August 7, 2014

Who Cares? Eine feministische Kritik der Care-Ökonomie

Nancy Folbre

Der neoliberale Kapitalismus scheint sich nicht um Pflegearbeit zu scheren. Ob es sich um die Fürsorge für alte Menschen, Kinder oder psychisch Kranke handelt: Pflegearbeit ist entweder miserabel oder gleich gar nicht bezahlt. Professionelle Pflegekräfte gehören zu den am wenigsten geschützten und am meisten ausgebeuteten Angestellten. Und von Müttern und Großmüttern, die sich um alte und junge Generationen kümmern und dafür ihre eigenen Bedürfnisse hintanstellen, erwartet man, dass sie aus der Lauterkeit ihrer Arbeit hinreichend Genugtuung ziehen. Unterdessen bereichern sich die Eliten – deren Geschäftsgebahren oftmals alles andere als lauter ist – schamlos auf Kosten anderer.

Die Bezugnahme auf Mütter und Großmütter ist hier bewusst gewählt, wird bezahlte und unentgeltliche Pflegearbeit doch überwiegend von Frauen verrichtet. In den Vereinigten Staaten besteht ein hoher Anteil der Pflegearbeiterinnen aus Afro-Amerikanerinnen, Latinas und anderen women of color – und zwar nicht zuletzt deshalb, weil die Zahl der im Dienstleistungssektor prekär Beschäftigten im Zuge der Deindustrialisierung und der zunehmenden sozialen Ungleichheit stetig wächst. Die chronische Unterbezahlung und fehlende Anerkennung von Pflegearbeit fußen demnach auf den patriarchalen und rassistischen Machtstrukturen unserer Gesellschaft.

Fest steht: Unser Verhältnis zu Pflegearbeit existiert nicht in einem Vakuum, sondern wird von der Regierungspolitik und von hegemonialen Institutionen wie den Medien, Schulen und religiösen Einrichtungen geprägt. Je nachdem, wie der Wohlfahrtstaat beschaffen ist, fallen Geschlecht und Hautfarbe in der Pflegearbeit mehr oder minder ins Gewicht. Staatliche Maßnahmen vergesellschaften den Nutzen, aber nicht die Kosten von Kindern: Kinderlose Menschen profitieren von der Erziehungsarbeit der Eltern und insbesondere der Mütter (die den Löwenanteil dieser Arbeit leisten), ohne die Aufwendungen für die Kindererziehung mitzutragen.

In der vorliegenden Studie beleuchtet Nancy Folbre, Professorin für Wirtschaftswissenschaften an der University of Massachusetts Amherst und MacArthur Fellow, wie es um die Pflegearbeit in den USA bestellt ist und welche Veränderungen geboten sind. Folbre zeichnet nach, wie sich die Pflegearbeit im Rahmen des Wohlfahrtstaates entwickelt hat, und kommt zu dem Urteil, dass der patriarchale Kapitalismus genau jene rücksichtslos ausbeutet, denen er sein Fortbestehen verdankt. Anschließend legt sie dar, welche konkreten politischen Reformen uns den Weg aus der Krise der Pflegearbeit ebnen können. Ihre Vorschläge sind zugleich pragmatisch – es scheint durchaus möglich, sie im Rahmen der bestehenden Ordnung umzusetzen – und weitreichend genug, um unserer Hoffnung auf grundlegende Veränderungen gerecht zu werden. Wie können wir eine nachhaltigere und weniger ausbeuterische Welt für unsere Kinder und Kindeskinder erschaffen? Folbres Analyse bietet einen umfassenden Fahrplan für Aktivisten und Wissenschaftler, die sich dafür einsetzen, dass Pflegearbeit der Stellenwert und die Wertschätzung zukommt, die ihr gebühren.


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