November 6, 2015

Risse Im Beton: Linke Wahlerfolge in den Vereinigten Staaten

Ethan Young

Es ist eine seltsame Zeit für die US-amerikanische Linke. Auf den ersten Blick scheinen ihre Gegner äußerst schwach zu sein – zumindest, wenn man sich das Wetteifern um die republikanische Präsidentschaftskandidatur ansieht, bei dem sich eine Reihe von Clowns an Lächerlichkeit – und an Angstmacherei – zu übertreffen sucht. Durch die selbstreferenzielle Dynamik dieses Diskurses entfernen sich die Republikaner dabei immer weiter von der Mehrheitsmeinung und drohen nur noch die Interessen eines schrumpfenden, wohlhabenden weißen Bevölkerungsanteils zu vertreten.

Dennoch hat ebenjene Partei nicht nur 31 von 50 Gouverneursämtern inne, sondern auch die Mehrheit in beiden Häusern des US-Kongresses. Dank ihrer aggressiven und institutionell erfolgreichen Bemühungen, den Zuschnitt der Wahlbezirke zu ihren Gunsten zu verändern und Wählerrechte einzuschränken, werden die Republikaner das Repräsentantenhaus auf absehbare Zeit dominieren. Und dank der Citizens-United-Entscheidung des Verfassungsgerichts und der zunehmenden Dominanz privater Multi-Millionenspenden für Wahlkämpfe – das bekannteste Beispiel hierfür bieten die Koch-Brüder – besteht die reale Chance, dass im Herbst 2016 ein Republikaner ins Weiße Haus gewählt wird.

Auf Seiten der US-Linken sind die Widersprüche nicht weniger ausgeprägt. Die Demokratische Partei hat in fünf der letzten sechs Präsidentschaftswahlen die Stimmenmehrheit gewonnen und ist doch unfähig oder nicht bereit, eine Alternative zur aktuellen neoliberalen Austeritätspolitik zu schaffen. Zweifellos sind die Demokraten in einigen Politikfeldern, etwa in der Sozialpolitik, besser als ihre Gegner. In anderen Bereichen hingegen, beispielsweise mit Blick auf die Außenpolitik oder die finanzielle Abhängigkeit von Großunternehmen, sind sie lediglich das geringere Übel. Insgesamt ist die Partei in der allgemeinen Krise der Politik in Washington gefangen.

Außerhalb des demokratischen Apparats gibt es indes einigen Grund für Optimismus. Occupy Wall Street und Black Lives Matter sind zwei der wichtigsten und potenziell einflussreichsten sozialen Bewegungen unserer Generation. Gleichzeitig hat die Präsidentschaftskampagne des selbst ernannten demokratischen Sozialisten Bernie Sanders die soziale Ungleichheit ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt und auf diese Weise bei vielen Menschen großen Enthusiasmus erzeugt.

Weniger im Fokus der Öffentlichkeit, aber keineswegs weniger bedeutsam, steht die Serie linker Wahlerfolge, die das Establishment der Demokratischen Partei ins Wanken bringen könnten. Die vorliegende Studie von Ethan Young, einem Aktivisten und Autor aus Brooklyn, analysiert die aktuellen Chancen und Herausforderungen für linke Politik auf der lokalen Ebene: die Wahl einer sozialistischen Stadträtin in Seattle und linker schwarz-nationalistischer Bürgermeister in Jackson (Mississippi) und Newark (New Jersey); fortschrittliche Bürgermeisterkampagnen in Chicago und New York; sowie verschiedene Wahlkoalitionen und politische Initiativen von der West- bis zur Ostküste. Sie alle konfrontieren die Politik des „business as usual“ mit neuen Herausforderungen. Welche Erfolgschancen haben sie? Beim Lesen der Studie finden Sie es heraus.


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