Januar 15, 2021

Wir wollen alles: der Übergang zu einem Green New Deal unter Joe Biden

Adrien Salazar

Dieser Beitrag ist Teil unserer Artikelreihe “Am Rande des Abgrunds: eine progressive Agenda für die Biden-Ära“.

Ökologische Gerechtigkeit oder Untergang

Gegen Ende seines Wahlkampfs 2020 veröffentlichte Joe Biden eine Reihe von Werbespots, in denen gewöhnliche Amerikaner*innen beim Umgang mit dem Klimachaos zu sehen sind: Austernfischer in Florida, die wegen des übersäuerten Meeres um ihren Fang bangen; ein Imker in Arizona, dessen Bienenvölker von extremer Hitze bedroht sind; ein Geschäftsmann, der auf Navajo-Land ein Unternehmen für Solaranlagen aufbaut. Ein Werbespot, der landesweit ausgestrahlt wurde, zeigt Aufnahmen von außer Kontrolle geratenen Waldbränden und von der Feuerwehrfrau Melanie aus Phoenix in Arizona. Sie sagt: „Es sterben immer mehr Menschen. Du kämpfst gegen etwas an, das einfach nicht aufhört Sie hat recht.

Mit diesen Videoclips, die vom ständigen Trommeln für klimapolitische Ziele begleitet wurden, machte Joe Biden seinen Einsatz für das Klima zum abschließenden Thema seines Wahlkampfs.  Immer und immer wieder wies er darauf hin, dass eine Mehrheit der Amerikaner*innen von der Regierung eine aktive Klimapolitik erwartet. Und dann gewann er die Wahlen.

Das vergangene Jahr war nicht nur von der Pandemie, sondern auch von einem ungeheuren Klima-Chaos geprägt. Der Rauch der Waldbrände färbte den Himmel über Teilen des amerikanischen Westens tief orange. Sintflutartige Regenfälle und Hochwasser überschwemmten Südostasien, Ostafrika und den Mittleren Westen der USA. Ein Orkan nach dem anderen wütete im südlichen Golf und in der Karibik. Gleichzeitig breitete sich COVID-19 in der Welt aus und sorgte für immer mehr Tote.

Die Pandemie wirft ein Schlaglicht auf strukturelle gesellschaftliche Ungleichheiten. In den USA sind die COVID-19-Infektions- und Sterberaten bei Schwarzen, Indigenen und People of Color  am höchsten. Inzwischen gibt es Hinweise darauf, dass die Belastung durch Umweltverschmutzung das Risiko, sich zu infizieren und daran zu erkranken, überall auf der Welt erhöht. Die Wirtschaft bricht zusammen, aber die Gesellschaft wird zusammengehalten von unentbehrlichen Schwarzen und Braunen Arbeitnehmer*innen und Frauen im Dienstleistungssektor. Dabei bringen sie sich ständig selbst in Gefahr. Es war auch das Jahr, in dem die Welt miterlebte, wie ein Notstand nach dem anderen jahrhundertealte rassistische Gewalt und wirtschaftliche Verarmung noch verschärfte.

Demonstrant*innen in der Nähe des US-Kapitols beim „Fire Drill Friday”-Klimaprotest am 15. November 2019 in Washington, DC. (Foto: John Lamparski / Getty Images)

Es gibt allerdings eine Vorstellung davon, wie die Regierungsbehörden gegen die von der Pandemie ausgelöste schwere Wirtschaftskrise sowie gegen die Dauerkrisen Klimanotstand und soziale Ungleichheit vorgehen können. Der Plan hat viele Namen, etwa green recovery, green stimulus, just recovery oder eben Green New Deal. Wie auch immer man sie nennt, die Idee ist verlockend: Wirtschaftsinvestitionen im großindustriellen Maßstab zur Erweiterung der menschlichen Lebensgrundlagen bei gleichzeitigem Übergang zu einer kohlenstoffarmen Zukunft. Wenn wirtschaftliche Investitionen mit sozialen einhergehen, etwa beim Wohnungsbau und in der Gesundheitsversorgung, steigt die Resilienz gegen zukünftige Katastrophen, noch während wir die jetzigen bewältigen. Diese Vorstellung ist der Anfang von einer gerechten Bewältigung des Klimachaos.

In seiner Präsidentschaftskampagne machte sich Biden für einzelne Elemente des Green New Deal stark, ohne ihn aber beim Namen zu nennen. Es war das Ergebnis des Drucks von Klimaaktivist*innen, vor allem von jungen Menschen und People of Color. Sie forderten eine politische Führung, die sich der Klimarealität stellt. Jetzt, wo der Senat unter demokratischer Kontrolle ist, bietet sich Klimaaktivist*innen die Chance, eine umfassende Klimagesetzgebung durchzusetzen, vielleicht sogar die Anfänge eines Green New Deal. Eine ausgemachte Sache ist das allerdings nicht.

Die Klimagerechtigkeitslinke – Aktivist*innen aus ökologischen, sozialen und politischen Bewegungen – wird sich auch unter der Biden-Regierung und dem neu gewählten Kongress mit dem Klimanotstand auseinandersetzen müssen. Noch dazu prallt sie auf die Reserviertheit neoliberaler Plutokrat*innen, die auf Inkrementalismus beharren.

Nach der Wahlniederlage des Chef-Klimaleugners haben wir die Chance – so gering sie auch sein mag –, das Klimachaos anzugehen und letztlich auch zu überstehen. In Bidens ersten Amtsmonaten wird sich zeigen, was machbar ist. Bewegungen können in diesem kritischen Zeitfenster selbst kleine Erfolge nutzen, um weitere Spielräume für eine umfassende wirtschaftliche und politische Transformation zu erarbeiten. Ein Scheitern in dieser Frage ist für viele Communitys in den kommenden Jahren keine Option. Die Welt steht am Scheideweg zwischen Sozialismus und Barbarei, um es in den Worten von Rosa Luxemburg auszudrücken. Auf die Klimakrise bezogen heißt das: ökologische Gerechtigkeit oder Untergang.

Das Gespenst des Green New Deal

Die ganze Krise hindurch spukt die Vorstellung von einer unumgänglichen Entwicklung für die Zukunft durch die amerikanische und internationale Politik: Es ist das Gespenst namens Green New Deal. Dieses politische Programm ist zum Ansporn wie auch zum Prüfstein für progressive Politiker*innen geworden. Dafür sorgte das Engagement von jungen Menschen, von prominenten Umweltaktivist*innen, von Grassroots-Bewegungen unter der Regie von People of Color sowie der Klimagerechtigkeitsbewegung. Sie bewegt sich zunehmend in Richtung dessen, was man Einheitsfront für Klimagerechtigkeit nennen könnte. Die Grassroots-Aktivitäten sind der Grund dafür, dass sich die politische Landschaft verschoben hat. Hatten die Demokrat*ìnnen kaum eine Vorstellung davon, wie mit dem Klimawandel umzugehen sei, so ist Klimapolitik in der neuen Regierung ganz nach vorne gerückt.

Obwohl die Konservativen auf den Green New Deal einprügeln, sind die Wähler*innen von der Idee überzeugt und verlangen von der Politik weiterhin energische Klimamaßnahmen. Der Gedanke, dass Klimapolitik wirtschaftliche Ungleichkeit und Rassismus gleichermaßen angehen kann und muss, erweitert Spielräume. Denn es geht ja nicht nur um Emissionen, sondern auch um Transformation, Umverteilung und reparative Maßnahmen in der Wirtschaft.

Die Klimapolitik des Washingtoner Establishments drehte sich bisher um die Reduzierung von Kohlenstoffemissionen. Aber diese Strategie ist durchweg gescheitert. Der Green New Deal dagegen vereint Klimalösungen, Investitionen zur Schaffung solider Arbeitsplätze und Gerechtigkeit.. Diese Logik entspringt dem wirklichen Leben. Denn jeder gesellschaftliche Bereich hat mit der Klimakrise zu tun, und diese wiederum mit weißer Vorherrschaft, Kolonialismus und wirtschaftlicher Ungleichheit. Daher dürfen sich Lösungsvorschläge nicht nur mit den Molekülen von Treibhausgasen in der Atmosphäre befassen. Sie müssen auch auf eine gerechte Wirtschaft, eine Gesellschaft, die frei ist von rassistischer Diskriminierung, und auf eine sozialverträgliche Infrastruktur abzielen.

Anfangs scheuten Klimaaktivist*innen davor zurück, sozialpolitische Maßnahmen wie die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum oder Investitionen in die Gesundheitsversorgung mit  der Klimapolitik zu verkoppeln. Doch dann verbreitete sich die Idee von einem Green New Deal. Neue politische Zusammenschlüsse bildeten sich, so zum Beispiel das im Januar 2021 gegründete Green New Deal Network. Das Bündnis umfasst Gruppen wie  Sunrise Movement, Climate Justice Alliance und Indigenous Environmental Network, dazu politische Organisationen wie Indivisible, People’s Action, Working Families Party, herkömmliche Umweltverbände wie Sierra Club und Greenpeace sowie Gewerkschaften wie SEIU International. Der Green New Deal ist global geworden und hat die Zukunftsvision von einem klimafreundlichen Europa mitgeprägt. Und Bemühungen, einen globalen Green New Deal auf die Beine zu stellen, sind im Gange.

Der ursprüngliche New Deal war nicht nur eine Reaktion auf die Große Depression, sondern auch auf jahrzehntelange Kämpfe von Lohnabhängigen und ihren Organisationen. In den Jahren vor dem ursprünglichen New Deal waren Millionen von Arbeiternehmer*innen an massiven Streiks beteiligt, darunter an drei Generalstreiks 1934 in Minneapolis, San Francisco und Toledo sowie in den Jahren 1936 und 1937 an historischen Sitzstreiks in Flint, Michigan, die dann eine Welle weiterer Streiks im ganzen Land auslösten. Die Situation heute ist vergleichbar mit damals. Die Wirtschaft ist zusammengebrochen, und die Ungleichheit nimmt zu. In sozialen Bewegungen kämpfen Menschen für Klimagerechtigkeit und für die Verteidigung Schwarzer Leben.

Die Bewegungen von heute haben noch nicht die Ausmaße der militanten sozialen Bewegungen um die letzte Jahrhundertwende erreicht. Gleichwohl wachsen sie. Im September 2019 beteiligten sich in den USA Millionen von Menschen an den Klimastreiks von Jugendlichen. Im Sommer 2020 erfassten die Black-Lives-Matter-Proteste das Land und dann die Welt. Die Graswurzel-Aktivitäten in den nicht-weißen Communitys waren 2020 so stark ausgeprägt, dass sie wahlentscheidend wirkten. Nicht zuletzt sind die Klimabündnisse, die sich für gerechte und faire Lösungen einsetzen, breit angelegt und stimmen in puncto Klima, Wirtschaft und Gerechtigkeit überein. Aus dem ursprünglichen New Deal wäre die Lehre zu ziehen, dass sich transformative Lösungen nicht zufällig ergeben. Sie kommen dann zustande, wenn sich Massen von Menschen dafür einsetzen.

In diesem Jahr werden mehr Klimaschutzmaßnahmen ergriffen werden als je zuvor. Schon jetzt aber wird das Zeitfenster für einen Erfolg aus wissenschaftlicher Sicht immer kleiner. Die Regierung von Präsident Biden steht auf dem Prüfstand, ob sie ihr Versprechen, die Klimakrise zu bewältigen, auch erfüllt. Ein Weißes Haus und beide Kongresskammern, kontrolliert von Demokrat*innen, bedeutet, dass Bewegungsdruck möglich und außergewöhnliche Gesetze durchsetzbar sind. An manchen Stellen kann die Klimagerechtigkeits-Linke den Hebel ansetzen, ihre Einflussmöglichkeiten erweitern, den Machtzuwachs nutzen und Erfolge mit generationenübergreifenden Konsequenzen bewirken. Selbst mit politischen Punktsiegen können wir die Grenzen des politisch Möglichen in Richtung des materiell Notwendigen aufsprengen. Klimagerechtigkeitsaktivist*innen, Bündnisse und Organisationen müssen alles aufbieten, damit unsere Bewegungsinfrastruktur und unsere Macht wachsen.

Die Klimapolitik, die wir unter den gegebenen Bedingungen erkämpfen können, wird nicht die Ausmaße eines Green New Deal haben. Selbst ein Green New Deal wird nicht ausreichen, damit es zur Abkehr von extraktiver, weißer Vorherrschaft und kolonialer Hegemonie und hin zur Transformation der Wirtschaft kommt. Klimaaktivist*innen und Politik sind sich im Prinzip darin einig, dass Klima- und Energielösungen im Mittelpunkt eines Green New Deal stehen müssten. Sein transformatives Potenzial geht jedoch weit über Klima und Energie hinaus. Wenn wir von einer gerechten und fairen Wirtschaft sprechen, meinen wir ein gut ausgebautes soziales Netz, die wiederhergestellte Beziehung zur Umwelt und ein gutes Leben für alle.

Klimapolitische Debatten verkommen oft zu technokratischen Planspielen in der Energiepolitik Deshalb sollten wir uns den Spielräumen zuwenden, die unbeachtet geblieben sind und gleichwohl das Potenzial für machtpolitische Erfolge bergen. Genau von dort aus ließe sich der Green New Deal in Richtung ökologischer Gerechtigkeit erweitern.

Der Weg zum Erfolg

Für die Klimagerechtigkeitsbewegung ist genau der richtige Augenblick gekommen. So lautet das wirkmächtige Narrativ, Joe Biden habe ein Mandat für Klimalösungen der Stärke von Klimaaktivist*innen zu verdanken. Im Jahr vor der COVID-19-Pandemie wurde die Welt Zeuge, wie Millionen von Menschen auf die Straßen gingen und Klimaschutzmaßnahmen forderten. Es war der Höhepunkt von jahrzehntelangem Umweltaktivismus. Wenn Biden in die Fußstapfen von Roosevelt tritt, dann nicht aus eigenem Antrieb, sondern weil ihn die Bewegungen dazu veranlassen. Bündnisse wie NY Renews in New York, das Gulf South for a Green New Deal und das US-weite Green New Deal Network bilden um den Green New Deal eine Art Einheitsfront. Sie könnte von der kommunalen Ebene bis in die Regierungspolitik hinein eine erhebliche politische Macht gewinnen. Die Bewegung für Umweltgerechtigkeit verfügt aufgrund ihrer langen Organisationsarbeit jetzt über einen nie dagewesenen Zugang zum Weißen Haus und findet bei Verbündeten im Kongress Gehör.

Taylor Schilling, Jane Fonda, Khadouna und Kyra Sedgwick bei einer Klimawandeldemonstration am 6. Dezember 2019 in Washington, DC. (Foto: John Lamparski / Getty Images)

Unsere Bewegungen werden 2021 nicht alles durchsetzen. Aber wir können in klimapolitischen Auseinandersetzungen unsere Infrastuktur stärken und somit besser ausgerüstet in die nächsten Kämpfe ziehen. Georgia ist nicht von ungefähr blau (die symbolische Farbe der US-Demokrat*innen, Anm. d. Ü.) geworden. Schwarze Politiker*innen und Aktivist*innen hatten ein politisches Ökosystem errichtet, das Schwarze Wähler*innen über Jahre hinweg aktivieren konnte. Das führte zu dem politischen Wandel, der uns vielleicht vor der Klimakatastrophe bewahrt hat. Macht aufzubauen bedeutet die Möglichkeit, um politische Macht zu ringen und Projekte zu entwickeln, die auf ökologische Gerechtigkeit abzielen. In diesem Jahr und in den kommenden Jahren müssen wir die politische Arbeit noch schneller angehen, bewusst, aggressiv und sogar rücksichtslos sein, um jede politische Gelegenheit beim Schopf zu packen und bei jedem Schritt in die Infrastruktur der Bewegung zu investieren.

Zweitens ist die Biden-Regierung durchaus empfänglich für eine progressive Klimapolitik. Aber erfahrungsgemäß werden die klimapolitischen Vorschläge der neuen Regierung nicht ausreichen. Bidens Klimaprogramm hat zwar einiges zu bieten, umfasst aber nicht die ganze Bandbreite dessen, was mit einem Green New Deal möglich wäre. Selbst mit der Demokrat*innenmehrheit im Kongress wird er im ersten Amtsjahr die meisten Versprechen nicht einhalten können. Denn Konservative, Zentrist*innen und unternehmerfreundliche Kräfte werden progressive Vorhaben zu vereiteln versuchen. Dennoch ist diese Regierung unsere einzige Chance, Klimapolitik auf Bundesebene positiv zu beeinflussen.

Politikexpert*innen bringen immer wieder Investitionen und Standards als Grundlagen einer Energiewende ins Spiel, und Bidens Klimapläne bestätigen sie. Wir haben mutige Verbündete im Kongress, die zu Gesetzesentwürfen über Elektrofahrzeuge, Energiepolitik und Großinvestitionen in erneuerbare Energien bereit sind. Um ein Maximum aus dieser Regierung herauszuholen, müssen wir uns klar darüber sein, wo die Biden-Regierung Aufgeschlossenheit zeigt und dort den Hebel ansetzen. Aber wir müssen auch dafür sorgen, dass das, was einen Green New Deal wirklich transformativ macht, der Klima- und Energiepolitik gewissermaßen huckepack aufgeladen wird, zum Beispiel Boden- und Landwirtschaftspolitik, Investitionen in den Gesundheitssektor und eine soziale Umverteilungspolitik. Es ist Aufgabe der Bewegungen, dem Gespenst des Green New Deal transformative Vorhaben “anzuheften”. Dann wissen alle, worum es uns geht und wofür wir kämpfen.

Drittens führen die Auseinandersetzungen direkt dort, wo fossile Brennstoffe gefördert und die Klimakatastrophe weiter angeheizt wird, zu unhaltbaren Konfliktsituationen. Die von der Indigenen-Bewegung angeführten Proteste gegen Pipelines wie Keystone XL, die Dakota Access Pipeline und Line 3 in Minnesota werden an Schärfe gewinnen. Dabei kann die indigene Bewegung mit Deb Haaland in der Regierung auf eine wichtige Verbündete zählen. Der Jahrzehnte währende Druck, die Förderung fossiler Brennstoffe zu stoppen, veranlasste große Finanzinstitute rund um den Globus zum Abzug von Geldern aus diesem Sektor. Biden selbst hat sich öffentlich dazu verpflichtet, Gebiete in Staatsbesitz nicht mehr zu verpachten und die Subventionen für Öl und Gas zu beenden. Wenn sich der Widerstand auf die Biden-Regierung konzentriert, könnte der Abbau fossiler Brennstoffe schneller gedrosselt werden. Zu einer umfassenden Klimapolitik gehört es, die Hegemonie fossiler Brennstoffe politisch zu brechen. Entsprechende Maßnahmen sind der Abbau von Förderinfrastruktur und ein Subventionsstopp.

Schließlich könnten solche Erfolge einer Branche, die vor dem Kollaps steht, den letzten Schlag versetzen: In der fossilen Brennstoffindustrie fallen die Öl- und Gaspreise. Die Divestment-Bewegung nahm ihr die moralische Glaubwürdigkeit weg. Der wirtschaftliche Zusammenbruch führte zu großflächigen Insolvenzen und zur Entlassung von Zehntausenden Beschäftigten in der Ölindustrie.

Diese Risse in der Hegemonie fossiler Brennstoffe muss sich die Klimalinke ohne zu zögern zunutze machen. Gleichzeitig hat sie darauf zu achten, dass der Ausstieg aus diesem instabilen Sektor für die Beschäftigten mit einem gerechten Übergang gestaltet wird.

Befreie das Land

Erfolgversprechend sind Boden- und Landwirtschaftspolitik. Denn als wichtige Bestandtteile des Green New Deal tragen sie enormes Potenzial für eine Politik, die ihre Wirkung von außen nach innen zum politischen Zentrum hin entfaltet. Sie sind sogar entscheidend für den Aufbau von Macht auf dem Weg zu einem Green New Deal. Die Linke in der Klimabewegung könnte Bündnisse mit Bewegungen für Ernährungsgerechtigkeit, mit kleinbäuerlichen Gemeinden, indigenen Aktivist*innen und Umweltschützer*innen bilden. Erfolge in der Boden-, Landwirtschafts- und Naturschutzpolitik wären beispielweise Reparationen für vertriebene Gemeinschaften von Schwarzen und Indigenen und die Wiederherstellung von Ökosystemen, die Staat und Konzerne zerstört haben.

Mit Mut könnte Innenministerin Deb Haaland politische Entscheidungen treffen, die die nachhaltige Bodenbewirtschaftung fördern und dabei indigene Souveränitätsrechte achten. Dass sie im Amt ist, schafft gute Voraussetzungen für die Durchsetzung der am weitesten auf Gerechtigkeit abzielenden Ansätze im Green New Deal. Die Ausweitung indigener Souveränitätsrechte und die Zusammenarbeit mit den Stämmen bei der Landfrage – in der ursprünglichen Kongress-Resolution zum Green New Deal bereits enthalten – wären eine deutliche Abkehr von der siedlerkolonialen Landaneignungspraxis in den USA.

Dabei kann eine radikale Aufwertung von staatlichem Land  in der Öffentlichkeit die Wahrnehmung von Gemeinwohl und Regierungsführung zum Positiven hin verändern. Wir könnten die Nationalparks vollständig finanzieren. Wir könnten auch die Wiedereinführung des Civilian Conservation Corps fordern und damit die Beschäftigung Schwarzer und Brauner Jugendlicher in MINT-Fächern und im Naturschutz  unterstützen. Unter Deb Haaland könnte das Innenministerium das “land back” vorantreiben – die Rückgabe von Land an Indigene Stämme und Communitys – mithilfe von Vereinbarungen zur Stammeslandverwaltung, Förderung traditioneller Naturschutzpraktiken und Rückführung von Land an Stämme.

Der Justice for Black Farmers Act zeigt die Potenziale von reparativer und regenerativer Landwirtschaftspolitik. Mit dem Ende 2020 verabschiedeten Gesetz soll die Rückübertragung von Millionen Hektar landwirtschaftlicher Nutzflächen an Schwarze Farmer*innen erleichtert werden.  Schwarze Farmer*innen verloren im letzten Jahrhundert aufgrund der rassistischen Politik von Behörden, etwa dem US-Landwitschaftsministerium, über 90 Prozent ihrer Landflächen. Gesetze wie der Justice for Black Farmers Act können den Weg für Klimalösungen ebnen, die dann wiederum als Modelle für Versöhnung und Wiedergutmachung dienen.

Während sich Chancen wie diese ergeben, wird die Linke für Klimagerechtigkeit mit den Vorgaben einer neoliberalen Regierung zu kämpfen haben. Progressive werden gegen zentristische Demokrat*innen kämpfen müssen, die dem Geld der fossilen Brennstoffindustrie verpflichtet sind. Während Haalands Ernennung von Aktivist*innen in der Klimabewegung und von Indigenen mit Lob bedacht wurde, stieß die erneute Ernennung von Tom Vilsack zum Landwirtschaftsminister auf Hohn und Spott. Vilsack ist ein Freund der großindustriellen Landwirtschaft. Unter seiner früheren Führung betrieb das US-Landwirtschaftsministerium eine rassistische Politik sondergleichen. Wird er sich der Zeit anpassen und in Schwarze, Braune und kleinbäuerliche Gemeinden investieren, oder wird er seine Fehler wiederholen? Wir müssen die politischen Bedingungen verändern, damit solchen Politikern keine andere Wahl bleibt, als auf den Weg zu einem Grünen New Deal einzuschwenken.

„Was können wir heute tun, damit wir morgen das tun können, wozu wir heute nicht in der Lage sind?“ – Paolo Freire

Zu Beginn des Jahres 2021 sind die Bewegung für Klimagerechtigkeit und die antirassistische Bewegung am ehesten zu einer konfrontativen, radikalen Politik bereit. Sie bauen organisiert und in Bündnissen mit anderen politische Macht auf, wie das erfolgeiche Beispiel Georgia zeigt. Gegen die zentristischen und neoliberalen Kräfte, die das Land zurück zur alten Tagesordnung lenken möchten, müssen unsere Bewegungen jede sich bietende Gelegenheit nutzen, um die Macht der Zivilgesesellschaft zu festigen und der Macht des organisierten Kapitals Grenzen zu setzen. Von sich aus werden die Demokrat*innen das Notwendige nicht tun. Wir müssen uns organisieren.

Zu Beginn des Jahres 2021 sind die Bewegung für Klimagerechtigkeit und die antirassistische Bewegung am ehesten zu einer konfrontativen, radikalen Politik bereit. Sie bauen organisiert und in Bündnissen mit anderen politische Macht auf, wie das erfolgeiche Beispiel Georgia zeigt. Gegen die zentristischen und neoliberalen Kräfte, die das Land zurück zur alten Tagesordnung lenken möchten, müssen unsere Bewegungen jede sich bietende Gelegenheit nutzen, um die Macht der Zivilgesesellschaft zu festigen und der Macht des organisierten Kapitals Grenzen zu setzen. Von sich aus werden die Demokrat*innen das Notwendige nicht tun. Wir müssen uns organisieren.

Wir haben die Gelegenheit, mit Lösungsvorschlägen unsere organisatorische Macht noch weiter auszubauen, und wir sollten sie nicht aus der Hand geben. Selbst wenn die Biden-Regierung an ihren Versprechungen scheitert, müssen wir in kleineren Gefechten Grundlagen schaffen, um aus den kommenden politischen Kämpfen siegreich hervorgehen zu können. Wenn manche Aspekte unserer Agenda für ökologische Gerechtigkeit auch unbedeutend wirken – sie sind nicht zu klein, als dass damit nicht Organisations- und Machtaufbau möglich wären.

Wir haben die Gelegenheit, mit Lösungsvorschlägen unsere organisatorische Macht noch weiter auszubauen, und wir sollten sie nicht aus der Hand geben. Selbst wenn die Biden-Regierung an ihren Versprechungen scheitert, müssen wir in kleineren Gefechten Grundlagen schaffen, um aus den kommenden politischen Kämpfen siegreich hervorgehen zu können. Wenn manche Aspekte unserer Agenda für ökologische Gerechtigkeit auch unbedeutend wirken – sie sind nicht zu klein, als dass damit nicht Organisations- und Machtaufbau möglich wären.

Lassen sich dieses Jahr und die Biden-Präsidentschaft denken als Brücken hinüber zu einer anderen, besseren Welt? Wir müssen uns organisieren, die Infrastruktur der Bewegung stärken, radikale und ökosozialistische Testballons steigen lassen und uns der Macht unserer Gegner entgegenstemmen. Gedanklich befinden wir uns vielleicht schon in der Dekade des Green New Deal. Aber materialisieren wird er sich nicht von selbst. Er ist eine Möglichkeit, ein Anfang. Wir müssen ohne Rücksicht auf Verluste jede nur denkbare Gelegenheit nutzen. Denn diese Präsidentschaft könnte unsere letzte Überlebenschance bedeuten.

Adrien Salazar ist seit über einem Jahrzehnt in der Klimagerechtigkeitsbewegung aktiv und kämpft für einen Green New Deal. Er befasst sich mit Kampagnenstrategien für klimapolitische Lösungen, mit Ernährungs- und Umweltgerechtigkeit. Nach seiner Tätigkeit im Thinktank Demos war er 2019 an der Verabschiedung des New Yorker Pioniergesetzes zum Klimawandel beteiligt. Er sitzt im Vorstand des Sustainable Economies Law Center und der Filipino American Coalition for Environmental Solidarity. Darüber hinaus ist er Senior Fellow bei Data for Progress.


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