Beim Denver-Stopp der „Fight Oligarchy“ Tour bildeten sich etwa 5 Stunden vor den geplanten Reden von Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez lange Warteschlangen. Menschen jeden Alters kamen in politischer Kleidung, mit T-Shirts von Bernies Wahlkampagnen 2016 und 2020 sowie AOCs Kampf für reproduktive Rechte und bezahlbaren Wohnraum. Die Anstecknadeln, die verteilt wurden, fingen die Stimmung ein: „Fight fascism, resist Trump!“, „Eat the rich“, und „No one voted for Elon“. Es lag Aufregung in der Luft, eine Vorfreude auf etwas Bedeutendes, das sich anbahnt.

In die Aufregung mischte sich jedoch auch etwas Bedrohlicheres, ein spürbares Gefühl der Beunruhigung und des Unbehagens. Die Anzeichen für ein hartes Durchgreifen der Regierung gegen die Bürgerrechte und das politische System sind zu offensichtlich, um sie zu ignorieren: repressive Maßnahmen gegen Migrant*innen ohne Papiere, neue Maßnahmen gegen LGBTQI+ Gemeinschaften, Verbote inklusiver Sprache, der unzulässige Einfluss von nicht gewählten Beamten, die Auflösung von Regierungsbehörden, das Unterdrücken von Protest und Opposition, oder die (wahrscheinliche) Missachtung gerichtlicher Anordnungen. All diese Maßnahmen haben den Eindruck eines zunehmenden Autoritarismus unter der Trump-Administration genährt. Unter den Teilnehmenden wurde sich zu diesen Maßnahmen ausgetauscht, und noch mehr. Sie diskutierten über die gegenseitige Unterstützung von schutzbedürftigen Familien- und Gemeindemitglieder*innen und darüber, welche Länder möglicherweise einen sicheren Hafen vor den US-Behörden bieten könnten.
Was diese Menschen zu der Kundgebung zog, war ebenso klar.
In der nationalen Politik ist die Opposition gegen die Trump-Regierung spürbar abwesend. Seit Monaten wird die Demokratische Partei von internen Streitigkeiten darüber geplagt, warum die Wahl verloren wurde und wie sie ihre Antwort auf Trump gestalten soll. Der Streit erreichte letzte Woche einen Siedepunkt, als Chuck Schumer, der Vorsitzende des Demokratischen Ausschusses im Senat, mit seinen Kolleg*innen brach und beschloss, einen republikanischen Plan zur Finanzierung der Regierung nicht zu blockieren. Dies goss Öl ins Feuer einer ohnehin schon tobenden Debatte, die durch einen in der New York Times veröffentlichten Meinungsartikel des bekannten Politikberaters James Carville ausgelöst worden war. Carville hatte dazu geraten, die Demokraten sollten sich zurückhalten und die unvermeidliche Implosion der Republikaner abwarten. Dies löste in anderen Teilen der Demokratischen Partei und insbesondere in ihrer Basis große Empörung aus. Die Enttäuschung über den mangelnden Widerstand gegen Trumps Agenda und das Versäumnis, sich dem Ansturm auf die bürgerlichen Freiheiten, die Rechte von Minderheiten und die Rechtsstaatlichkeit entschieden entgegenzustellen, ist weit verbreitet. Viele haben sich gefragt, wann eine alternative Vision zu dem sich entfaltenden Albtraum auftauchen wird.
In diesem Zusammenhang wurde die „Fight Oligarchy“ Tour konzipiert. Im Laufe der vergangenen Woche füllten sich an drei Tagen überbelegte Arenen, Schulen, Amphitheater und Säle in Nebraska, Iowa, Arizona und Colorado. Am letzten Freitagnachmittag in Denver hatte man das Gefühl, dass endlich der lang ersehnte Moment gekommen war, in dem besorgte Bürger*innen ihr intensives Gefühl der Unzufriedenheit und Empörung in etwas Sinnvolles kanalisieren konnten.
Die offizielle Veranstaltung begann mit musikalischen Darbietungen der Freedom Singers und Xiuhtezcatl. Es folgten Reden verschiedener Gewerkschaftsvertreter*innen, in denen sie die Aushöhlung der öffentlichen Dienste in Colorado und die Auswirkungen auf die Menschen und Gemeinden schilderten. Ihre Reden waren feurig, die Reaktion darauf noch viel heftiger.

Als Alexandria Ocasio-Cortez schließlich die Bühne betrat, brach tobender Jubel aus. Sie sprach über ihren Hintergrund, das Aufwachsen in einer Arbeiter*innenfamilie in der Bronx und die Beschäftigung als Kellnerin als junge Erwachsene. Sie sprach über den Schaden, den die umfassende Gier in der US-Gesellschaft angerichtet hat, und wetterte gegen Elon Musk und andere korrupte Milliardäre, wie sie sie nannte. Sie sprach davon, dass die Demokratische Partei die Kurve kriegen müsse, dass ihre Antwort Klassensolidarität beinhalten müsse und dass ihre passive Selbstzufriedenheit nicht akzeptabel sei, vor allem nicht jetzt. Der begeisterte Empfang, den sie in Denver und in anderen Städten erhielt, hat auch dazu beigetragen, Erwartungen zu schüren, dass sie den progressiven Flügel der Demokratischen Partei in Zukunft anführen könnte.

Dann trat Bernie Sanders an das Redner*innenpult. Die Beständigkeit, mit der Sanders über die Jahre hinweg wirtschaftspopulistische Botschaften verkündet hat, macht ihn für sein Publikum glaubwürdig und authentisch. Er wurde verspottet, weil er jahrzehntelang vor oligarchischen Tendenzen in den USA gewarnt hatte. An diesem Tag in Denver argumentierte er jedoch, dass angesichts der aktuellen Entwicklungen das, was einst eine Tendenz war, nun eine ausgewachsene Realität ist. In seiner Rede sprach er sich für einen gerechten Zugang zur Gesundheitsversorgung aus und unterstützte die Rechte der Arbeitnehmer*innen, eine umfassende Reform der Wahlkampffinanzierung, den Widerstand gegen die Macht der Unternehmen und die Besteuerung der Reichen. Der letztgenannte Punkt löste in der Menge laute Sprechchöre aus. Konkret forderte er eine Erhöhung des Mindestlohns, die Schaffung von Arbeitsplätzen durch Investitionen in erneuerbare Energien, eine Garantie, dass Hochschulen und Universitäten gebührenfrei sind, und ein Ende der Waffenlieferungen an die israelische Regierung. Er appellierte an die Zuhörer*innen, sich in ihren Stadtvierteln, in ihren Gemeinden und an ihren Arbeitsplätzen zu organisieren. Und er forderte die Demokratische Partei auf, härter zu kämpfen, den Einfluss der Konzerne zurückzuweisen und das Vertrauen der Arbeiterklasse zurückzugewinnen.

Sanders selbst sagte, dies sei die größte Teilnehmer*innenzahl bei einer seiner Kundgebungen gewesen. Viele Menschen konnten nicht reingelassen werden, da die Kapazität des Veranstaltungsortes erreicht war, was dazu führte, dass Menschen auf Bäume und Laternenpfähle kletterten, um sich einen besseren Blick auf die Redner*innen aus der Ferne zu verschaffen. Entlang des Zauns, der den Veranstaltungsort begrenzte, drängelten sich die Menschen und wetteiferten um einen Platz. Die Medien schätzten die Besucher*innenzahl auf 30.000 bis 34.000. Das war genug für Elon Musk, um unbewiesene Behauptungen aufzustellen, dass die Teilnehmer*innen für ihre Anwesenheit bezahlt wurden.

Manche mögen die Tatsache, dass Bernie Sanders an der Spitze des Widerstands gegen Trump steht, als Zeichen mangelnder Vorstellungskraft einer nachwachsenden Generation innerhalb der Demokratischen Partei deuten. Sicher ist jedoch, dass die Botschaften von Bernie Sanders sich im Laufe der Zeit als beständig erwiesen haben. Er machte den Zuhörer*innen jedoch auch klar, dass es hier nicht um ihn geht, sondern um den Ernst der Lage, in der sich die USA heute befinden. „Denver, eure Anwesenheit hier und heute ist nicht nur für Colorado von Bedeutung. Sie senden eine tiefgreifende Botschaft in die ganze Welt. Die ganze Welt schaut zu, und sie will wissen, ob sich das US-amerikanische Volk gegen Trumpismus, Oligarchie und Autoritarismus wehren wird“. In diesem Moment hat Sanders die Frage auf den Punkt gebracht, mit der sich viele Menschen derzeit auseinandersetzen. Es bleibt abzuwarten, ob dies der Anfang einer Antwort sein kann, und ob sich diese Bewegung ausbreiten kann.
David Williams leitet das Klimagerechtigkeitsprogramm der Rosa-Luxemburg-Stiftung in New York.