Seit den frühen 1990er Jahren dominiert die Idee, dem CO2-Ausstoß ein Preisschild umzuhängen, den Kampf gegen den Klimawandel durch die Reduktion von Treibhausgasemissionen. Sei es durch CO2-Steuern oder durch Emissionshandel mit festen Obergrenzen (sogenannte „Cap-and-trade“-Systeme, kurz: ETS) – die Befürworter der Kohlenstoffpreissetzung sehen diese Strategie als Möglichkeit, Investitionen in umweltfreundliche Lösungen zu fördern, jedoch ohne staatliche Einmischung in die Wirtschaft. Unternehmer und neoliberale Entscheidungsträger schätzen das Emissionshandelssystem insbesondere, um Emissionen zu reduzieren, ohne Business-as-usual zu beeinträchtigen.
Vor diesem Hintergrund sind die Erwartungen an ETS hoch. Die im Dezember in Paris von der Weltgemeinschaft unterzeichnete Klimavereinbarung verankert das Emissionshandelssystem als Schlüsselmechanismus zur Reduzierung von Emissionen. Doch wie nützlich sind ETS als Instrument zur Emissionsreduzierung wirklich? Und wie sollten Gewerkschaften die Debatten rund um den Emissionshandel angehen?
Vor einem Jahrzehnt hat die Europäische Union das weltgrößte Emissionshandelssystem geschaffen, dessen Ergebnisse eine Grundlage bietet für die Re-Evaluierung der Position von Gewerkschaften hinsichtlich der ETS. Als Folge der Finanzkrise von 2008 waren die Preise für Treibhausgasemissionen innerhalb der EU zu gering, um Investoren zum Verzicht auf fossile Brennstoffe zu bewegen. Der Europäischer Gewerkschaftsbund (EGB) – ein Befürworter des EU-Emissionshandelssystems – fordert eine Erhöhung der Emissionspreise, und beklagt zugleich das „carbon leakage“, die Verlagerung der umweltverschmutzenden Aktivitäten (und damit verbundene Arbeitsplätze) in Regionen mit weniger strengen Vorschriften. Diese Position lenkt die gewerkschaftlichen Debatten zum EU-Emissionshandel ohne die grundlegenden Konflikte anzugehen – geschweige denn, die EU-Politik in irgendeiner Weise zu verändern. Angesichts der zusätzlichen Aufwertung des Cap-and-trade-Konzepts durch die Pariser Vereinbarung müssen sich Gewerkschaften weltweit auf ähnliche Debatten einstellen.
In diesem Diskussionspapier der Initiative Gewerkschaften für Energiedemokratie argumentiert Sean Sweeney, Direktor des Internationalen Programms für Gewerkschaften, Klima und Umwelt am CUNY Murphy Institute, dass es für Gewerkschaften an der Zeit ist, ihre Haltung zum Emissionshandel zu überdenken. Marktbasierte Lösungen mögen reizvoll für Wirtschaftsvertreter und ihre politischen Verbündeten sein, doch für einen Wandel hin zu einer gerechten, demokratischen und nachhaltigen Energieversorgung bedarf es wirksamer staatlicher Maßnahmen. Der angeschlagene neoliberale Konsens widerspricht der staatlich-kommunalen und demokratisch organisierten Kontrolle der Energieversorgung. Aber wir brauchen genau das, wenn wir es ernst mit dem Kampf gegen den Klimawandel meinen.