Januar 12, 2016

Platform Cooperativism

Trebor Scholz

Wie wir uns die „Sharing Economy“ zurückholen können

Die „Sharing Economy“ war so nicht gedacht. Mithilfe von Kleinstcomputern, die wir tagtäglich mit uns herumtragen, sollten wir uns von der Last des Besitzes befreien und in unserer Freizeit Geld verdienen, indem wir nicht-gebrauchte Besitztümer vermieten. Die Vision war idealistisch – oder erschien zumindest so. Noch vor dem Kindergartenalter lernt jedes Kind den Wert des Teilens und so erschienen die Wohltäter des Silicon Valley und brachten innovative Werkzeuge zur Stärkung von Gemeinschaften, zur Ablösung überholter Geschäftsideen und sogar zur Reduktion des CO2-Ausstoßes.
Die Realität sieht am Ende anders aus. Gewiss, Uber und dergleichen bieten beachtlichen Komfort und fast magische Nutzererlebnisse, doch ihre Innovationen fußen ebenso sehr auf der Umgehung von Arbeitsvorschriften wie auf der Entwicklung neuer Technologien. Hinter den Apps sitzen ganze Armeen befristet beschäftigter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die weder die Sicherheit gewöhnlicher Arbeitsverhältnisse genießen, noch den Schutz einer Gewerkschaft. Das „Teilen“ steht in dieser „neuen Wirtschaft“ nicht im Fokus. Vielmehr, so zeigt die vorliegende Studie von Trebor Schulz, handelt es sich um eine Auf-Knopfdruck-Dienstleistungswirtschaft, die die Ökonomisierung weiterer Lebensbereiche vorantreibt.
Angesichts dieser neuen Akteure, die – zwischengeschaltet – Gewinne bei bisher unentgeltlichen Leistungen abschöpfen, neue Formen der Ausbeutung hervorbringen und überall unsichere Arbeits- und Lebensverhältnisse verbreiten, stellt sich die Frage: Was können wir tun? Trebor Scholz erklärt, dass es neben Widerstand auch eine positive Alternative. Diese Alternative nennt er „Platform Cooperativism, “ ein Konzept für neue Eigentumsmodelle für das Internet. Platform Cooperativism basiert auf der Überzeugung, dass die vielfältigen Probleme der Sharing Economy – das heißt ihrer profit-orientierten Logik – nur angegangen werden können, indem Besitzverhältnisse verändert, demokratische Kontrolle etabliert und Solidarität neu belebt werden. Diese Vision treibt bereits ihre Knospen aus: Scholz beschreibt schon real existierende und noch denkbare Varianten kooperativer Plattformen, erläutert die Grundprinzipien für deren gerechte Organisierung und schlägt nächste Schritte vor.
Trebor Scholz hat über zehn Jahre in Genossenschaften gearbeitet. Der Autor von „The Internet as Playground and Factory“ („Das Internet als Spielplatz und Fabrik“, 2013) und „Uberworked and Underpaid: How Workers Are Disrupting the Digital Economy“ („Uberarbeitet und unterbezahlt: Wie Arbeitnehmer die digitale Wirtschaft stören“, 2016 – im Erscheinen) ist Professor an der New School Universität, wo er zum Themenkomplex Internet und Gesellschaft lehrt. Zusammen mit Nathan Schneider arbeitet Scholz an einer Kampagne, die die Grundlage der Sharing Economy – das System der Wertabschöpfung – infrage stellt. Im November 2015 fand an der New School die Konferenz „Platform Cooperativism: The Internet, Ownership, Democracy“ statt, die mehr als eintausend Menschen zusammenbrachte, um den Grundstein für eine neue Online Economy zu legen. Die Ergebnisse dieser Konferenz werden in der vorliegenden Studie aufgearbeitet.
Die Verwirklichung der Vision Platform Cooperativism ist möglich und notwendig; doch keineswegs zwangsläufig. Scheinbar bieten die Inhaber bisheriger Online-Plattformen uns alles – außer Eigentum. Es ist jetzt an uns, stattdessen eine demokratische und solidarische Online Economy zu schaffen.


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