Einleitung
Es kann zweifellos festgestellt werden, dass sich die Welt in einer sich verschärfenden und multiplen Krisensituation befindet (Brand 2009). Während in den reichen Industrienationen vor allem Männer immer mehr Vermögen anhäufen, leiden insbesondere in den Ländern des Globalen Südens mehrere Hundert Millionen Menschen an Hunger. Sie können aufgrund ihrer Armut grundlegende Bedürfnisse nicht erfüllen (Oxfam 2022: 16; Welthungerhilfe 2022). Der Klimawandel schreitet in enormem Tempo weiter voran und mit ihm seine negativen Auswirkungen auf Mensch und Natur. Vor allem Bewohner*innen der Länder des Globalen Südens leiden zunehmend unter Erscheinungen, die die klimatischen Veränderungen mit sich bringen. Hitze, Dürre, Trinkwassernot und die Zerstörung der dortigen natürlichen Lebensgrundlagen treten immer häufiger auf (IPBES 2019: 10ff.). Die ungleichen Verhältnisse auf der Welt nehmen immer größere Ausmaße an und werden ständig reproduziert. Die Organisation von Gesellschaft, Politik und Wirtschaft in den reichen Ländern ist in einer globalisierten Welt untrennbar mit sozialen und ökonomischen Verhältnissen in anderen Teilen der Welt verknüpft. Der Reichtum der Länder des Globalen Nordens wird nur möglich durch strukturelle Benachteiligung der Länder des Globalen Südens. Stephan Lessenich spricht in diesem Zusammenhang von Externalisierungsgesellschaften. Die Kosten, die die Lebensweise des Globalen Nordens produziert, werden in Länder des Globalen Südens ausgelagert (Lessenich 2016). Möglich wird dies durch globale Machtverhältnisse, die zulasten des Globalen Südens institutionell strukturiert sind. Die multiple Krise basiert folglich auf diesen globalen Machtverhältnissen. Doch diese ungerechten und zerstörerischen Strukturen sind veränderbar. Ulrich Brand schreibt in diesem Zusammenhang, dass «Krisen immer auf offene Situationen dar[stellen], in denen Selbstverständlichkeiten und politische, ökonomische, kulturelle und sozial-ökologische Herrschaftsverhältnisse infrage gestellt werden können» (Brand 2009: 10).
Um eine gerechtere Weltordnung herzustellen, ist es folglich wesentlich und angebracht, diese Machtverhältnisse herauszufordern und zu verändern. Die Vereinten Nationen (VN) haben seit ihrer Gründung im Jahre 1945 bestehende Machtstrukturen immer wieder herausgefordert. Etwa wurde der Dekolonisierungsprozess wesentlich innerhalb der VN vorangetrieben. Die Ausarbeitung und Formulierung von zentralen Menschenrechten passierte ebenfalls in den Foren der VN. Nach einer kurzen theoretischen Rahmung ordnet diese Studie bisherige progressive Politikansätze und deren Bedeutungen für den Globalen Süden und die VN historisch ein. Darauf aufbauend werden Ansatzpunkte und Potentiale für zukunftsfähige, nachhaltige und gerechte Politik durch die VN formuliert. Insbesondere in der heutigen weltpolitischen Situation, die von Unsicherheiten und Machtkämpfen geprägt ist, sind global agierende Organisationen wie die VN von enormer Wichtigkeit. Die Gestaltung der VN als zwischenstaatliche Organisation, die sich der Herstellung einer gerechten Weltwirtschaftsordnung widmet, kann für bessere Lebensverhältnisse auf der ganzen Welt sorgen. Im Anhang findet sich deshalb abschließend eine Einschätzung der VN-Sonderorganisationen bezüglich ihrer Progressivität. Über die Studie hinweg wird insbesondere die Perspektive der Länder des Globalen Südens in den Blick genommen, um deren Positionen und Vorgehensweisen zu verstehen. Die Studie bietet Impulse für einen breiten internationalen Diskurs für eine von Frieden und Gerechtigkeit geprägte zukünftige Welt.