20 Oct. 2014

Verdrängung Bekämpfen: Ein Transatantischer Workshop

pnp

Fotos dieser Veranstaltung finden Sie auf unserer Flickr Seite.

Auf beiden Seiten des Atlantik haben Zwangsräumungen und die Verdrängung von Bewohnern aus ihren Stadtteilen seit der Großen Rezession 2008 dramatisch zugenommen. In den letzten Jahren sind Städte immer mehr zu Brenngläsern des neoliberalen Kapitalismus geworden. Während die Mittel für sozialen Wohnungsbau und sozialstaatliche Leistungen gekürzt werden, demolieren private Investoren den Baubestand in Innenstadtvierteln, um Platz für neue Luxus-Wohnungen und Bürogebäude zu machen. Mieten und Grundsteuern steigen dramatisch; wohlhabende Zuzügler verdrängen die Anwohner, und Ladenketten ersetzen Nachbarschaftsläden und Kleinbetriebe. Zugleich verlieren Millionen Familien ihre Wohnungen in Folge von Zwangsräumungen an ebenjene Wall-Street-Banken, die die Immobilienkrise zu verantworten haben – denn es waren dieselben Großbanken, die Geringverdienern faule Kredite andrehten und diese Hypotheken anschließend auf dem Finanzmarkt verhökerten.

Eine wachsende Zahl von Stadtteilinitiativen und sozialen Bewegungen in Europa und Nordamerika widersetzen sich der Verdrängung und dem Ausverkauf ihrer Städte. Sie kämpfen für ihr „Recht auf die Stadt“, indem sie sich für die Rechte von Mietern einsetzen, Zwangsräumungen verhindern und öffentliche Räume verteidigen bzw. einfordern.

Mit diesem Workshop zum Thema Verdrängung wollen das New Yorker Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung und die Right to the City Alliance USA Aktivisten die Möglichkeit bieten, sich untereinander auszutauschen und zu vernetzen. Wir werden über die Transformation von Städten im Kontext des gegenwärtigen Neoliberalismus und über Best Practices des Widerstands diskutieren. Dazu laden wir vom 20. bis 22. Oktober 2014 Wissenschaftler aus Berlin, Athen, Amsterdam, London, New York und Los Angeles sowie Aktivisten aus verschiedenen internationalen Gruppen und Nichtregierungsorganisationen.

BERICHT: VERDRÄNGUNG BEKÄMPFEN – EIN TRANSATLANTISCHER WORKSHOP

Während seiner Kandidatur für das Amt des Bürgermeisters von New York beschrieb Bill de Blasio die Stadt häufig als „a Tale of Two Cities”, als „eine Geschichte zweier Städte“. Für Reiche sei New York ein Luxus-Spielplatz mit unzähligen Möglichkeiten sich zu vergnügen, während Millionen weniger gut betuchte Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt kaum über die Runden kämen. Dieses Bild, das einen Romantitel des sozialkritischen Schriftstellers Charles Dickens zitiert, traf einen Nerv bei vielen New Yorkern, die der immer tieferen Kluft zwischen Besitzenden und Besitzlosen überdrüssig sind und die steigenden Lebenshaltungskosten selbst mit mittleren Einkommen kaum mehr schultern können.

Kaum etwas steht so beispielhaft für das frappierende Wohlstandsgefälle wie die Themen Wohnraum und Stadtentwicklung. Gleich einem Wettlauf in die Höhe werden immer größere Glastürme mit Luxuswohnungen errichtet, deren Verkaufspreise – wohlgemerkt für eine Wohnung, nicht das Gebäude – längst den 100-Millionen-Dollar-Rekord gebrochen haben. Es überrascht nicht, dass New York im weltweiten Vergleich mit die höchste Dichte an Millionären und Milliardären aufweist. Viele der funkelnden Neubauten werden über umfangreiche Steuernachlässe mit öffentlichen Geldern subventioniert. Zugleich schießen die Mieten in der Stadt in die Höhe und die Finanzierung für sozialen Wohnungsbau und Sozialdienste wird zusammengestrichen. Die Mietpreise in New York nahmen zwischen den Jahren 2000 und 2012 um 53 Prozent zu, während die Löhne im selben Zeitraum nicht einmal um die Hälfte dessen anstiegen (beides sind Nominalwerte). Infolge dieser ungleichen Entwicklung wenden Mieter einen immer höheren Anteil ihres Einkommens für ihre Wohnung auf. Nach offiziellen Einschätzungen gilt es als angemessen, maximal ein Drittel des Einkommens für Miete auszugeben. In New York liegt jedoch mehr als die Hälfte aller Haushalte darüber; ein Drittel aller Haushalte zahlt sogar die Hälfte des Einkommens oder mehr für Miete. Viele New Yorker mit geringem oder mittlerem Einkommen ziehen an den Stadtrand, da sie sich das Leben in der Metropole schlicht nicht mehr leisten können. Bill de Blasio gelobte während seines Wahlkampfs, diesem Verdrängungsdruck Einhalt zu gebieten und versprach 200.000 bezahlbare Wohnungen. Dieses ehrgeizige Versprechen stieß auf breite Zustimmung und trug zu seinem überwältigenden Sieg im November 2013 bei.

Die Metapher einer „Geschichte zweier Städte“ ist nicht nur eine treffende Beschreibung für New York, sondern illustriert auch die Situation in zahlreichen anderen amerikanischen und europäischen Städten, die ebenfalls von einem extremen Wohlstandsgefälle, von Verdrängung und einem Mangel an bezahlbaren Wohnraum gekennzeichnet sind. Allerdings bleiben die Bewohnerinnen und Bewohner angesichts der Verdrängung und dem Ausverkauf ihrer Städte nicht tatenlos. Eine wachsende Zahl von Mieterinitiativen und Stadtteilgruppen setzt sich für die Rechte von Mietern ein, verhindert Zwangsräumungen, verteidigt öffentliche Räume und fordert ein „Recht auf die Stadt“ für alle Bewohner.

Viele dieser Initiativen arbeiten mit äußerst beschränkten Ressourcen und haben nur selten die Gelegenheit, sich zu vernetzen und sich über effektive Strategien auszutauschen. Das New Yorker Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung organisierte daher gemeinsam mit der Right to the City Alliance vom 20. bis 22. Oktober 2014 einen dreitägigen Workshop, um einen solchen Austausch zu ermöglichen. Eingeladen waren Wissenschaftler aus Amsterdam, Athen, Berlin, London, Los Angeles und New York sowie Aktivistinnen und Aktivisten folgender Gruppen und Städten: Causa Justa :: Just Cause (CJJC) – San Francisco und Umgebung Chinese Progressive Association – Boston Encounter Athens – Athen HABITA – (Kollektiv für das Recht auf eine Unterkunft und auf die Stadt) – Lissabon Kotti & Co – Berlin Neighbors United for a Better East Boston Plataforma de Afectados por la Hipoteca (PAH –Bewegung der Opfer der Hypothekenkrise) – Barcelona und Madrid Recht auf Stadt – Hamburg Strategic Actions for a Just Economy – Los Angeles Occupy Our Homes Atlanta.

Am ersten Tag des Workshops schauten wir den Dokumentarfilm „My Brooklyn“, der den Immobilienboom und die Verdrängung im Zentrum Brooklyns nachzeichnet. Anschließend organisierte die in Brooklyn ansässige Organisation FUREE (Families United for Racial and Economic Equality/Familien für rassische und ökonomische Gleichberechtigung) für uns eine Stadtführung durch diesen Teil Brooklyns. FUREE setzt sich seit Jahren dafür ein, dass Anwohner stärker in die Planung städtebaulicher Projekte in ihren Vierteln miteinbezogen werden und bezahlbarer Wohnraum erhalten bleibt. Ein Höhepunkt der Führung war ein Vortrag von Shawne Lee, einem Mitglied von FUREE. Ihre Familie besitzt ein kleines Einfamilienhaus in Downtown Brooklyn, das mittlerweile zu allen Seiten von Büros und Hotels überragt wird. Als Teil ihres Stadterneuerungs-Plans versuchte eine städtische Behörde das Haus von Shawne Lees Familie zu konfiszieren, mit dem Ziel es abzureißen und ein Parkhaus zu bauen. Besonders brisant an diesem Vorhaben war, dass das Haus Teil der „Underground Railroad“ (unterirdischen Eisenbahn) war, einem geheimen Netzwerk aus Unterkünften, in denen sich während des 19. Jahrhunderts ehemalige Sklavinnen und Sklaven auf der Flucht aus den Südstaaten versteckten. Mit der Unterstützung von FUREE klagte die Familie gegen die Stadt und gewann eine außergerichtliche Einigung, die den historischen Ort vor dem Abriss bewahrte.

An den folgenden zwei Tage wechselten sich theoretische Vorträge und Präsentationen über die Kämpfe in den verschiedenen Städten mit lebhaften Gruppendiskussionen ab. Einleitend erläuterten einige der anwesenden Wissenschaftler, wie Verdrängung im Kontext der neoliberalen Stadt des 21. Jahrhunderts definiert werden kann. Andrej Holm von der Humboldt Universität in Berlin erklärte, dass Verdrängung ein unfreiwilliger Wohnortswechsel sei – ganz gleich, ob dieser durch eine Mietpreissteigerung oder Zwangsräumung bedingt sei. Es sei wichtig, zu unterscheiden, ob private Investoren oder staatliche bzw. städtischen Instanzen die Verdrängung befördern, auch wenn beide Seiten sich in den meisten Fällen zuarbeiteten. In den USA und Europa seien privatwirtschaftliche Akteure die treibende Kraft, während die Regierungen in Ländern des Globalen Südens die Verdrängung bestimmter Bevölkerungsgruppen oft aktiv beförderten, beispielsweise um „ihre“ Städte vor großen Sportveranstaltungen wie den Olympischen Spielen oder der Fußball-Weltmeisterschaft für die Gäste und Kameras aus aller Welt aufzupolieren. Ein bestimmter Typus der Verdrängung, so Holm, ist „exclusionary displacement“ (ausschließende Verdrängung). In diesem Fall würden Eigentümer nach dem freiwilligen Auszug der vorherigen Mieter die Miete vor einer Wiedervermietung signifikant anheben und damit die „Ertragslücke“ zwischen der realen und potentiellen Miete schließen. Dies führe zu einer Abschottung des Wohnungsmarktes für untere Einkommensschichten. Es sei weitaus schwieriger einer solch indirekten Verdrängung entgegenzuwirken als beispielsweise die Zwangsräumung einer bestimmten Familie zu verhindern.

Nach dieser theoretischen Diskussion beschäftigten wir uns mit der Frage, inwiefern Forschung genutzt werden kann, um die Arbeit der Recht-auf-Stadt-Gruppen zu unterstützen. Dawn Phillips beschrieb, dass seine Organisation Causa Justa::Just Cause (Gerechte Sache) einen Bericht über die massive Verdrängung in San Francisco und der Umgebung veröffentlichte, nachdem es ihnen nicht gelungen war, lokale Politiker mit anderen Mitteln von der Dringlichkeit des Problems zu überzeugen. Erst als lokale und überregionale Medien ausführlich über die Ergebnisse der – professionell gestalteten und auf Hochglanzpapier gedruckten – Studie Development without Displacement (Entwicklung ohne Verdrängung) berichteten, schenkten die Politiker ihrem Anliegen Gehör.

Die Right to the City Alliance habe mit ihren zwei Berichten Rise of the Renter Nation (Die Entstehung einer Nation von Mietern) und The Rise of the Corporate Landlord (Der Aufstieg von Unternehmens-Vermietern) ganz ähnliche Erfahrungen gemacht, berichtete Tony Romano. Auch ihnen gelang es anhand der Studien, einen Fuß in die Tür von Politikern und anderen Entscheidungsträgern zu bekommen. Zudem nutzte die Gruppe den Entstehungsprozess der Berichte für politische Bildungsarbeit: Anstelle ein externes Forschungsinstitut mit der Erstellung zu beauftragen, recherchierten und verfassten Mitglieder mithilfe von sich solidarisierenden Wissenschaftlern die Berichte selbst.

Verdrängungsprozesse zu kartografieren sei eine weitere Möglichkeit, Stadtpolitiker mit dem Thema zu konfrontieren, fügte Andrej Holm hinzu. Dies sei besonders wichtig, da es bislang vorwiegend anekdotisches Wissen zu diesen Prozessen gebe. Der Mangel an Daten erlaube Politikern, das Problem zu ignorieren. Holm erstellte daher eine Karte der Gentrifizierung in Berlin, anhand derer Aktivisten nachweisen können, dass steigende Mieten tatsächlich langjährige Anwohner aus den beliebten Innenstadtvierteln verdrängen. Momentan arbeitet Holm an einer zweiten Karte, die Bewohner von Moabit nutzen können, um die rasanten Veränderungen in ihrem Quartier festzuhalten. Die gemeinschaftliche Erstellung dieser Karte hat sich als ein effektives Instrument erwiesen, Anwohner für das Thema zu interessieren und zu mobilisieren, sich auch anderweitig gegen die forcierte Aufwertung ihres Viertels einzusetzen.

Anschließend stellten die anwesenden Mieterinitiativen und Stadtteilgruppen ihre Arbeit vor. Sie umrissen die Ursachen der Verdrängung in ihren jeweiligen Städten und beschrieben, welche Taktiken sich als effektiv erwiesen hätten. Cynthia Strathmann erklärte, dass ihre Gruppe Strategic Actions for a Just Economy (Stratgien für eine gerechte Wirtschaft) erfolgreich Anwohner in die Planung und Umsetzung eines städtebaulichen Großprojekts in South Los Angeles einbezogen hätten. Der Stadtrat hatte der University of Southern California genehmigt, einen weitläufigen Komplex aus Studentenwohnheimen, Läden, Restaurants, einem Hotel und einem Kino zu errichten. Die Gruppe befürchtete, dass das Vorhaben steigenden Mieten und die Verdrängung der überwiegend schwarzen und Latino Bewohner des umliegenden Viertels nach sich ziehen würde. Nach jahrelangen Verhandlungen und hartnäckiger Lobby- und Kampagnen-Arbeit, kündigte der Stadtrat schließlich an, 20 Millionen Dollar in Sozialwohnungen zu investieren und 30 Prozent der neu entstehenden Stellen mit Arbeitsuchenden aus dem Viertel zu besetzen.

Tina Röthig von dem Netzwerk Recht auf Stadt skizzierte, wie sich Hamburg zunehmend als Marke darstelle, die mit anderen deutschen und europäischen Städten um Investoren und Touristen konkurriere. Dieser Wettbewerb führe dazu, dass jene, die nicht in das Bild der schönen und hippen Stadt passten, an Unterstützung verlören und an den Rand gedrängt würden. Die Zahl der Sozialwohnungen beispielsweise sei zwischen 1970 bis 2010 von 400.000 auf 100.000 gesunken. Ein Gebäude des sozialen Wohnungsbaus, das die Stadt jüngst agreißen ließ, waren die ESSO Häuser im Viertel St. Pauli, das gegenwärtig eine Aufwertungswelle erlebt. Das Netzwerk Recht auf Stadt widersetzte sich den Plänen der Regierung, die ESSO Häuser durch Luxuswohnungen zu ersetzen und zwang die Stadtregierung, den ehemaligen Mietern der ESSO Häuser bei der Neubebauung ein Mitspracherecht einzuräumen. Zu diesem Zweck gründete die Initiative PlanBude, eine Art alternatives Stadtplanungsbüro in zwei Containern, in dem sie Workshops und Veranstaltungen durchführt, um eigene Pläne für das ESSO-Areal zu entwickeln.

Die Fallstudien von Athen, Lissabon und Barcelona zeigten, dass die Verdrängung in Städten, die im Zuge der Großen Rezession strikten Austeritätsmaßnahmen unterliegen, eine ganz andere Gestalt annimmt als in aufstrebenden Metropolen wie New York oder Hamburg. Die Verdrängung in Athen, erklärte Evangelia Chatzikonstantinou, „hat weniger mit Gentrifizierung zu tun als mit den Auswirkungen der Krise und dem Krisenmanagement der Politiker.“ Anstelle der allmählichen, indirekten Verdrängung ausgelöst durch steigende Mieten und Aufwertungsprozesse, werden Menschen hier deutlich unmittelbarer und gewaltsamer verdrängt und enteignet: Zwangsräumungen stehen an der Tagesordnung und zahlreichen Bewohnern, die nicht in der Lage sind, ihre Rechnungen zu begleichen, wird schonungslos Strom oder Wasser abgestellt.

In Griechenland, Portugal und Spanien ist der Anteil der Menschen, die Wohneigentum besitzen, traditionell deutlich höher als in Nordeuropa. Seit dem Platzen der Immobilienblase, der darauffolgenden Rezession und der verheerenden Sparpolitik, die die Troika aus Internationalem Währungsfonds, EU-Kommission und Europäischer Zentralbank den südeuropäischen Ländern auferlegte, hat die Arbeitslosigkeit vor allem unter jungen Erwachsenen schwindelerregende Ausmaße angenommen. Immer mehr Besitzer von Wohneigentum kommen ihren monatlichen Hypothekenzahlungen nicht mehr nach. In Griechenland ist die Rate der Kredite in Zahlungsverzug von 4,5 Prozent im Jahr 2007 auf 30 Prozent 2013 angestiegen. Millionen Menschen in Südeuropa haben ihre Wohnungen und Häuser entweder bereits verloren oder leben unter der permanenten Bedrohung einer Zwangsräumung.

Die griechische Regierung spitzte die Lage weiter zu, indem sie die Steuern für Wohneigentum erhöhte und zusätzliche Gebühren für Strom erhob. Wer diese Gebühren nicht zahlen konnte, dem wurde der Strom abgestellt. Dieses Vorgehen ähnelt dem der Regierung Detroits, jener amerikanischen Stadt, die zum Sinnbild für Austeritätspolitik und urbanem Verfall geworden ist. Dort stellte Detroits Notfall-Manager tausenden Familien, die ihre Rechnungen nicht beglichen hatten, rücksichtslos das Wasser ab. Catarina de Albuquerque und Leilani Farha, beide Sonderberichtserstatterinnen der Vereinten Nationen, statteten Detroit einen Besuch ab und verurteilten die Maßnahme als eine Menschenrechtsverletzung. „Es widerspricht den Menschenrechten, Personen, die schlichtweg nicht in der Lage sind, ihre Rechnungen zu begleichen, das Wasser abzustellen“, kritisierten sie. In Lissabon führte die Krise zu einer Zunahme an Polizeigewalt und der Zerstörung von Unterkünften in Urbicide, einer informellen, vor allem von Immigranten bewohnten, Siedlung am Stadtrand. André Carmo von der Lissaboner Gruppe HABITA brachte die Entwicklung auf den Punkt: „Im Zuge der Erosion des Sozialstaates tritt der strafende Charakter des Staates in den Vordergrund.“ Angesichts dieser elementaren Bedrohungen gebrauchen die Bewohner von Lissabon, Athen, und Barcelona Taktiken, die bislang vor allem in Ländern des Globalen Südens verbreitet waren: Sie besetzen leerstehende Gebäude, organisieren Schuldner-Streiks, errichten informelle Unterkünfte und stellen den Strom als „Guerilla-Elektriker“ eigenmächtig wieder an.

Ungeachtet aller Unterschiede zwischen den verschiedenen Städten machten die Fallstudien den engen Zusammenhang zwischen Verdrängung und Neoliberalismus deutlich. „Verdrängung ist ein integraler Bestandteil neoliberaler Stadtpolitik“, betonte die Amsterdamer Wissenschaftlerin Bahar Sakizlioglu. „Es ist ein Mittel, um Ressourcen vom öffentlichen hin zum privaten Sektor und von unteren zu oberen Einkommensschichten zu verschieben. Verdrängung ist die räumliche Manifestierung von Akkumulation durch Enteignung.“ Dawn Phillips hob in diesem Zusammenhang hervor, dass es notwendig sei, die moralischen Argumente zu überwinden, die die Diskussion um Gentrifizierung bestimmten. Miguel Robles-Duran, Professor an der New School in New York, stimmte zu und erklärte, dass der Begriff Gentrifizierung impliziere, dass Verdrängung gewissermaßen ein natürlicher Prozess sei, den Studenten, Künstler und Hipster zu verantworten hätten. Diese Fokussierung auf Einzelpersonen und kulturelle Veränderungen lenke von den tatsächlichen strukturellen Ursachen der Verdrängung ab, nämlich den Aufwertungs- und Privatisierungsprozessen, der Reduzierung von Sozialwohnungen und dem immensen Einfluss internationaler Immobilienunternehmen wie der berüchtigten Blackstone Group

Angehörige der Mittelschicht, die Wohneigentum besäßen, profitierten von steigenden Immobilienpreisen, wohingegen Schwarze, Latinos, und andere People of Color zumeist zu den ersten gehörten, die an den Stadtrand verdrängt würden. Für Aktivistinnen und Aktivisten sei es daher notwendig, ihre eigene Situation zu reflektieren und Mieterinitiativen sollten den Vorschlägen und Bedürfnissen der am meisten Betroffenen besondere Beachtung schenken. „In den USA kommt man nicht umhin, im Kontext von Verdrängung immer auch über Rasse zu sprechen“, erklärte Strathmann. Angehörige der Mittelschicht, die Wohneigentum besäßen, profitierten von steigenden Immobilienpreisen, wohingegen Schwarze, Latinos, und andere People of Color zumeist zu den ersten gehörten, die an den Stadtrand verdrängt würden. Für Aktivistinnen und Aktivisten sei es daher notwendig, ihre eigene Situation zu reflektieren und Mieterinitiativen sollten den Vorschlägen und Bedürfnissen der am meisten Betroffenen besondere Beachtung schenken. „In den USA kommt man nicht umhin, im Kontext von Verdrängung immer auch über Rasse zu sprechen“, erklärte Strathmann.

Abschließend führten wir eine spannende Diskussion darüber, inwieweit sich die Recht-auf-Stadt-Gruppen als Teil der Linken verstehen, und überlegten, wie sich eine transatlantische Zusammenarbeit der Initiativen und Wissenschaftler gestalten ließe. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops waren sich einig, dass eine Fortsetzung des Austausches über effektive Taktiken und Strategien für ihre Arbeit vor Ort enorm wichtig sei. Grund genug, den Austausch fortzusetzen.


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