Der aktuelle Aufschwung der US-amerikanischen Arbeiter*innenbewegung hat dazu geführt, dass Arbeiter*innen so viel Macht haben wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Das wurde durch große Streiks und Vertragsabschlüsse in allen Sektoren deutlich. Besonders hervorzuheben ist die Reformbewegung innerhalb der Automobilarbeiter*innengewerkschaft UAW, die deren Wiederbelebung und ihren großen erfolgreichen Streik möglich gemacht haben, aber auch die Hollywood-Streiks im Jahr 2023. Das Wachstum der Bewegung hat zu einer verstärkten politischen Aufmerksamkeit für die Kämpfe und gewerkschaftlichen Organisierungsbemühungen der Arbeiter*innen durch die beiden großen politischen Parteien geführt, die um deren Unterstützung konkurrieren.
Für die Linke ist die Kraft der Arbeiter*innenbewegung der USA ein wesentlicher Bestandteil beim Kampf für eine gerechtere Gesellschaft. Wir vom New Yorker Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung haben kontinuierlich über die Entwicklungen und Erfolge der amerikanischen Arbeiter*innenbewegung berichtet und mit unseren Partnerinnen und Partnern zusammengearbeitet, um neue Initiativen zu organisieren, die zu diesen Erfolgen beitragen können.
Im Februar 2024 arbeiteten wir mit dem UCLA Labor Center der Universität von Kalifornien zusammen, um mehr als 80 Gewerkschaftsorganisatorinnen und -organisatoren und Arbeiterinnen und Arbeiter aus den Vereinigten Staaten, Mexiko und Kanada in Los Angeles für „Worker Solidarity in Action“ zusammenzubringen: Eine trinationale Gewerkschaftsantwort auf das Freihandelsabkommen zwischen den Regierungen der USA, Kanadas und Mexikos. Während des gesamten Wochenendes fanden ein internationaler Gewerkschaftsdialog und ein Workshop statt, um zu erörtern, mit welchen Herausforderungen die Arbeiterinnen und Arbeiter in allen drei Ländern konfrontiert sind, die geografisch und politisch miteinander verbunden sind. Das neue Freihandelsabkommen USMCA (oder T-MEC auf Spanisch) zwischen den drei Ländern ersetzt das vorherige NAFTA-Abkommen (North American Free Trade Agreement). Durch dieses Handelsabkommen werden die Arbeiterinnen und Arbeiter auch in neuen Sektoren wie der „Gig-Economy“ stärker miteinander verflochten. Diese bieten aber auch neue Möglichkeiten für die Seite der Arbeiterinnen und Arbeiter, wie die Auswirkungen von Streiks gegen App-basierte Unternehmen zeigen. Traditionelle Gewerkschaften waren ebenfalls anwesend, und das Wochenende der internationalen Arbeiter*innensolidarität endete mit der Zusage der County Federation of Labor, einen Solidaritätsfonds von 10.000 Dollar zur Unterstützung der streikenden Audi-Arbeiter*innen in Puebla, Mexiko, einzurichten.
Die Erfolge der Automobilarbeiter*innengewerkschaft UAW haben die Aufmerksamkeit der Politik auf sich gezogen. Ende April veröffentlichte Präsident Joe Biden eine Erklärung, in der er „der UAW und Daimler (Mercedes-Benz Group AG mit Sitz in Stuttgart, Baden-Württemberg) zur vorläufigen Einigung auf einen Vertrag gratuliert“. Es ist historisch gesehen selten, dass sich ein amtierender Präsident zu den Verhandlungen zwischen einem großen Automobilhersteller und einer Gewerkschaft äußert, was die zunehmende Bedeutung der Gewerkschaftsbewegung verdeutlicht. Zu den konkreten Errungenschaften für die 7.300 Beschäftigten im Rahmen des Vertrags gehören Lohnerhöhungen von mehr als 25 % sowie Gewinnbeteiligungen und ein Inflationsausgleich. UAW-Präsident Shawn Fain schlug in seiner Erklärung einen motivierenden Ton an: „Die Beschäftigten von Daimler Trucks haben der Welt gerade gezeigt, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter in den Südstaaten der USA die Kraft haben, aufzustehen und in der LKW-Branche und darüber hinaus einen großen Sieg zu erringen“, womit er auf die Macht dieser historisch gesehen weniger gewerkschaftlich organisierten Region der Vereinigten Staaten hinwies. Dies geschah im selben Monat, in dem die UAW ihre erste erfolgreiche Organisierungskampagne bei einem Automobilhersteller außerhalb der traditionellen „großen Drei“ in Detroit/Michigan (Ford, GM und Stellantis) bekannt gab, als sich die Beschäftigten bei Volkswagen in Chattanooga, Tennessee, mit einer deutlichen Mehrheit für eine gewerkschaftliche Organisierung entschieden.
Die Rosa-Luxemburg-Stiftung unterstützt diese Organisierungsbemühungen seit 2019 dadurch, indem sie mit Partnerinnen und Partnern wie „Organizing for Power“ zusammenarbeitet, die Arbeiter*innen, Aktivist*innen, z.B. in Mieter*innenorganisationen usw. befähigt, um Mehrheiten zu kämpfen, wie es der Organizing-4-Power-Grundlagenkurs ermöglicht. Wir unterstützen auch Arbeiterinnen und Arbeiter aus den USA und Kanada bei der Vernetzung und der Teilnahme an Workshops und Konferenzen, wobei der internationale und insbesondere der transatlantische Dialog im Mittelpunkt steht. Im vergangenen Sommer war uns dies bei „Gemeinsam in Die Offensive“ an der Ruhr-Universität Bochum in Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) möglich und in diesem Sommer werden Kolleginnen und Kollegen der Amazon Workers International mit unserer Unterstützung zu einem internationalen Treffen reisen .
Wir von der Rosa-Luxemburg-Stiftung hier in New York analysieren die Erfolge der Gewerkschaften in den USA und Kanadas, wir helfen bei der Bildung von internationalen Netzwerken und unterstützen Basisorganisationen der nordamerikanischen Arbeiter*innenbewegung. Der Kampf für globale Solidarität und eine gerechtere Welt kann nicht ohne die Unterstützung der Arbeiter*innenklasse stattfinden. Und ihre Stärke zeigt sich in deren derzeitigen Wiederaufleben in den USA.
Julian Lattimore ist Projektmanager bei RLS-NYC und arbeitet zu den Themen Arbeit, Rassengerechtigkeit und Wohnrechte.
Foto: AP Photo/Paul Sancya