaktionen auf Krisen zu legen.

Letzlich aber ist R2P ein gescheitertes Konzept, da es auf einem begrenzten Verständnis von Konflikt beruht und riskiert, die Nutzung von Zwangsmaßnahmen zu rechtfertigen, ohne klare Bedingungen für solche Fälle festzulegen. Anstatt zur Konfliktprävention und zum Wiederaufbau diente R2P von Beginn an in allererster Linie zur Rechtfertigung militärischer Interventionen.

Pingeot und Obenland schließen ihren Bericht mit der Darstellung möglicher Alternativen. Denn die Frage, wie die internationale Gemeinschaft Menschenrechtsverletzungen verhindern und betroffenen Bevölkerungsgruppen sinnvoll helfen kann, ist brandaktuell.


Verbunden