Reproduktive Rechte, der Zugang zu Abtreibungen und anderen diesbezüglich notwendigen Gesundheitsleistungen werden in den USA seit fünfzig Jahren angegriffen, seit der Supreme Court, der Oberste Gerichtshof der USA, 1973 im Fall Roe gegen Wade entschieden hat, dass Abtreibungsverbote auf der Ebene der Bundesstaaten verfassungswidrig sind. Im Juni 2022 errangen die Befürworter*innen von Geburten gegen den Willen der schwangeren Person mit dem Fall Dobbs gegen Jackson ihren bisher größten Sieg. Der Oberste Gerichtshof hob das Urteil Roe gegen Wade auf und entzog damit dem verfassungsmäßig geschützten Recht auf Abtreibung in den USA seine Gültigkeit.
In den zwei Jahren seit dieser verheerenden Entscheidung haben 14 Bundesstaaten Abtreibungen verboten, entweder durch neue Gesetze oder durch sogenannte „Trigger-Gesetze“, die die vor dem Urteil Roe gegen Wade bestehenden Abtreibungsverbote wieder in Kraft setzen. Weitere 11 Bundesstaaten haben Gesetze verabschiedet oder versuchen, Gesetze zu verabschieden, die laut dem Center for Reproductive Rights als feindlich gegenüber den Abtreibungsrechten gelten.
Abtreibungsrechte haben in den USA als feministische und gesundheitspolitische Frage eine große Bedeutung, sind aber auch ein wichtiges Wahlkampfthema. International gesehen hat der Kampf für reproduktive Rechte in Ländern wie Argentinien und Mexiko große Erfolge erzielt, aber auch in El Salvador und Nicaragua große Rückschläge erlitten. Unser Team hier im New Yorker Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung ist sich der dominanten Rolle der USA in der Weltpolitik bewusst und weiß, wie sehr die Politik hier oft die Politik in der Welt prägt. Angesichts des weltweiten feministischen Kampfes für den Schutz und die Ausweitung des Zugangs zu Abtreibungen sind die Kämpfe für die Erhaltung und Ausweitung der Abtreibungsrechte in den USA und anderswo ein wichtiger Teil unserer Arbeit.
Kurz nach der Dobbs-Entscheidung haben wir eine Studie von Renee Bracey Sherman und Tracy Weitz, zwei Aktivistinnen und Wissenschaftlerinnen für reproduktive Gerechtigkeit, veröffentlicht, in der untersucht wird, wie es zu der aktuellen Situation gekommen ist. Darin wird beschrieben, dass die Rechte in den USA den Kampf gegen Abtreibungen strategisch geplant hat, und was die rassistischen und kapitalistischen Beweggründe dahinter waren. Bereits jetzt sind es vor allem ärmere Menschen und People of Color, die die unmittelbaren Auswirkungen der Dobbs-Entscheidung zu spüren bekommen. Wohlhabende können sich eher mal frei nehmen und in einen anderen Bundesstaat reisen, um dort eine Abtreibung vornehmen zu lassen. Dieses Privileg haben viele Menschen mit geringem Einkommen in den Bundesstaaten, in denen Abtreibungen nun verboten sind, nicht.
Wir von der Rosa-Luxemburg-Stiftung in New York haben auch eine internationale Ausgabe der sozialistischen feministischen Zeitschrift „Lux Magazine“, dadurch unterstützt, dass wir es Journalist*innen, Fotograf*innen und Illustrator*innen ermöglichten, über den Zugang zu Abtreibungen und politische Kämpfe in El Salvador, Palästina, in US-Gefängnissen, in New York City und in Kroatien zu berichten. Wir unterstützen das „Lux Magazine“ auch in der kommenden Ausgabe, die sich mit dem Kampf von Feministinnen gegen rechtsextreme Kräfte befassen wird. Auch hier wird der Einsatz für reproduktive Gerechtigkeit im Mittelpunkt stehen.
Im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahlen im Herbst sind reproduktive Rechte neben dem Gaza-Konflikt und der Klimakrise ein wichtiges Thema. Viele, insbesondere junge, Linke in den USA sind der Meinung, dass die Demokraten – und insbesondere Joe Biden – nicht genug getan haben, um die Abtreibungsrechte in den USA zu schützen. Das ist einerseits richtig, aber es stimmt auch, dass eine erneute Präsidentschaft Donald Trumps nur zu noch größeren Einschränkungen führen wird. Einmal mehr richten sich viele Augen in der Welt auf die USA und darauf, wie sich die nächste Präsidentschaft auf die reproduktive Gerechtigkeit auswirken wird.
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(Unter dem Begriff „Reproduktive Gerechtigkeit“ werden im US-Diskurs Forderungen nach reproduktiven Rechten und nach sozialer Gerechtigkeit verbunden. S.L.)
Maria Savel ist Projektmanagerin bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung in New York und sie arbeitet zu den Themen Reproduktive Gerechtigkeit, Geschlechtergerechtigkeit, Außenpolitik und Multilateralismus.
Übersetzung: Stefan Liebich
Top photo: AP Photo/Ben Gray.