Seit über einem Jahrzehnt arbeitet das New Yorker Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS-NYC) mit MADRE zusammen – einer feministischen Förderstiftung, die basisorientierte Bewegungen weltweit unterstützt. Unser gemeinsames Anliegen ist es, feministischen Basisaktivistinnen sowie indigenen und anderen marginalisierten Frauen Gehör und Zugang zu UN-Gremien zu verschaffen. Wir begreifen dies als Prozess in beide Richtungen. Die Teilnahme an UN-Konferenzen wie der Frauenrechtskommission (CSW), dem Ständigen Forum für indigene Angelegenheiten (UNPFII) oder der UN-Klimakonferenz (COP) ermöglicht es Frauen, direkt mit politischen Entscheidungsträger*innen, UN-Vertreter*innen sowie zivilgesellschaftlichen Akteur*innen in Kontakt zu treten. Umgekehrt tragen unsere Delegationen das dort gewonnene Wissen sowie Informationen über UN-Prozesse und internationale Abkommen, die ihre Regierungen unterzeichnet haben, in ihre Länder zurück. Auf diese Weise können Feministinnen ihre Regierungen stärker in die Verantwortung nehmen.
Die Frage nach der Wirksamkeit dieser Bemühungen lässt sich mit einem klaren Ja beantworten. Einer der bedeutendsten Erfolge war die Allgemeine Empfehlung Nr. 39 (2022) zu den Rechten indigener Frauen und Mädchen in der Frauenrechtskonvention (CEDAW). Diese Empfehlung wurde nach jahrelangen Advocacy-Bemühungen angenommen, in Gänze von indigenen Frauen geleitet und unterstützt von der Rosa- Luxemburg-Stiftung. Die Allgemeine Empfehlung erkennt die spezifischen Rechte indigener Frauen und Mädchen an, ebenso wie die intersektionalen Diskriminierungsformen, denen sie ausgesetzt sind, sowie ihre Rolle als Wissensträgerinnen und Führungspersönlichkeiten in ihren Gemeinschaften. Heute sind unsere indigenen Partnerinnen in der Lage, ihre nationalen Regierungen – zumindest jene, die CEDAW ratifiziert haben – in die Verantwortung zu nehmen, wenn sie ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht nachkommen.
Genau dies machten unsere Partnerinnen im März dieses Jahres, als sie zur Teilnahme an der Frauenrechtskommission nach New York reisten. Die Allgemeine Empfehlung Nr. 39 des CEDAW-Übereinkommens war Thema in mehreren Advocacy-Gesprächen, die RLS-NYC und MADRE für unsere Delegation indigener Frauen aus Guatemala, Palästina und dem Irak in die Wege geleitet hatten. Unsere Partnerinnen konnten zudem direkt mit UN-Organisationen wie UN Women sowie mit Regierungsvertreter*innen über Themen sprechen, die sie, ihre Gemeinschaften und ihre Arbeit unmittelbar betreffen.
Insbesondere der Zusammenhang zwischen Feminismus – einschließlich feministischer Außenpolitik – und Sicherheit war wiederholt Thema. Die Teilnahme an diesen Gesprächen und der direkte Austausch mit unseren Partnerinnen macht deutlich: Nachhaltige Sicherheit kann nirgendwo hergestellt werden, wenn Frauen nicht mit am Verhandlungstisch sitzen, und wenn bei Friedensförderung und Konfliktlösung feministische Perspektiven nicht berücksichtigt werden.
Unsere Partnerinnen berichten immer wieder von ihren Erfahrungen nach ihrer Rückkehr in ihre Heimatländer. Ihre lokalen und nationalen Advocacy-Aktivitäten erhalten mehr Gewicht, wenn sie aktiv an UN-Prozessen teilgenommen haben. So wird ihnen bei Diskussionen über den Klimawandel sowohl innerhalb der Communities wie mit Regierungsvertretern größere Glaubwürdigkeit zugemessen, wenn sie zuvor an einer UN-Klimakonferenz (COP) teilgenommen haben.
Über das Verständnis der internationalen rechtlichen Verpflichtungen ihrer Staaten hinaus unterstützen RLS und MADRE die Partnerinnen dabei, die Zusammenhänge zwischen Themenfeldern innerhalb des UN-Systems besser zu verstehen. Indigene Rechte, Frauenrechte und die Klimakrise sind offensichtlich miteinander verknüpft. Doch es ist entscheidend zu wissen, wie diese Themen in unterschiedlichen UN-Foren berücksichtigt werden – oder eben nicht –, um wirksamere Advocacy-Strategien zu entwickeln.
Neben der direkten Advocacy-Arbeit ist die Förderung internationaler feministischer und indigener Solidarität ein zentrales Element der Kooperation zwischen der Rosa Luxemburg Stiftung und MADRE. In unserer 13-jährigen Partnerschaft haben wir mit Frauen aus Kolumbien, Nepal, den Philippinen, Kenia, Sudan, Tansania, Panama, Guatemala und weiteren Ländern zusammengearbeitet. Obwohl es sprachliche und kulturelle Hürden gibt, gelingt es unseren Partnern, ihre Gemeinsamkeiten zu erkennen, bewährte Praktiken zu teilen und nachhaltige Beziehungen aufzubauen und zu vertiefen.
Über begleitende Veranstaltungen, Empfänge und weitere Vernetzungsgelegenheiten ermöglichen die Stiftung und MADRE unseren indigenen Partnerinnen, ihre Erfahrungen mit einem breiten und diversen Publikum zu teilen, darunter Vertreter*innen der Zivilgesellschaft, UN-Organisationen, Regierungen sowie die interessierte Öffentlichkeit. Allzu häufig werden indigene Stimmen – insbesondere die von Frauen und Mädchen – in politischen und zivilgesellschaftlichen Entscheidungsprozessen übergangen. Wir setzen uns dafür ein, diese Stimmen ins Zentrum zu rücken. Denn sie sind mit entscheidend für die Entwicklung nachhaltiger und wirksamer Lösungen angesichts von gewaltsamen Konflikten, Klimakrise und Faschismus.
Ein zentrales Prinzip der Rosa Luxemburg Stiftung ist der Aufbau linker internationaler Solidarität. Die Zusammenarbeit mit MADRE im New Yorker Büro verkörpert dieses Prinzip aus feministischer und indigener Perspektive. Wir sind außerordentlich stolz auf das, was unsere indigenen Partnerinnen erreicht haben: auf die Netzwerke, die sie untereinander und mit nicht-indigenen Feministinnen aufgebaut haben, und auf ihre Fähigkeit, den Zugang zu UN-Prozessen und das dort erworbene Wissen zu nutzen, um für Veränderungen in ihren Communities zu sorgen.
Maria Savel ist Projektmanagerin bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung in New York und sie arbeitet zu den Themen Reproduktive Gerechtigkeit, Geschlechtergerechtigkeit, Außenpolitik und Multilateralismus.
Übersetzung: Max Böhnel