August 2, 2023

LOVE in Aktion: Empowerment, Gleichberechtigung und Freiheit für Frauen und Mädchen mit Behinderungen

NOVEL

Die Nationwide Organization of Visually Impaired Empowered Ladies Inc. (NOVEL) ist ein Zusammenschluss von Frauen mit unterschiedlichen Sehbehinderungen, der sich zum Ziel gesetzt hat, alle Menschen, insbesondere Frauen mit Sehbehinderungen, zu vereinen, damit sie selbstbestimmt, intellektuell gerüstet und wirtschaftlich unabhängig sind.

Seit ihrer Gründung arbeitet die RLS NYC mit der Frauenrechtsorganisation MADRE zusammen, um mit Frauen und Mädchen aus der ganzen Welt für Gerechtigkeit und Gleichberechtigung zu kämpfen. NOVEL hat seinen Sitz auf den Philippinen und ist Teil der VIVA Girls Initiative von MADRE zur Förderung von Mädchen und jungen weiblichen Führungskräften.


LOVE in Aktion:
Empowerment, Gleichberechtigung und Freiheit für Frauen und Mädchen mit Behinderungen

Der Kampf um Gleichberechtigung und Freiheit ist ein ständiger Prozess. Für die beiden Werte haben unsere Vorfahren über Hunderte von Jahren hart gekämpft. Sie haben große Opfer gebracht und dabei sogar in Kriegen das Leben gelassen. Ihr mutiger Einsatz zahlte sich vor 75 Jahren für uns alle aus: mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR). Es ist ein wirkmächtiges Dokument und dient uns als Ansporn, weiterhin darauf hinzuarbeiten, dass alle Menschen Freiheit, Gleichheit und ein Leben in Würde genießen können. Dank der AEMR wurden Gesetze, Konventionen und Organisationen zum Schutz der Rechte ausgegrenzter Bevölkerungsgruppen ins Leben gerufen.

CEDAW und die Philippinen

Das Jahr 1979 war mit der Verabschiedung der UN-Frauenrechtskonvention (United Nations Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women, CEDAW) ein bahnbrechender Moment für die Rechte von Frauen. Sie dient Regierungen und anderen Stakeholdern als Orientierungsrahmen. Uns hat sie dabei geholfen, die  Geschlechtergleichstellung voranzubringen und das Empowerment von Frauen und Mädchen zu fördern – einschließlich derer mit Behinderungen. . Denn obwohl Frauen und Mädchen mit Behinderung in der CEDAW nicht ausdrücklich genannt werden, sieht die Konvention die umfassende Förderung und den Schutz der Rechte aller Frauen und Mädchen vor, mit und ohne Behinderungen.

1991 wurde vom CEDAW-Ausschuss die Allgemeine Empfehlung Nr. 18 über behinderte Frauen veröffentlicht. Sie

„empfiehlt, dass die Vertragsstaaten in ihren regelmäßigen Berichten Informationen über behinderte Frauen und über die Maßnahmen vorlegen, die sie ergriffen haben, um ihrer besonderen Situation gerecht zu werden, einschließlich besonderer Maßnahmen, um sicherzustellen, dass sie gleichberechtigten Zugang zu Bildung und Beschäftigung, Gesundheitsdiensten und sozialer Sicherheit haben, und um zu gewährleisten, dass sie an allen Bereichen des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens teilnehmen können.“

Auch in der Allgemeinen Empfehlung Nr. 24 zu CEDAW-Artikel 12: Frauen und Gesundheit werden die Belange und Unterstützungsbedürfnisse von behinderten Frauen betont. Demnach sind die gesundheitlichen Bedürfnisse und Rechte von Frauen, die zu gefährdeten und benachteiligten Gruppen gehören, zum Beispiel Frauen mit Behinderungen, besonders zu berücksichtigen. Empfohlen werden außerdem „geeignete Maßnahmen, um den Zugang älterer Frauen zu Gesundheitsdiensten zu gewährleisten, die den mit dem Altern einhergehenden Behinderungen und Beeinträchtigungen Rechnung tragen“. Schließlich wird empfohlen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, „um sicherzustellen, dass die Gesundheitsdienste auf die Bedürfnisse von Frauen mit Behinderungen eingehen und ihre Menschenrechte und ihre Würde respektieren“.

Im Februar 2023 hatten 189 von 193 UN-Mitgliedsstaaten die Konvention und 114 das Fakultativprotokoll ratifiziert.[1] Auf den Philippinen unterzeichnete die Regierung das CEDAW am 15. Juli 1980 und ratifizierte es am 5. August 1981. Dreißig Jahre nach der Verabschiedung von CEDAW erließ die Regierung das Republikgesetz 9710 von 2010, das auch als Magna Carta für Frauen (MCW) bekannt ist.[2] Es ist eine lokale Auslegung des CEDAW. Im MCW werden Frauen mit Behinderungen als eine der marginalisierten Gruppierungen aufgeführt. Abschnitt 30 des MCW verlangt von der Regierung, kommunale Sozialdienstleistungssysteme und die Entwicklung von Sozialleistungsprogrammen für Frauen mit Behinderungen zu unterstützen. Die Umsetzung ist allerdings noch nicht erfolgt.

Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen

Im Jahr 2006 wurde die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) verabschiedet. Sie soll für die zusätzliche Förderung, den Schutz und die Verwirklichung der Rechte von Frauen und Mädchen mit Behinderungen sorgen. Die Vereinbarung stellte einen internationalen Paradigmenwechsel dar: von philanthropisch und medizinisch orientierten Ansätzen hin zu einem auf Rechten basierenden Ansatz, der Menschen mit Behinderungen als Teil der menschlichen Vielfalt anerkennt.

Sowohl philanthropische als auch medizinisch orientierte Ansätze halten die Beeinträchtigung einer Person für das Problem und für die Ursache dafür, dass sie am gesellschaftlichen Leben nicht vollumfänglich teilnehmen kann. Der philanthropische Ansatz sieht Menschen mit Behinderungen als Objekte, die des Mitleids bedürfen und von der Großzügigkeit und Spenden anderer abhängig sind. Der medizinische Ansatz wiederum sieht Menschen mit Behinderungen als „kaputte“, „defekte“ oder „kranke“ Individuen, die in gewisser Weise repariert oder geheilt werden müssen, damit sie produktive Mitglieder der Gesellschaft werden. Unterstützung für Menschen mit Behinderungen wird auf medizinische Eingriffe und Therapien reduziert, damit ihre Beeinträchtigung geheilt wird oder sie nicht mehr so aussehen, als hätten sie eine. Bei diesem Ansatz übernehmen medizinische Fachkräfte schlichtweg das Leben und die Entscheidungsautonomie von Menschen mit Behinderungen. Dieser Ansatz darf nicht mit dem Recht auf Zugang zur Gesundheitsversorgung und zu medizinischen Dienstleistungen verwechselt werden. Weder der philanthropische noch der medizinisch orientierte Ansatz ist der Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen zuträglich. Keiner von beiden fördert eine sinnstiftende Teilhabe und Inklusion in allen Lebensbereichen. Oftmals erkennen diese Ansätze Menschen mit Behinderungen sogar das Recht ab, ein Leben in Würde und Unabhängigkeit in der Gemeinschaft zu führen.

Der soziale und vor allem rechtebasierte Ansatz, der in der UN-BRK verankert ist, sieht das Problem dagegen in einstellungs- und umweltbedingten gesellschaftlichen Barrieren, die beseitigt werden müssen. Artikel 3 (Allgemeine Grundsätze) der UN-BRK unterstreicht die Handlungserfordernisse, damit Menschen mit Behinderungen ein gleichberechtigtes Leben in Würde und Unabhängigkeit führen können. Ein auf Behindertenrechten basierender Ansatz entsprechend der UN-BRK erkennt die intersektionalen Identitäten von Frauen und Mädchen und die vielfältigen Diskriminierungsformen an, denen sie ausgesetzt sind. Die UN-BRK legt einen Schwerpunkt auf die Gender-Perspektiven und betont, dass diese in alle politischen Maßnahmen, Programme und Dienstleistungen einzufließen hätten, damit Menschen mit Behinderungen spezifisch und inklusiv Berücksichtigung finden. Um gegen die vielfältigen Formen von Diskriminierung vorzugehen, erfolgt außerdem die Förderung von Frauen und Mädchen bei der Übernahme von Führungsrollen und bei der Mitwirkung in allen öffentlichen und privaten Einrichtungen.

Der Kampf von NOVEL für die Menschenrechte

Trotz dieses Fortschritts sind Frauen mit Behinderungen wegen ihrer ineinandergreifenden Identitäten Diskriminierungen ausgesetzt – weil sie Frauen sind, weil sie behindert sind und weil sie in Armut leben.

Auf den Philippinen setzt sich die Nationwide Organization of Visually-Impaired Empowered Ladies (NOVEL), der sich Frauen mit unterschiedlichen Sehbehinderungen angeschlossen haben, für die Rechte von Frauen und Mädchen mit Behinderungen ein. Die Grundsätze und Aktivitäten von NOVEL entsprechen denen von AEMR, CEDAW, UN-BRK und anderen Menschenrechtsübereinkünften. NOVEL wurde gegründet, um die vollständige Inklusion und Teilhabe von Frauen, Mädchen und nicht-binären Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen zu fördern. Als Teil von NOVEL legen wir großen Wert auf verstärkte Präsenz und erhöhte Sichtbarkeit, wenn wir uns in Diskussionen und Entscheidungen als Beteiligte oder federführend einbringen, innerhalb und außerhalb von Familie und Haushalt.

Die Organisation setzt sich in Solidarität mit behindertenübergreifenden und Frauenbewegungen für eine geschlechter- und behindertengerechte Entwicklung  ein. Wir wissen um unsere Menschenrechte und um unsere Grundfreiheiten. Darin besteht die Grundlage unserer Menschenrechtsarbeit.  

NOVEL vertritt den Standpunkt, dass die Menschenrechte untrennbar mit dem Konzept der Intersektionalität verbunden sind. Wir betrachten Intersektionalität als den Rahmen für das Verständnis von Identitäten von Menschen und den damit verbundenen Machtverhältnissen. Dieses Verständnis ermöglicht es uns, die äußeren und inneren Kräfte, die sämtliche Facetten des Lebens bestimmen, auszumachen und anzugehen. Intersektionalität fließt als Leitprinzip in die verschiedenen Dimensionen unserer Arbeit ein. Damit verschaffen wir Gender- und Behindertenperspektiven in vielerlei Hinsicht Geltung: bei umfassenderen gesellschaftlichen n Themen, bei der Auswahl unserer Projektpartner:innen, bei Anforderungen an die Barrierefreiheit und an die Unterstützung unseres Teams und unserer Mitarbeiter:innen, bei unserer Zusammenarbeit mit anderen Bündnissen sowie der Art und Weise, wie wir unsere Aktivitäten durchführen. Indem wir die Menschenrechtskonventionen als übergreifende Grundlage anerkennen, sorgen wir für  einen mehrgleisigen Ansatz, der mit unseren Werten, Projekten und Bemühungen übereinstimmt.

Obwohl AEMR, CEDAW und UN-BRK festgeschrieben sind und Gültigkeit haben, sind Frauen und Mädchen mit Behinderungen weiterhin der Ungleichheit ausgesetzt, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Die Arbeit von NOVEL umfasst die Förderung der Selbstbestimmung von Frauen und Mädchen mit Behinderungen, die Bündnisarbeit mit behinderten- und frauenübergreifenden Bewegungen und die Förderung einer geschlechter- und behindertengerechten Entwicklung. Damit soll sichergestellt werden, dass alle Frauen und Mädchen unabhängig von ihren Behinderungen die gleiche Freiheit und Gleichheit genießen können wie alle anderen. Die Organisation ermittelt die Zahl der betroffenen Menschen, erhebt Daten über ihre Bedürfnisse bezüglich Barrierefreiheit und Unterstützung und bezieht dabei die gesamte Community mit ein. Dadurch können alle bewusst nachvollziehen, was vielen sonst als Selbstverständlichkeit erscheinen würde.  

LOVE: Das Echo unserer Stimmen

Derzeit arbeitet NOVEL auf den Philippinen an einem Projekt mit dem Titel „Let Our Voices Echo (LOVE): Inklusive Zukunftgestaltung von Frauen und Mädchen mit Behinderungen in Laoang, Northern Samar“. Laoang ist eine Gemeinde in Northern Samar auf der philippinischen Inselgruppe Visayas. Im Jahr 2022 hatte Laoang 65.650 Einwohner:innen, von denen 693 Menschen mit Behinderungen waren. Von den Menschen mit Behinderungen waren 313 Frauen und 380 Männer, darunter 82 Kinder.

Dabei arbeiten wir mit Viva Girls von MADRE zusammen. LOVE bestärkt Frauen und Mädchen mit Behinderungen in ihrer Selbstbestimmung, damit sie sich lautstark und stolz für ihre Rechte einsetzen. Über die Einbindung weiterer Interessengruppen soll die aktive Teilnahme und Einbeziehung von Frauen und Mädchen mit Behinderungen erleichtert werden. Sie werden für den Abbau von einstellungsbedingten und institutionellen Barrieren kämpfen und dafür sorgen, dass Informations-, Kommunikations- und Technologiebarrieren sowie physische und umweltbedingte Einschränkungen, die eine sinnvolle Teilhabe behindern, überwunden werden können. Sie hoffen, aus Laoang in Northern Samar ein kommunales Modell für Barrierefreiheit und Inklusion von Frauen und Männern mit Behinderungen zu machen.

NOVEL praktiziert eine gemeinschaftsbasierte inklusive Entwicklung und folgt dabei zehn Grundsätzen. Acht davon stammen aus den allgemeinen Grundsätzen der UN-BRK, die anderen beiden sind Empowerment beziehungsweise Selbstbestimmung sowie Nachhaltigkeit. Bei der Zusammenarbeit mit Projektpartner:innenn, wie im Fall des Projekts LOVE, strebt NOVEL eine Partnerschaft an, bei der die Projekte nicht der Organisation alleine zugeschrieben werden. Denn Ziel ist es, die Eigenverantwortung der Gemeinschaft zu fördern und ihre Langlebigkeit für die absehbare Zukunft zu gewährleisten. Die enge Zusammenarbeit mit den Projektpartner:innen schließt die gründliche Beratung und aktive Beteiligung in jeder Phase mit ein. NOVEL legt das Hauptaugenmerk auf eine verstärkte Beteiligung von jungen Frauen und Mädchen mit Behinderungen. Angestrebt wird ihre kontinuierliche und verstärkte Einbeziehung in alle Abläufe sowie ein Mehr an Selbstentfaltungsmöglichkeiten, Wissenserwerb und Talentförderung. NOVEL ist sich der begrenzten Finanzierungsmöglichkeiten durch MADREs Viva Girls bewusst und setzt sich deshalb weiterhin für eine nachhaltige Unterstützung von Frauen, Mädchen, ihren Familien und Schulen ein. Zu diesem Zweck arbeitet die Organisation aktiv mit verschiedenen staatlichen Stellen und Nichtregierungsorganisationen zusammen, die dabei jeweils eine bestimmte Rolle übernehmen.

Menschenrechte Wirklichkeit werden lassen

Der Kampf um Gleichberechtigung und Freiheit ist noch lange nicht vorbei, vor allem für diejenigen, die aufgrund ihres Geschlechts und ihrer Behinderung diskriminiert werden. Es gibt jedoch Menschen, die Frauen mit Behinderungen behilflich sind, ihre Stimmen hörbar werden zu lassen. Die Nationwide Organization of Visually-Impaired Empowered Ladies (NOVEL) Aist eine solche Gruppe, die auf den Philippinen eine Vorreiterrolle spielt. Das LOVE-Projekt zielt darauf ab, Frauen und Mädchen mit Behinderungen zu befähigen, laut und stolz für ihre Rechte einzutreten. Dadurch wird eine Welt erfahrbar, in der alle Menschen – unabhängig von ihren Fähigkeiten oder ihrem Geschlecht – Gleichheit und Freiheit genießen können. Lasst uns weiter für die Rechte aller Menschen kämpfen, damit wir wirklich in einer gleichen und freien Welt leben können.

Die Wirkung und Rolle der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ist heute viel größer, als uns bewusst ist. Einem Dominoeffekt gleich führt sie uns zusammen, hin zur Verwirklichung der Menschenrechte und Grundfreiheiten – Schritt für Schritt.

Schätzt du Gleichheit und Freiheit auch heute noch?

Ja! Sie schmecken gut. Aber noch besser sind sie, wenn andere sie auch genießen können!

Ein Hoch auf das 75. Jahr der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte!


[1] Die USA, der Sudan und Palau haben es zwar unterzeichnet, aber nicht ratifiziert. Iran, Somalia, Niue, Vatikanstaat und Tonga haben es nicht unterzeichnet.

[2]R.A. 9710 – https://lawphil.net/statutes/repacts/ra2009/ra_9710_2009.html


Top photo: AP Photo/Bullit Marquez


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