Januar 15, 2021

Ein Spiel mit hohem Einsatz: die Verteidigung der öffentlichen Bildung

Ujju Aggarwal

Dieser Beitrag ist Teil unserer Artikelreihe „Am Rande des Abgrunds: eine progressive Agenda für die Biden-Ära“.

Vier Jahre lang versuchte die Trump-Regierung, das öffentliche Bildungssystem auszuhöhlen – durch Steuerrechtsänderungen, Privatisierung mittels freier Schulwahl und Gutscheinprogrammen, Angriffe auf Gewerkschaften und Bürgerrechte bis hin zur Standardisierung von Unterrichtsinhalten und Lehrmethoden. Einmal mehr wurde dabei die Bedeutung von Bildung in den USA deutlich. Sie ist eines der letzten öffentlichen Güter wie auch ein entscheidender Kampfplatz für emanzipatorische Bewegungen.

Was müsste die Biden-Administration also bildungspolitisch unternehmen? Diese Frage lässt sich mit Audre Lorde beantworten, dass es einen monothematisch geführten Kampf nicht geben könne, weil wir schließlich auch kein monothematisches Leben führen würden. Die Erziehungswissenschaftlerin Jean Anyon schreibt dazu: „Die Probleme der Institution Bildung ergeben sich aus Krisen in Städten und sind gleichzeitig Ausdruck davon: Armut, Arbeitslosigkeit, niedrige Löhne sowie struktureller Rassismus und Klassismus … ein Blick auf Bildung in der städtischen Umgebung entlarvt die staatliche Politik und damit nicht nur schlechte Schulen, sondern das gesamte Netz an Einschränkungen, denen städtische Familien unterworfen sind“. Der täglich stattfindende Krieg gegen Schwarze, Braune, Immigrant*innen und arme Communitys, der sich in politischen Maßnahmen und Praktiken wie ICE-Razzien (ICE steht für die Zoll- und Einwanderungspolizei Immigration and Customs Enforcement, Anm. d. Ü.) oder Kürzungen von Lebensmittelmarken äußert, ist auch ein systematischer Angriff auf die öffentliche Infrastruktur, etwa Schulen, die als Sozialisationsinstanzen eigentlich für Betreuung und Bildung sorgen sollten.

Öffentliche Schulen kommen historisch gesehen ihrer Verpflichtung nicht nach. Statt für Obhut, Wohlbefinden und Entwicklung zu sorgen, sind sie oft nur Orte von Rassismus und Entfremdung. Gleichzeitig kann in Schulen aber auch ausgefochten werden, welche Form die gesellschaftlichen Beziehungen annehmen. Die weltweite Pandemie rückt nicht nur die Schwachstellen von Schulen ins Blickfeld, sondern auch, wie ausgeprägt die strukturellen Ungleichkeiten mit ihren rassistischen und klassenbezogenen Konfliktlinien sind. Die Krisen des vergangenen Jahres werfen auch Fragen nach der Rolle des Staates und der Bedeutung – und Struktur – der Öffentlichkeit auf. Sie machen es zwingend, über individualistische Lösungsansätze hinauszudenken, wenn es um Probleme geht, die alle betreffen.

Doch dieser Grundgedanke ist angesichts der beschleunigten Version des rassistischen Kapitalismus umso schwerer vorstellbar. So forderte Ex-Bildungsministerin Betsy DeVos beispielsweise, „in einzelne Schüler und nicht in Schulgebäude zu investieren“, was natürlich an Margaret Thatchers berüchtigte Erklärung erinnert, dass „es so etwas wie eine Gesellschaft nicht gibt. Es gibt individuelle Männer und Frauen. Und es gibt Familien.“ Das ist die Logik, von der sich beispielsweise die Initiative „Reimagine Education“ leiten lässt, ein Projekt des Staates New York und der Bill and Melinda Gates Foundation. An dieser Logik ist Bildungsreform seit Jahrzehnten orientiert.

Viele Politikexpert*innen rufen jetzt die Biden-Regierung auf, Bildungsreformen aus der Obama-Zeit aufzugreifen und zum Fahrplan zu machen. Aber die Rückkehr zu einem „normalen“ Neoliberalismus ist das Gegenteil von dem, was wir brauchen. Unter Obama war Race to the Top verabschiedet worden, das gewissermaßen ein Strukturanpassungsprogramm für öffentliche Bildung darstellte, wie auch der Every Student Succeeds Act (ESSA). Letzterer war nichts anderes als eine neu verpackte Version des drakonischen No Child Left Behind Act der Bush-Regierung, der dem Bildungsbereich eine neoliberale Agenda verpasste. Er beinhaltete standardisierte Tests mit hohen Anforderungen für die Klassenstufen 3 bis 8 sowie die freie Wahl der Schule. Neben anderen Maßnahmen hält ESSA diese standardisierten Tests, Leistungslöhne für Lehrer*innen und die Rekrutierung von Soldat*innen an High Schools, die Bundesmittel erhalten, aufrecht. Die Bildungspolitik der Obama-Regierung, die ihre Sparpolitik zur “neuen Normalität“ erklärt hatte, war letztendlich die Ursache für die großen Lehrer*innenproteste, darunter auch wilde Streiks, die in den letzten Jahren das ganze Land erschütterten. Schließlich fiel auch die Gründung von Black Lives Matter in die Obama-Zeit. Mit anderen Worten: Die Normalität, für die die Obama-Regierung stand, war für uns katastrophal.

Streikende Lehrer*innen im Landesparlament von Oklahoma in Oklahoma City am 9. April 2018. (Foto: J Pat Carter / Getty Images)

Was also sollte die Biden-Administration in Sachen Bildung tun? Dem neuen Präsidenten diese schwere Frage zu stellen, würde ans Absurde grenzen. Denn bekanntlich sträubte er sich mit aller Macht gegen die Aufhebung der rassistischen Segregation in Schulen, unterstützte 1994 Verschärfungen im Strafrecht und meinte vor Kurzem zu #defundthepolice, statt der Polizei Geld wegzunehmen, müsse man sie um der größeren “Effektivität” willen mit noch mehr Geld ausstatten. Heute gibt sich Biden als Freund der Bildung und insbesondere der Lehrer*innengewerkschaften. Aber er unterstützte den No Child Left Behind Act sowie 2005 ein Gesetz, das es „Studierenden in finanzieller Notlage fast unmöglich machte, ihre Kreditschulden zurückzuzahlen.“ Es handelt sich auch um eine schwierige Frage, die Vizepräsidentin Kamala Harris zu stellen wäre. Obwohl sie sich auf ihre Eltern beruft, die sich im Schwarzen Freiheitskampf engagiert hatten, trat sie für Maßnahmen ein, die der Freiheit von Schwarzen grundsätzlich entgegenstehen. Dazu gehört eine Regelung, die „Eltern zu Straftätern macht, wenn ihre Kinder mindestens 10 Prozent der Schulzeit versäumen, und sie dann nicht nur mit höheren Geldstrafen, sondern auch zu Gefängnis mit bis zu einem Jahr bestraft.“

Was von der Biden-Regierung zu fordern oder zu erwarten wäre, ist schwierig zu beantworten. Aber dass viel auf dem Spiel steht, unterstreichen die Krisen des vergangenen Jahres. In der Pandemie zeigt sich die große Bedeutung von Schulen für die öffentliche Infrastruktur. Sie ist das Rückgrat der lokalen, staatlichen und nationalen Wirtschaft und damit integraler Bestandteil einer funktionierenden Gesellschaft. Die Pandemie lehrt uns auch, dass alles – und zwar alles – möglich ist und dass wir uns von der radikalen Vorstellungskraft von Aktivist*innen an der Basis leiten lassen müssen.

Seit langem sorgen Eltern, Lehrkräfte und Schüler*innen mit ihrer Organisationsarbeit an der Basis für Veränderungen, die davor für unrealistisch erklärt worden sind. Als es zum Beispiel um standardisierte Tests ging, stützten sie sich auf die Erfahrungswerte von Communitys sowie auf Forschungsergebnisse, die nachweisen, dass solche Prüfungen letztendlich auf „Rassenkunde“ zurückgehen. Sie wiesen nach, dass diese Prüfungsverfahren in vielerlei Hinsicht großen Schaden anrichten. Dass sich so viele Menschen zusammengetan hatten, machte die Aussetzung dieser Tests möglich. Für die Zeit des „Notstands“ in der Pandemie würden sie gestrichen, lauteten entsprechende Entscheide von Bundes- und Einzelstaatsbehörden. Aber es wurden weitere Ziele erkämpft, die anfänglich als „unrealistisch“ bezeichnet worden waren – von mehr Schulkrankenschwestern bis hin zu Räumungsmoratorien. Letztere stellten sicher, dass die Obdachlosigkeit unter Schüler*innen nicht noch mehr zunahm. Diesen Aktivismus müssen wir über die Pandemie hinaus fortsetzen und in Siege ummünzen. Dann können wir die unmittelbare und vollständige Streichung von Studienkreditschulden erreichen, wie es das Debt Collective fordert. Diese Schulden häufen sich immer schneller an, weil das Hochschulwesen mit der Schaffung neuer Märkte, der Öffnung gegenüber Unternehmen und einer unlauteren Kreditvergabe Veränderungen zuvorzukommen versucht.

In der Tat haben wir in den vergangenen Monaten viel darüber gelernt, was es heißt, politischen Willen und Mut zu zeigen, wenn wir etwas tatsächlich für „gewinnbar“ halten. Der Historiker Robin D.G. Kelley erinnert uns daran, dass Kreativität, Experimentierfreude und Freiheitsträume integraler Bestandteil progressiver sozialer Bewegungen sind. Er meint: „Wir werden immer wieder daran erinnern müssen, dass die Bedingungen und die bloße Existenz sozialer Bewegungen es den Teilnehmern ermöglichen, sich etwas anderes vorzustellen und zu erkennen, dass die Dinge nicht immer so sein müssen.“ Das heißt, die Dinge, die wir heute haben, wären nicht möglich gewesen, wenn die Menschen sie nicht zuerst erdacht, gemacht oder erkämpft hätten. Das 1966 von der Black Panther Party ins Leben gerufene kostenlose Frühstücksprogramm für Kinder ist dafür eines der berühmtesten Beispiele. Es wurde zum direkten Vorbild für das nationale Schulfrühstücks- und -mittagessenprogramm sechs Jahre später. Bei der Frage, was die Biden-Administration in Sachen Bildung tun sollte, dürfen wir uns nicht abspeisen lassen und auf das Immergleiche beschränken, sondern wir sollten die konkreten Forderungen, die die Aktivist*innen an der Basis mit ihrer radikalen Vorstellungskraft und in vielschichtigen Kämpfen erarbeitet haben, im Auge behalten.

Das im Dezember 2020 verabschiedete COVID-19 Hilfspaket wies 82 Milliarden Dollar dem Bildungswesen (Education Stabilization Fund ESA) zu. Davon sind 54,3 Milliarden Dollar für die öffentlichen Schulen bestimmt. 90 Prozent dieser Gelder sind an Schulen proportional zu ihrem Anteil am ESEA-Gesetz (ESEA steht für Elementary and Secondary Education Act, der 1965 im Rahmen der Bürgerrechtsgesetzgebung bundesweit in Kraft trat, Anm. d. Ü.) zuzuteilen. Die restlichen 10 Prozent liegen im Ermessen der Einzelstaaten. Diese Bundeshilfsgelder sind zusammengenommen aber weit entfernt von dem, was benötigt wird. Denn „Bildungsexperten schätzen die Verluste, die Schulen erlitten, auf bislang 200 Milliarden Dollar.“ Was mit diesen stückweise beschlossenen Entlastungsgeldern tatsächlich passiert, wird sich allerdings erst in zukünftigen Haushaltsdebatten herausstellen. Denn dort wird entschieden werden, ob am Ende die Fonds lediglich die Lücken der Sparhaushalte füllen oder ob sie tatsächlich dringend benötigte Mittel bereitstellen. Darüber hinaus deckt der ESF die Kosten für das E-Rate-Programm, das Schulen bei der Anschaffung von Computern und Internetzugängen unterstützt. Im Einklang mit der DeVos’schen Logik, in Schüler*innen zu investieren, nicht in Systeme oder Schulgebäude, enthält der ESF „Mittel, die einkommensschwachen Familien den Zugang zum Internet erleichtern sollen“.

Um die Haushalte in den Einzelstaaten wird zweifellos hart gekämpft werden. Dabei können wir viel von der Recherchearbeit, der Organisationstätigkeit und den Forderungen der Los Angeles Teachers Union (LATU) lernen. Sie hat die Forderung nach der Streichung von Mitteln für die Polizei verknüpft mit Forderungen nach mehr staatlichen Mitteln für Schulen und deren Ausbau (inklusive Arbeitsplätzen), nach einem Moratorium für Charter-Schulen und einem Ende der Wohnunsicherheit. Die LATU und die Bewegung #StudentsDeserve, in der Schüler*innen, Lehrer*innen und Eltern aktiv sind, fordern „echte Unterstützung für Schwarze Gemeinden, Communitys mit People of Color sowie arme und nicht-weiße Arbeiterhaushalte“. Sie beziehen sich dabei auf das Invest-Divest-Konzept, das in der Abolitionistentradition steht, und stützen sich auf eine zentrale politische Forderung des Movement for Black Lives. Gemeint ist laut #StudentsDeserve Folgendes: „Das heißt, Schulen mit kleineren Klassen und mehr Kunst, mehr Wahlfächern, College-Berater*innen, Therapeut*innen, Bibliothekar*innen, Hausmeister*innen und Gesundheitsdiensten. In öffentliche Schulen zu investieren, ist auch Teil des Kampfes gegen Polizeigewalt, Privatisierung, Charter-Schul-Expansion und Schulschließungen bzw. Umwandlung in Charterschulen. Wenn es in unseren Communitys gut ausgestattete und qualitativ hochwertige öffentliche Schulen gibt, brauchen wir keine Charterschulen und keine Polizei mehr.“ LATU und #StudentsDeserve führen uns vor Augen, dass Schulen staatliche Einrichtungen sind. Statt Austerität und Rückzug des Staates brauchen wir eine Umverteilung der Mittel. Wir brauchen #defundthepolice und einen New Deal für die öffentliche Bildung

Wenn sich unsere Städte im nächsten Schuljahr von der Pandemie erholt haben, werden wir hart  – und gut vernetzt – kämpfen. Kürzlich drohte die New Yorker Verkehrsbehörde MTA mit der Streichung von mehr als 9000 Stellen und drastischen Dienstleistungskürzungen. Während  Schulangestellte im ganzen Land inmitten der Pandemie für fortgesetzte Schulschließungen kämpfen, sind Diskussionen über die Auswirkungen auf Haushalte und Arbeitsplätze entbrannt. Derzeit sind über sechs Millionen Beschäftigte im öffentlichen Schulwesen tätig. Eine aktuelle Studie des Pew Charitable Trust stellt fest, dass „laut Schätzungen des US-Arbeitsministeriums die Beschäftigung im staatlichen und kommunalen Bildungsbereich im Oktober um 8,8 % gegenüber dem Vorjahr gesunken ist, was den niedrigsten Stand an Arbeitsplätzen zu diesem Zeitpunkt im Schuljahr seit dem Jahr 2000 darstellt… Der Großteil der Streichung meist befristeter Stellen im kommunalen Bildungswesen betrifft öffentliche Schulen. Damit ist die  Beschäftigung in diesem Sektor in fast allen Bundesstaaten von September 2019 bis September 2020 gesunken.“ Darüber hinaus zeigen die jüngsten Berichte des Bureau of Labor Statistics, dass im Dezember 2019 landesweit 140.000 Nettoarbeitsplätze verloren gingen. Dass Schwarze und Latinx-Frauen die Gesamtheit der verlorenen Netto-Arbeitsplätze ausmachen, zeigt einmal mehr die Gewaltsamkeit von Austerität und ihrer rassistischen und geschlechtsspezifischen Dimensionen.

Eine 1. Klasse in der Turnhalle der Yung Wing School P.S. 124 in New York City am 13. Januar 2021. (Foto: Michael Loccisano/Getty Images)

Angesichts der beschleunigten Prekarisierung können wir viel von den Bewegungen des Globalen Südens lernen, die seit langem gegen neoliberale Reformen und politisch-wirtschaftliche Unsicherheit kämpfen. Ein Beispiel ist der historische Streik von Bauern und Bäuerinnen sowie Landarbeiter*innen in Indien mit ihrer radikalen Vorstellungskraft, auf die sich Kelley bezieht. Wir können auch einen Blick auf die Selbstorganisierung von armen und nicht-weißen Arbeitnehmer*innen im Globalen Norden werfen, die seit langem prekarisiert sind. Viele von ihnen ziehen ihre Stärke aus einem Konzept, das Henri Lefebvre als das Recht auf die Stadt bezeichnete. Wie der Geograf Kafui A. Attoah erläuterte , bedeutet das Recht auf die Stadt „das Recht, die Stadt zu bewohnen, das Recht, das urbane Leben zu neuen Bedingungen zu produzieren (frei vom Tauschwert), und das Recht der Bewohner*innen, sich vom städtischen Leben nicht entfremden zu lassen.“ Oder, wie ein Mitglied der Operation Move-In, einer Hausbesetzungsbewegung in der Upper West Side von New York City in den 1970er Jahren, angeführt von El Comité-MINP (Movimiento de Izquierda Nacional Puertorriqueño/Puerto-Ricanische Nationale Linke Bewegung), ausdrückte: „Wir sind die Menschen, die diese Stadt ausmachen. Wir arbeiten hier. Wir arbeiten in Fabriken, Krankenhäusern, Supermärkten, U-Bahnen, Banken….wir sind die Stadt.“ Es war auch El Comité, das über ein Jahrzehnt lang im gleichen Zeitraum wie Operation Move-In (und als Erbe des Movement for Community Control of Schools) eines der ersten zweisprachigen Programme in New York City erkämpfte.

Natürlich ist der Kampf um Schulen ein dialektischer Kampf. Er richtet sich gegen die auf Rassismus und Klassenunterdrückung beruhende Enteignung, das heißt, gegen die organisierte Verwahrlosung. Aber gleichzeitig wird er auch geführt für ein kollektives Zukunftsprojekt, und zwar an Ort und Stelle. Nehmen wir als Beispiel den 34-tägigen Hungerstreik von #FightforDyett. Schwarze Eltern, Großeltern, Lehrer*innen und Gemeindemitglieder in Chicagos historischem Stadtteil Bronzeville hatten sich 2015 dazu entschlossen. Er zeigt, dass es bei Auseinandersetzungen um Schulen auch um die Frage geht, wie unsere Städte aussehen sollen. Natürlich ging es der Coalition to Revitalize Dyett um die Zurückeroberung, Verteidigung und Veränderung sowohl der Schule wie auch des Ortes Bronzeville. Wie die Erziehungswissenschaftlerin Eve L. Ewing hervorhebt, war der Sanierungsplan für die Schule, den das Bündnis vorschlug, „im Laufe von 18 Monaten in Absprache mit den Eltern vor Ort entwickelt worden. Er sollte das Gefühl von Stabilität und Solidarität in einem Stadtteil wieder herstellen, der durch jahrelange Schulschließungen erschüttert worden war.“ Ewing erinnert uns daran, dass „[ein] Kampf um eine Schule nie nur um eine Schule geht.“ Tatsächlich ist es ein Kampf für Menschen an einem Ort und die gemeinsame Zukunft von beiden.

Ruth Wilson Gilmore stellt fest: „Eine politische Maßnahme ist für die allgemeine Politik das,  was Methode für Forschung darstellt. Sie ist das Drehbuch für eine Möglichkeit, sie ist ein Experiment.“ Deshalb kommt es nicht von ungefähr, dass für Befreiungsbewegungen von den Zapatisten über die kubanische Revolution bis hin zum langen Freiheitskampf der Schwarzen in den USA und darüber hinaus Bildung der zentrale Schlüssel ist. Bei den Experimenten um Befreiung ist sie Kampfmittel, -methode und -ort. Wie uns W.E.B. DuBois in seinem Werk Black Reconstruction in America 1860-1880 über das freiheitsstiftende Experiment lehrt, wurden die ersten wirklich universellen öffentlichen Schulen während der Rekonstruktionszeit von freien Schwarzen Gemeinden gegründet. Mit Blick auf die Biden-Administration sollten wir uns auf das Erbe des rebellischen Experimentierens und der radikalen Vorstellungskraft berufen und uns dabei von den Erfahrungen und der Praxis von Graswurzel-Bewegungen leiten lassen.

Ujju Aggarwal ist Assistenzprofessorin für Anthropologie und Erfahrungslernen in den Schools of Public Engagement an der New School for Social Research in New York. Ihr Forschungsgebiet umfasst öffentliche Infrastruktur, urbanen Raum, rassistischen Kapitalismus, Rechte, Gender und Staat.


Verbunden