März 11, 2020

Der „Super Tuesday“ der Demokraten: Vorher, währenddessen und danach

Ethan Young

Was noch mit 24 Kanditat*innen begonnen hatte, war bis Super Tuesday auf eine Handvoll an Bewerber*innen zusammengeschrumpft. Nun läuft der Vorwahlkampf der Demokraten auf ein Rennen zwischen Biden, dem Wunschkandidaten der gemäßigten Führungsriege der Partei, und Sanders, einem aufrührerischen Linken hinaus. Nachdem Biden die Vorwahlen in Michigan gewonnen hatte, sah sich die Parteiführung mit einer neuen Herausforderung konfrontiert: Es stellte sich die Frage, ob man Bedingungen für eine Zusammenarbeit aushandeln oder den linken Flügel vom Parteitag der Demokraten und vom Wahlkampf isolieren sollte.

Die meisten der nun ausgeschiedenen Kandidat*innen hatten versucht, den in der Partei etablierten Kandidaten Biden aus dem Rennen zu drängen. Einige, die sich die Unterstützung der eigenen Partei sowie von Unternehmen gesichert hatten und die sich, wie Biden, in der politischen Mitte positionierten, kamen diesem Ziel auch relativ nahe. Sie stellten Biden als Aushängeschild der Partei in den Schatten, doch schafften sie es nicht, auch die Wähler*innen, finanziellen Unterstützer und die Parteispitze von sich zu überzeugen.

Rassismus spielte hierbei, wie überall, eine Rolle. Fünf nicht-weiße Kandidat*innen hatten einen Platz in einer Runde gefunden, die nach wie vor überwiegend ein Klub der weißen Männer ist – von Barack Obama einmal abgesehen. Senatorin Kamala Harris aus dem Bundesstaat Kalifornien wurde ursprünglich als aufsteigender Stern gefeiert. Harris, die sich in ihrer ersten Amtszeit als Senatorin befindet und die zweite schwarze Senatorin in der Geschichte des Landes ist, war aus afro-amerikanischen politischen Kreisen in der Region um San Francisco gekommen. Senator Cory Booker aus New Jersey hatte zunächst als Bürgermeister von Newark, New Jersey, die Aufmerksamkeit auf sich gezogen und war landesweit unter schwarzen Mandatsträger*innen bekannt. Julian Castro, ein Latino und der ehemalige Bürgermeister der Stadt San Antonio sowie ehemaliger Minister für Wohnen und Stadtentwicklung unter Präsident Obama, bemühte sich um einen betont aufrührerischen Wahlkampf. Die Kongressabgeordnete Tulsi Gabbard aus Hawaii trat mit einer ganzen Mischung populärer Themen an, während Andrew Yang, ein amerikanischer Geschäftsmann asiatischer Abstammung, mit seiner Forderung nach einem bedingungsloses Grundeinkommen Bekanntheit erlangte. Obwohl all diese Kandidat*innen in den frühen Debatten einen starken Eindruck hinterlassen hatten, kamen sie im März schon nicht mehr ernsthaft in Frage oder waren bereits ganz aus dem Rennen.

Dies lässt uns nun mit einer rein weißen Riege an Kandidat*innen zurück, die mehrheitlich nach rechts tendieren. Die einzige andere nicht-gemäßigte linke Kandidatin war die Senatorin Elizabeth Warren, die Neoliberalismus ablehnt und sich zwar nicht als Sozialistin bezeichnet, aber dennoch Sanders Plan für einen „Green New Deal“ (ein Programm, das grüne Arbeitsplätze schaffen soll und Reformen wie die Einführung einer allgemeinen staatlichen Gesundheitsversorgung – Medicare for All – beinhaltet) unterstützte. Die beiden anderen ernsthaften Anwärter*innen waren beide Zentristen, die kurze Momente der Selbstdarstellung genießen durften: der ehemalige Bürgermeister von South Bend in Indiana, Pete Buttigieg trat als aufgeweckter, junger Mann aus dem Mittleren Westen auf, ein Schoßhündchen mit Doktortitel; und Amy Klobuchar, Sentorin aus Minnesota, verkörperte das Ideal einer zähen Managerin mittleren Alters, die der Mittelklasse entsprungen war. Buttigieg fand sich unter den ersten beiden Gewinnern in Iowa und New Hampshire während Klobuchar in New Hampshire als dritte das Rennen machte – beide lagen also vor Biden.

Dennoch verließen beide das Rennen noch vor Super Tuesday, womit der Weg für Biden frei wurde, neun Staaten für sich zu gewinnen. Normalerweise verlassen Kandidat*innen das Rennen bereits nach den ersten schlechten Ergebnissen in den Vorwahlen oder wenn ihnen das Geld ausgegangen ist. Hier aber entschieden sich zwei herausragende Mitstreiter*innen, nur knapp vor einer entscheidenden Abstimmung auszusteigen. Für Biden war das mehr als nur eine willkommene Verschnaufpause. Man kann hier vielmehr von einer koordinierten Strategie der Parteimitte sprechen, die sich von links bedroht sah – etwas, das die demokratische Führung in den letzten Jahrzenten immer wieder getan hat. Diesmal jedoch scharte man sich zu schnell und äußerst ungeschickt um einen höchst mangelhaften Kandidaten.

Bevor die Dinge diesen Lauf nahmen, galt Biden der demokratischen Mitte eher als ein Problem. Zwei extrem reiche Männer, Mike Bloomberg und Tom Steyer, versuchten deshalb Trumps Trick aus dem Jahr 2016 anzuwenden: Sie schlossen sich dem politischen Rennen zwar ohne eine nennenswerte Gefolgschaft an, dafür aber mit genug Privatvermögen, um ohne Ende Werbeanzeigen schalten zu können. Ihnen fehlte allerdings Trumps Fähigkeit zur Manipulation der Medien. Trotzdem war der Eintritt Bloombergs, der wie Sanders nie als Demokrat ein Amt innegehabt hatte, relevant; während seiner drei Amtszeiten als Bürgermeister von New York City gehörte er der republikanischen Partei an. Als Biden schwankte, trat er dem Rennen als eigenfinanzierter Retter der politischen Mitte bei. Hätte er mit dieser Strategie Erfolg erzielt, so hätte dies die Rolle der Partei als Bestandteil eines scheinbar demokratischen Prozesses stark untergraben.

Nach Bloombergs schlechtem Abschneiden am Super Tuesday sicherte dieser Biden seine Unterstützung zu. Damit wurde klar, was sein Hauptanliegen war: er wollte nicht einfach nur Trump schlagen, sondern auch Sanders blockieren. Bloomberg erlitt in den Debatten einen Rückschlag nach dem anderen, nicht zuletzt ein Resultat von Warrens geschicktem Frontalangriff von links. Warrens schlechte Ergebnisse wiederum werfen die Frage auf, wie sich diese hinsichtlich Biden und Sanders positioniert. Nachdem sie das Rennen verlassen hatte, fand Warren sowohl für Biden als auch für Sanders scharfe Worte. Zwar ist ihr Wahlprogramm dem Sanders ähnlicher als dem Bidens, doch sind Warrens Wähler*innen darüber verärgert, dass Sanders 2016 Hillary Clinton herausgefordert hatte. Sanders Chancen, die Unterstützer*innen Warrens für sich zu gewinnen, sind nach einer Flut an Online-Angriffen gegen Warren und ihre Wähler*innen, die angeblich aus dem Sanders-Lager kamen, stark gesunken. (Sanders distanzierte sich von diesen Angriffen, allerdings ohne viel Erfolg.)

Mehrere Tage nach Super Tuesday waren faktisch nur noch zwei Kontrahenten übrig, beide ältere weiße Männer – der eine ein Sozialist, der andere ein neutraler Mitläufer, der von sichtbarem Verfall gekennzeichnet ist – von denen nun einer im November gegen Trump antreten wird. Super Tuesday war ein Kräftemessen dreier Spieler, die für Geld (Bloomberg), die Parteimaschine (Biden) und eine Massenbewegung stehen. Nach Bidens Sieg in den Südstaaten der USA scheint es, als ob die Parteimaschine gewonnen hat. Doch ist das tatsächlich der Fall?

Bidens Unterstützer*innen haben das Argument vorgebracht, dass wer auch immer die Stimmen der schwarzen Wähler*innen in den Südstaaten für sich gewinnen wird, auch die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten (wenngleich nicht die Präsidentenwahl selbst) gewinnen wird. Am Super Tuesday hat Biden nachgewiesen, dass er das kann. Und viele besorgte Demokrat*innen sehen in Biden, trotz offensichtlicher Nachteile, die beste Chance, Trump zu besiegen. Um sich die Wählerschichten zu sichern, die am stärksten gegen Trump eingestellt sind, sind die Demokraten links gerückt. Das geschah unter dem Druck der Zustimmung, die Sanders Antikapitalismus besinders bei Wähler*innen unter 35 erfährt. Bidens legislative Bilanz gegen den Wohlfahrtsstaat steht jedoch der Bill Clintons nahe. Und Geschichte seiner bisherigen Versuche, die Präsidentschaftskandidatur zu gewinnen, ist fürchterlich. Was aber vielleicht am schwersten wiegt ist, dass er scheinbar nicht in der Lage ist, eine Rede zu Ende zu bringen, ohne Unsinn zu reden, in seinem vergeblichen Bemühen, scharfsinnig und einnehmend aufzutreten.

Sanders kann sich nach wie vor auf einen wachsenden Enthusiasmus für Reformen verlassen, die die Macht großer Unternehmen zu zersetzen suchen – allen voran die Macht privater Versicherungshaie, der Drogendealer der Pharmaindustrie sowie der den Planeten vergiftenden fossilen Energielieferanten. Damit Sanders gewinnen kann, braucht er genug Stimmen, um sowohl Biden als auch Trump hinter sich zu lassen – und das angesichts von organisierten Bestrebungen, Wählerstimmen zu unterdrücken. Obwohl am Super Tuesday der Betrieb in Wahllokalen in mehrheitlich von Latinxs bewohnten Gegenden sowie in anderen Sanders-Hochburgen unterbrochen wurde, konnte Sanders den größten Staat, Kalifornien, für sich gewinnen. Doch machte Bidens Sieg in Michigan auch deutlich, dass Sanders Massenbewegung nicht ausgereicht hat, um die Kontrolle, die die Parteimaschine über den politischen Kurs hat, zu brechen.

Es liegt nun an Biden, die Erwartungen, die mit dem Rückenwind, den er plötzlich erfährt, verbunden sind, zu erfüllen und Trump zu schlagen. Dies wird er mehr oder weniger ohne die Unterstützung von Bernie-Wahler*innen tun müssen – selbst wenn Bernie sein Versprechen einlöst und sich für den Sieger, der aus dem Vorwahlkampf hervorgeht, einsetzen wird. Zwar gelang es Biden, am Super Tuesday mehr seiner Anhänger zur Wahl zu bewegen als Sanders, doch ist der Altersunterschied in beiden Wähler*innengruppen nach wie vor stark ausgeprägt. Es sind vor allem Wähler*innen unter 45, die für Sanders stimmen. Biden, der zwei Tage vor den Wahlen in Michigan noch einmal beteuerte, dass die Einführung einer allgemeinen staatlichen Gesundheitsversorgung schlichtweg zu teuer sei, hat nun allerdings die Möglichkeit für ernsthafte Verhandlungen mit der Linken beseitigt. Nachdem er ihr den Rücken zugekehrt hat, muss er sich auf eine Niederlage gefasst machen.

Bidens einzige Hoffnung ist es, dass ihm – inmitten einer Gesundheitskrise sowie angesichts der katastrophalen Marktsituation und einer allgemeinen Angst vor einem von Trump erzeugten politischen Chaos – die Wahl in den Schoss fällt. Ähnliche Erwartungen haben damals auch Hillary Clinton angetrieben. Die Demokraten der Mitte scheinen damit willentlich eine zentrale Lehre aus der Wahl von 2016 nicht zu ziehen: nämlich nie die Rücksichtslosigkeit der Republikaner zu unterschätzen, vor allem wenn sich ein Teil der Bevölkerung bereits am Rande einer Panik befindet. Sanders hat die Aufrufe nach einem Ende des Vorwahlkampfes zurückgewiesen und wird die Belange seiner Bewegung bis zum Parteitag der Demokraten tragen.


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