Mai 10, 2022

Wir bekommen die UN, die wir finanzieren, nicht die UN, die wir brauchen

Elena Marmo
Wir bekommen die UN, die wir finanzieren, nicht die UN, die wir brauchen: Wie sich die Vereinten Nationen für Privatinvestitionen und vernetzten Multilateralismus geöffnet haben

Am 11. März 2022 hielt der Generalsekretär der Vereinten Nationen António Guterres im New Yorker UN-Hauptquartier anlässlich der abschließenden Konsultation zu seiner Our Common Agenda vor Vertreter*innen der Mitgliedstaaten, dem UN-Personal und anderen Interessenvertreter*innen eine Rede. Er mahnte: «Im Prozess rund um Our Common Agenda liegt eine Chance, dass wir uns zu unseren Grundprinzipien bekennen und zugleich die Praktiken des Multilateralismus für ein neues Zeitalter umgestalten.» Im Bericht heißt es detaillierter, es gehe um «einen inklusiven, vernetzten und wirksamen Multilateralismus».

Der Begriff eines vernetzten Multilateralismus, der in einer Reihe von Multistakeholder-Konsultationen im Februar und März 2022 geprägt wurde, steht einmal mehr für die wachsende Bedeutung der Zusammenarbeit von UN und Privatwirtschaft. Bislang wird unter Multistakeholderismus eine Ausweitung von zwischenstaatlichen Prozessen um eine Vielzahl von Interessenvertreter*innen verstanden: Wirtschaftsverbände, private philanthropische Stiftungen, Zivilgesellschaft und akademische Institutionen – um nur einige zu nennen. Er ist symptomatisch für die Tendenz, Maßnahmen und Ansätze der UN an den Interessen der Privatwirtschaft auszurichten, insbesondere an Profitinteressen und marktförmigen Lösungen, statt an den tatsächlichen Bedürfnissen von Mensch und Planet.

Im Folgenden werden die Finanzierungstrends des UN-Systems skizziert, die den Aufstieg der sogenannten Public-Private-Partnerships (PPP) – Partnerschaften zwischen öffentlichem und privatem Sektor – befördert haben, und deren neueste Erscheinungsform: der vernetzte Multilateralismus. In diesem Zusammenhang gilt es, die potenziellen Risiken und Gefahren eines multilateralen Systems zu beachten, das durch eine limitierte oder zweckgebundene Finanzierung allzu sehr auf die menschen- und völkerrechtlich nur eingeschränkt belangbare Privatwirtschaft angewiesen ist.



Elena Marmo is a Programme Officer at the Global Policy Forum in New York City.


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