Am 19. April hielt der (seit Januar 2017 amtierende) Präsident Ghanas, Nana Akufo-Addo, seine siebte Ansprache an die Nation, seitdem am 30. März die Ausgangsbeschränkungen verhängt wurden, um die Ausbreitung des Coronavirus in Großstädten wie Accra und Kumasi einzudämmen. Der Präsident betonte, dass die Einschränkungen für öffentliche Versammlungen immer noch gültig seien. Alle Schulen sollen weiterhin geschlossen bleiben, während «Unternehmen und andere Arbeitsplätze unter Einhaltung von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz hinsichtlich der Abstandsregelungen und Hygienevorschriften den Betrieb wieder aufnehmen dürfen.»
Laut Gesundheitsbehörde wurden bis zum 27. April ca. 106.090 Personen auf COVID-19 getestet. Ghana verzeichnet offiziell 1.671 bestätigte Fälle mit 188 Genesenen und 16 Toten.
Die Regierung versucht, die Bevölkerung in der Pandemie zu entlasten, indem Wasserabrechnungen von April bis Juni, Steuern für systemrelevantes medizinisches Personal sowie Stromzahlungen für einkommensschwache Bürger*innen ausgesetzt und jüngst auch Essensausgaben für Bedürftige. eingerichtet wurden. Zudem fördert sie die Desinfektion im öffentlichen Raum, so auch von Hauptstraßen und Marktplätzen in Städten wie Accra und Tamale. Das Bildungsministerium hat indessen die Zusammenarbeit mit der staatlichen Rundfunkanstalt Ghanas aufgenommen, um über Internet, Fernsehen und Radio Schulunterricht für Mittel- und Oberstufen anzubieten.
Obwohl all diese Bemühungen lobenswert sind, ist es wichtig, die wirtschaftlich marginalisierten Menschen nicht aus dem Blick zu verlieren, die von den Auswirkungen der Pandemie am stärksten betroffen sind – von der Bedrohung ihrer Existenzgrundlage und ihres Wohnraums über Herausforderungen bei der Abstandseinhaltung bis hin zum Zugang zu Grundversorgung oder zuverlässiger Information über das Virus.
Vor wenigen Wochen ließ die Stadtverwaltung von Accra Abrissarbeiten in Old Fadema, einem Vorort von Accra, durchführen, woraufhin über 1.000 Einwohner*innen des Viertels obdachlos zurückblieben . Die Zerstörung der Häuser in armen Nachbarschaften während des allgemeinen Lockdowns in Accra macht deutlich, wie wenig die Regierung in Wirklichkeit auf die Bedürfnisse der Arbeiterklasse gibt.
Nachdem die Bewohner*innen von Old Fadama ihr Zuhause verloren haben, sind viele von ihnen, darunter auch Kinder, gezwungen, unter freiem Himmel zu schlafen , wodurch sie den Auswirkungen des kalten Passatwindes, Moskitostichen und anderen Gefahren ausgesetzt werden. Auch das Risiko, sich mit dem Virus anzustecken, steigt für sie, da sie kaum Möglichkeiten haben, Abstand zu halten, fließendes Wasser zu nutzen und nicht einmal Zugang zu sanitären Einrichtungen für grundlegende Hygiene bekommen. Obwohl der Bürgermeister von Accra, Mohammed Adjei Sowah, den Vertriebenen temporäre Unterkünfte versprochen hat, sitzen viele von ihnen bis heute auf der Straße.
Gleichzeitig nimmt die Stigmatisierung von Corona-Patient*innen landesweit zu . Diese negative Tendenz lässt sich mit dem mangelhaften Wissensstand über das Virus in der Bevölkerung erklären. Obwohl zivilgesellschaftliche Gruppen und Meinungsmacher*innen sich dafür engagieren, Aufklärungsarbeit in verschiedenen indigenen Sprachen zu leisten, sind viele ghanaische Sprachen noch nicht abgedeckt, vor allem in den Kampagnen der Mainstream-Medien.
Zudem bleiben Menschen mit Behinderung weitgehend von den Informationskampagnen ausgeschlossen. In einer Stellungnahme an die Sanatu Zambang Studios, eine Medienproduktionsgesellschaft in Tamale, hat die Gehörlosen-Organisation Northern Regional Association of the Deaf (NRAD) bemängelt, dass es kaum Informationen zum Virus für taube Menschen gibt und Informationsmöglichkeiten in Gebärdensprache gefordert.
Die Desinformationsflut macht scheinbar auch einige der Anstrengungen zunichte, faktenbasiertes Wissen über das Virus unter die Leute zu bringen. Die Stigmatisierung von Menschen, die positiv auf COVID-19 getestet wurden, bedeutet, dass viele der möglicherweise Infizierten davor zurückschrecken, sich testen und behandeln zu lassen. Anfang April gab es Berichte über den Ausbruch einer COVID-Patientin aus der Quarantäne im Krankenhaus von Tamale . Am 16. April wurde berichtet, dass eine positiv getestete Person in Wa in der Oberen Westregion polizeilich gesucht wird. Beide Patient*innen waren ausländische Staatsbürger*innen. Im Umgang mit dem Thema Stigmatisierung muss unbedingt bedacht werden, wie das Zusammenspiel mit Fremdenhass dazu führen kann, dass Patient*innen eher die Flucht ergreifen, als sich behandeln zu lassen.
Darüber hinaus müssen die Medien ihre Rolle bei der Verschärfung des Stigmas von Corona-Patient*innen reflektieren und strengere ethische Standards bei ihrer Arbeit einhalten. Einige Medien veröffentlichten Bilder der genesenen Corona-Infizierten und haben damit unbeabsichtigt diese Personen sowie ihre Familien stigmatisiert. Andere gaben Namen von Patient*innen und ihren Familien bekannt . Ghanas nationale Medienkommission sollte aktiv daran arbeiten, diese Probleme anzugehen, und sollte Medien sanktionieren, die aktuelle und genesene Patient*innen bloßstellen und ihnen dadurch schaden.
Gleichzeitig sehen sich die Medien mit der immensen Herausforderung durch Fake News konfrontiert, die über WhatsApp und andere soziale Netzwerke verbreitet und von Freunden und Familie, auf Gruppenchats, in religiösen Gemeinschaften u. ä. geteilt werden. Viele dieser Falschmeldungen, die üblicherweise in Video- Audio- und Textformaten verpackt sind, kommen aus unseriösen Quellen. Sie vermitteln unter anderem lokal produzierte oder importierte Verschwörungsideologien über das Virus, die jeglicher Grundlage entbehren. Die Verbreitung von Falschinformation wird dadurch erleichtert, dass viele in unseren Communitys glaubwürdige Nachrichten und Fake News nicht auseinanderhalten können, weil ihnen die nötige Medienkompetenz fehlt. Die staatlichen Maßnahmen gegen diese Fake-News-Lawine beschränken sich allerdings auf die Richtigstellung von Falschmeldungen über die Zahl der bestätigten Corona-Fälle im Land.
In den letzten Wochen hat die Regierung noch stärker die Polizei und das Militär eingebunden, um sicherzustellen, dass sich die Bevölkerung des Landes an die Quarantänebestimmungen, Abstandsregelungen und andere Vorschriften in Zusammenhang mit dem Lockdown in Großstädten hält. Die Tatsache, dass diese Polizeibeamt*innen und Militärvertreter*innen die Ordnung mithilfe von Feuerwaffen «sicherstellen», läuft darauf hinaus, dass unsere Communities zu Kriegsgebieten erklärt worden sind und Gewalt gegen diejenigen angewendet werden soll, die gegen diese Ordnung verstoßen.
Der Einsatz von Polizei und Militär in anderen afrikanischen Ländern wie Südafrika, Uganda, Kenia und Nigeria hat verheerende Auswirkungen. Auch in Ghana werden Zivilpersonen physisch misshandelt, und am 6. April kam es bei einem Zusammenstoß sogar zum Tod eines Mannes in Ashaiman, einem Viertel von Accra.
Historisch betrachtet, war die Polizei ein Instrument der Kolonialmacht, um die Kolonisierten gewaltsam zu unterdrücken. Aber auch nach den traumatischen Erfahrungen von mehreren Militärputschen, verbunden mit Ausgangssperren und unrechtmäßigen Einschränkungen bürgerlicher Rechte, müssen wir den Einsatz dieser Machtinstrumente im Kampf gegen das Virus gründlich überdenken. Laut Kriminologen Justice Tankebe wurde die Ordnungsaufsicht in vielen traditionellen ghanaischen Gesellschaften als «kollektive Verantwortung aller Einzelnen» gesehen und nicht als Machtmonopol bestimmter Institutionen und Individuen, um Gewalt gegen Bürger*innen auszuüben. Vor dem Hintergrund der blutigen Geschichte und der Brutalität von Polizei und Militär wäre es wirksamer, Verstöße gegen die Pandemiemaßnahmen auf humanere Art zu ahnden.
In dieser äußerst schwierigen Zeit sollte die Regierung nach Wegen suchen, den Schwächsten unserer Gesellschaft zu helfen, anstatt ihre Lebensbedingungen weiter zu verschlechtern und ihnen das Leben noch schwerer zu machen.
Doch es gibt auch Lichtblicke: Am 11. April gaben die beiden Forschungseinrichtungen Noguchi Memorial Institute for Medical Research (NMIMR) und West African Centre for Cell Biology of Infectious Pathogens (WACCBIP) bekannt, dass ihnen an der Universität von Ghana die Genomsequenzierung von COVID-19 gelungen ist. Laut Professor Abraham Anang, dem Leiter des NMIMR, wird diese Sequenzierung «die Kontrolle der Virus-Mutationen verbessern und die Nachverfolgung von Infektionen bei Personen ohne bekannte Kontakte zu bestätigten Fällen erleichtern». Seitdem stehen die Forscher*innen über eine Open-Access-Plattform mit anderen Forscher*innen aus aller Welt im Austausch. Zudem hat kürzlich das Kumasi Centre for Collaborative Research Schnelltest-Kits entwickelt, die das Testen auf das Coronavirus landesweit erleichtern und dezentral ermöglichen sollen.
Wunpini Fatimata Mohammed ist Dozentin am Bellisario College of Communications an der Pennsylvania State University.
Erstveröffentlichung dieses Artikels auf Africa is a Country. Africa is a Country.